Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Das ist auch nicht nur eine Meinung der Fachminister, sondern der AOK-Bundesverband, der Verband der gesetzlichen Krankenkassen, der Bundesverband der Knappschaft, soviel ich weiß, und viele andere haben

die Ampel unterstützt. Die Verbraucherverbände haben diese Kennzeichnungsverordnung auf der Grundlage von Ampeln unterstützt. Auch andere Organisationen wie Foodwatch haben dies getan.

Das ist doch der Hintergrund für die heutige Debatte, dass man teilweise wider besseres Wissen jetzt einfach ein anderes System einführen will.

Wie sieht das andere System aus? Es ist wirklich echt kompliziert. Das ist natürlich schon ein Thema, welches man hier auch diskutieren darf. Wenn ich mit Ihnen den Test machen würde – ich habe mich jetzt mehrmals damit auseinandergesetzt –, müsste man vermutlich feststellen, viele von Ihnen würden es gar nicht verstehen. Wissen Sie, wenn ich Ihnen alleine erklären muss, dass ich auf einer Packungsgröße in Zukunft eine Angabe mit fünf verschiedenen Kästchen habe, dann stehen dort Zahlen drin, und bei Energie steht zum Beispiel 113 Kalorien. Unten drunter steht 6 %. Jetzt muss man wissen, was heißt 113 Kalorien – darunter kann ich mir noch etwas vorstellen –, jetzt 6 %. Jetzt versuche ich zu interpretieren, was die 6 % sind. Dann heißt das: prozentualer Anteil des Richtwertes bezogen auf die Tageszufuhr pro Portion. –

Dann muss ich mir zuerst einmal überlegen, was die Portion ist. Da steht dann im Kleingedruckten irgendwo: Die Portionsgröße sind 50 Gramm.

(Ministerpräsident Beck: Zwischen uns könnte da ein Unterschied sein, was eine Portion ist!)

Genau. Der Ministerpräsident macht es mir jetzt leicht. Ich habe mir vorgenommen, ich schaue nicht in die Runde und gucke mir irgendjemand aus, um zu sagen, er hat eine andere Portionsgröße, als ich sie zum Beispiel habe.

(Heiterkeit bei der SPD)

Aber wenn er sich selbst schon zur Verfügung stellt, lieber Kurt Beck, dann würde ich sagen, dann nutzen wir das einmal.

Aber es wird noch schlimmer. Wenn ich das jetzt von der Portion lese, und ich habe eine Packung mit Würstchen dabei, dann würde ich davon ausgehen, dass eine Portion sich auf die Größe des Würstchens bezieht. Dann rechnen wir aber nach und stellen fest, dass nur 80 % des Würstchens einer Portion entsprechen. Wenn ich das Würstchen ganz gegessen habe, habe ich 120 % der Portion schon gegessen. Dann muss ich wieder umrechnen.

Nein, ich will es nicht lächerlich machen, aber ich möchte Ihnen einfach nur sagen, es kann so nicht funktionieren.

Wissen Sie, es ist nicht eine Erfindung von mir, dass es nicht funktioniert, sondern es gibt eine Studie der Universität Gießen, die deutlich belegt, dass dieses System erstens einmal viele Menschen gar nicht erreicht und es gerade dort, wo die Prozentrechnungen abverlangt werden, viel zu kompliziert ist und es gerade die nicht abholt, die es am nötigsten hätten. Was nützt es, wenn wir

die ohnehin ernährungsbewussten Menschen dann noch einmal zusätzlich informieren. Deswegen ist es auch kein nutzbringendes System.

Dazu kommt, wenn wir der Industrie in Deutschland die Vorschrift machen, dass alle ihre Produkte gekennzeichnet sein müssen, dann ist das ein enormer Aufwand. Frau Schäfer, da merke ich einfach, dass Sie sich mit den Alternativen gar nicht auseinandergesetzt haben. Sie machen immer denselben Fehler. Nachdem ich es Ihnen im Ausschuss erklärt habe, dürfte es heute nicht noch einmal vorkommen.

Orangensaft ist ein Originalprodukt wie Apfelsaft und wird überhaupt nicht von dieser Ampelkennzeichnung erfasst. Auch Olivenöl, das Sie da immer nennen, oder so etwas, würde nicht erfasst. Es geht um weiterverarbeitete Lebensmittel und vor allen Dingen um die Fertigprodukte, bei denen man nicht mehr erkennen kann, was drin ist, oder wo man die versteckten Fette nicht findet oder den versteckten Zucker.

Sehen Sie, ich bin eine bekennende Müsliesserin. Dann ist es für mich zum Beispiel auch kompliziert, mich vor ein Regal zu stellen und jedes Mal eine Packung nach der anderen zu nehmen und zu schauen, ist das jetzt Müsli mit Zucker. Ich kaufe kein Müsli mit Zucker. Das ist eine meiner Kaufentscheidungen.

Dann hätte ich es in Zukunft einfacher. Dann könnte ich gucken, dort, wo es bei Zucker grün ist, kann ich es kaufen, wo bei Zucker rot ist, kaufe ich es nicht. So einfach sind die Hilfen, die man anbieten kann. Sehen Sie, das ist eigentlich der Hintergrund dieser Debatte.

