Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Es müsste Ihnen eigentlich auch bekannt sein, dass wir in einem für die Unterrichtsversorgung an berufsbildenden Schulen schwierigen Umfeld arbeiten und es mit schwierigen Rahmenbedingungen zu tun haben. Es ist eine bundesweite Situation, dass wir in bestimmten Fächern einen Lehrermangel haben, weil es um eine Schule geht, die Praxis und Theorie miteinander verbindet. Dort brauchen wir auch Lehrer für den praktischen

Teil. Für viele Bereiche, gerade für Ingenieure, gibt es natürlich auf dem Markt und bei den Unternehmen sehr viel bessere Anstellungsbedingungen, weshalb sie nicht den Weg eines Lehramtsstudiengangs für berufsbildende Schulen wählen. Das ist eine Situation, mit der wir umgehen müssen.

Gleichzeitig haben wir als SPD in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren – ich erinnere an die Schulnovelle 2004, als wir uns in einer Koalition befanden – das berufsbildende System in ein modernes Schulsystem umgewandelt und weiterentwickelt. Ich erinnere nur an das berufliche Gymnasium und die höhere Berufsfachschule mit einer Ausdifferenzierung und zusätzlichen Angeboten für eine Weiterentwicklung und gleichzeitig vielen Förder- und Aufstiegsmöglichkeiten. All das haben wir geschaffen. All das war zu Ihren Zeiten überhaupt nicht in diesem Schulsystem enthalten und vorgesehen. Das kostet und bindet natürlich auch Lehrerstellen.

Wir haben aber auf der einen Seite Ja zur Unterrichtsversorgung gesagt, aber wir haben gleichzeitig zusätzliche Förderungsmöglichkeiten und zusätzliche Aufstiegsmöglichkeiten sowie zusätzliche Abschlüsse in dieses System hineingebracht.

Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass in den vergangenen zehn Jahren die Schülerzahlen an den berufsbildenden Schulen von 115.000 auf über 123.000 gestiegen sind, bei den beruflichen Gymnasien und den höheren Berufsfachschulen rund 260 neue Klassen entstanden sind und wir den Faktor für den fachpraktischen Unterricht und gleichzeitig die Schulleiteranrechnungspauschale gestrichen haben. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Unterrichtsversorgung. Es war von uns aber eine bewusste politische Entscheidung, das in dieses System hineinzubringen und damit für eine pädagogische Verbesserung in diesem System zu sorgen.

Wir haben in den vergangenen Jahren vieles zusätzlich bewältigt und gestaltet. Wir haben über das Seiten- und Quereinsteigerprogramm, das Fachlehrerprogramm, die Anhebung der Verbeamtungsgrenze für Lehrkräfte für Mangelfächer auf das 45. Lebensjahr, das Koblenzer Modell und den Ausbau der Plätze an den Studienseminaren gesprochen und vieles in das berufsbildende Schulsystem hineingeleitet und damit geradezu einen Schwerpunkt unserer Politik auf das berufsbildende System gelenkt.

(Beifall der SPD)

Wenn Sie heute mit den Erkenntnissen einer Kleinen Anfrage, wobei ich hoffe, dass Sie die Tabelle richtig gelesen haben

(Zuruf aus dem Hause)

das wird Ihnen vielleicht die Ministerin erläutern, die Ihnen die Antwort gegeben hat –, schon präventiv oder vorausschauend den Untergang an die Wand malen wollen, glaube ich, dass Sie wieder einmal ziemlich daneben gegriffen haben und den Entwicklungen an den berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz und der Tatsache, dass wir in diesem System kontinuierlich

einstellen und die Ansparstunde zu Recht zurückgeben, nicht gerecht werden.

Sie haben selbst vor einem halben Jahr in einer Kleinen Anfrage davon geredet, dass man Lehrer aus der Fachpraxis in andere Schularten schicken könnte. Das zeigt, wie sehr Sie sich wirklich mit dieser Situation beschäftigen.

Ich denke, wir machen eine moderne und angepasste Politik für berufsbildende Schulen. Wir werden uns auch in den nächsten Jahren darum bemühen, in diese Schulen alle Ressourcen, die wir haben, hineinzulenken, damit dort eine Verbesserung der Situation entsteht, die in unserer Regierungszeit viel besser ist, als sie jemals in Ihrer Regierungszeit in Rheinland-Pfalz war.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Das ist lächerlich! – Ramsauer, SPD: Das lässt sich nachweisen, Herr Kolle- ge!)

Deswegen sind wir auf dem richtigen Weg.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben bereits in der vergangenen Plenarsitzung im Rahmen einer Mündlichen Anfrage, die der Herr Kollege Kuhn und ich gemeinsam an die Landesregierung gerichtet haben, auf die sich in absehbarer Zukunft verschärfende Problematik in der Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen hingewiesen und die Ministerin gebeten, hierzu Stellung zu nehmen.