Ich finde es nur schade, dass die Tiefkühlkostunternehmen in Deutschland – gehen Sie doch einmal an die Regale oder an die Tiefkühltruhen in den Lebensmittelhandel –, die diese Ampeln mit Erfolg umgesetzt haben, sich jetzt wieder an neue Systeme gewöhnen müssen, dies mit all dem Aufwand auch für die Wirtschaft, ohne dass es einen erkennbaren und nachhaltigen Nutzen dafür hat, was unser gemeinsames Anliegen ist. Nicht mehr und nicht weniger ist der Hintergrund dieser Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Schäfer das Wort.

(Schweizer, SPD: Die hat uns doch eben schon nicht die Wahrheit gesagt! Mit dem Zitronen- saft oder was es war!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so viel Zeit werden wir für diese Kurzintervention noch haben.

Sie erlauben mir, dass ich doch noch zwei oder drei Sätze dazu erzähle.

(Schweizer, SPD: Von dem Orangensaft aber auch!)

Ich finde es immer sehr nett, wie belehrend Sie sein können, Frau Ministerin. Das erleben wir auch im Ausschuss. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass man nicht alles für bare Münze nehmen muss, was Sie uns da so gerne erzählen.

Vielleicht nur noch einmal Folgendes: Sie wissen auch, dass in Berlin die Diskussion erst einmal zurückgestellt wurde,

(Ministerpräsident Beck: In Berlin wird manches zurückgestellt!)

weil die Diskussion in der EU geführt wird. Sie wissen ganz sicher, dass man an einer Novelle zur Lebensmittelkennzeichnungsverordnung arbeitet. Das habe ich vorhin schon angedeutet.

Ich möchte nur noch zwei Punkte erwähnen. Der eine ist, Sie haben eben von Personenkreisen gesprochen, die für die Ampelkennzeichnung sind. Ich kann Ihnen zig andere nennen, auch aus der Wissenschaft, die sagen: Vorsicht mit der Ampelkennzeichnung. – Es wäre vielleicht ganz schön, wenn Sie uns einmal zuhören würden.

Der nächste Punkt ist, ich möchte Ihnen nur noch einmal etwas sagen, weil Sie so tun, das hätten wir doch im letzten Jahr schon alles gehabt und das hätten wir doch auf der Agenda gehabt, beschlossen und so weiter.

Es kann sich etwas durch Erfahrung verändern. Wir erleben das mit den Erfahrungen aus dem Bereich von Großbritannien. Da sieht die Praxis anders aus. Sie sieht nicht so positiv aus, wie man es sich damals bei der Einführung erhofft hatte.

Ich habe es eben schon gesagt, nur vereinzelt wird die Ampelkennzeichnung noch verwendet. Der britische Marktführer Tesco ist von der Ampelkennzeichnung wieder abgerückt und praktiziert in Großbritannien ein anderes System.

Man hat Verbraucherinnen und Verbraucher befragt. Ich denke, das ist ein wichtiger Indikator. Das sollte man sich vor Augen führen. Im ersten Moment war die Reaktion positiv. Bei weiteren Befragungen wurden bei den Verbrauchern – so kann man das lesen – immer mehr Zweifel und Unsicherheiten festgestellt. Verbraucher dachten zum Beispiel, dass „Rot“ Stopp oder Gefahr bedeuten würde. Ein einziges Rot auf der Verpackung wurde auf alle Inhaltsstoffe übertragen. Darüber hinaus wussten die Verbraucher nicht, wie sie auf die gelben Lichter – so haben sie es bezeichnet – reagieren sollten und deren Häufigkeit, eine Entscheidung zu treffen, unterminierte, wie es so schön heißt. Es entstand ein Vertrauensproblem.

Ich will nur sagen, wir müssen schauen, dass wir eine handhabbare Lebensmittelkennzeichnung bekommen. Darauf kommt es an. Es muss nicht eine sein, die ver

einfacht und am Ende zu falschen Schlussfolgerungen führen kann.

(Hartloff, SPD: Wenn es kompliziert wird, wird jedes Nichtwissen noch schlimmer!)

Wir sollten nicht dahin kommen, dass man sagt, wir wollen den Verbrauchern sagen, was sie zu essen und zu trinken haben. Das ist ganz sicher der falsche Weg. Ich denke, man sollte da einen anderen Weg einschlagen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder Fraktion stehen noch vier Minuten Redezeit zur Verfügung. Frau Schellhaaß hat sich für die Fraktion der FDP gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur weil etwas kompliziert ist, muss man es nicht unbedingt ablehnen, zumal, wenn Einfaches Bestandteil ist.

Wenn es zu kompliziert ist, sich damit auseinanderzusetzen, wie viel Prozent des Tagesbedarfes gedeckt sind, dann liest man nur die Angaben pro 100 Gramm. Wer gar nicht lesen kann, hat es natürlich schwer.

(Beifall bei der FDP – Hartloff, SPD: Sie wissen selbst, dass das ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung ist!)

Dem helfen die Farben auch nicht. Der wird von den Farben völlig irregeleitet.

Natürlich würde ich mir wünschen, dass die 100-GrammAngaben manchmal auffälliger wären. Mich ärgert es, wenn ich im Laden stehe und durch Absetzen der Brille zu erkennen gebe, dass ich älter geworden bin und ohne Brille die kleinen Inhaltsangaben lesen muss.

(Ministerpräsident Beck: Bei mir ist es umgekehrt!)

Manche Packung ist einfach nicht größer. Das Ideale gibt es auf der Welt ohnehin nicht, so viel ist sicher. Ihre Ampelvereinfachung ist es bestimmt nicht.

(Beifall der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Elsner von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können es noch so oft wiederholen, Frau Schäfer und Frau Schellhaaß, dadurch wird es nicht richtiger.