Wir alle wissen, dass die berufsbildenden Schulen schon heute mit dem größten strukturellen Defizit in der Unterrichtsversorgung zu kämpfen haben. Die Kollegin Dickes hat es gesagt. Es sind 6,2 %.

Wir wissen, dass diese Schulen besonders komplex organisiert sind und die vielfältigsten Bildungsangebote für eine sehr heterogene Schülerschaft vorhalten. Wir wissen, dass es sich bei den berufsbildenden Schulen um ein ungeheuer leistungsfähiges System handelt und um Kolleginnen und Kollegen, die dieses Defizit immer wieder abfangen und in hervorragender Art und Weise die Leistungen in einem großen Spektrum erfolgreich sicherstellen.

Wir wissen, dass gerade der berufsfachliche Unterricht bei gleichzeitiger besonderer Bedeutung oft schwer abzudecken ist, weil spezifisch qualifizierte Lehrkräfte am Markt fehlen oder von der konkurrierenden Privatwirtschaft abgeworben werden.

Vor diesem Hintergrund mussten wir schon in den vergangenen Jahren leider zur Kenntnis nehmen, dass es diese Landesregierung bisher nicht geschafft hat, ein in sich schlüssiges Konzept auf den Weg zu bringen, um dem für die Schülerinnen und Schüler oft massiven Unterrichtsausfall zu begegnen und die belastende Situation für die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort wirksam zu entspannen.

Wir erkennen natürlich durchaus an, dass es verschiedene Maßnahmen gibt, zuletzt auch die Anhebung der Verbeamtungsgrenze auf 45 Jahre, um insbesondere dieser Problematik zu begegnen.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Wir sehen jedoch nicht, dass Sie versucht hätten, auch im Dialog mit dem entsprechenden Berufsverband in größerem Maße zusätzliche Anreize zu schaffen und Rheinland-Pfalz und seine berufsbildenden Schulen in besonderer Art und Weise im Wettbewerb zu positionieren. Wir sehen nicht, dass Sie spürbare flankierende Maßnahmen zur Verfügung gestellt hätten, wie wir sie als Fraktion vorgeschlagen haben, um die Belastung in den berufsbildenden Schulen ein Stück weit aufzufangen, wie zum Beispiel den verstärkten Einsatz von Schulsozialarbeit, aber vor allem auch eine Teilhabe am Ganztagsschulprogramm des Landes.

Stattdessen scheinen Sie gerade im Bereich der berufsbildenden Schulen auf den Rückgang der Schülerzahlen zu warten, obwohl Sie selbst in der Antwort auf unsere Anfrage gesagt haben, dass dieser bei gleichzeitig steigender Nachfrage nach vollzeitschulischen Angeboten und in dem Ausmaß, in dem er bisher stattfindet, noch überhaupt nicht greifen und für Entlastung sorgen kann.

Wir sind gerade deshalb besorgt, dass in Zukunft zusätzliche Belastungen auf die berufsbildenden Schulen zukommen werden. Diese liegen zum einen in dem Bereich der Fachoberschulen und der Realschule plus, aber auch im Bereich der Rückgabe der Ansparstunde. Hier werden faktisch deutliche zusätzliche Bedarfe auf Sie zukommen. Aus unserer Sicht haben Sie mit keiner Silbe vernünftig sagen können, wie Sie das auffangen wollen. Sie sind die Antwort schuldig geblieben.

Sie wissen, dass schon heute knapp 300 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Wenn man sich die Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Frau Dickes anschaut, werden Sie schon etwas konkreter als im Plenarsaal im vergangenen Monat. Man sieht, dass kontinuierlich 100 Stellen zusätzlich hinzukommen, die Sie in irgendeiner Form vorhalten müssen. Im Februar haben Sie noch gesagt, das ist alles in der Personalplanung berücksichtigt. Die hierfür erforderlichen Ressourcen stünden im Schulbereich zur Verfügung.

Auf die Anfrage der Kollegin sagen Sie jetzt, wenn wie bei den berufsbildenden Schulen im Jahr 2011/2012 durch die Rückgabe der Ansparstunde ein besonderer Bedarf besteht, wird das berücksichtigt, indem beispielsweise die durch den Schülerrückgang an anderen Schularten frei werdenden Ressourcen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden. Das ist interessant.

Hier lässt sich zumindest einmal ahnen, dass es einen zusätzlichen Bedarf geben wird. Das war vorher noch nicht so. Dann sagen Sie, die Ressourcen werden an anderen Schulen frei. Ich muss der Kollegin, die das zugespitzt vorgetragen hat, recht geben. Wo werden diese so frei, dass man sie 1 : 1 im berufsbildenden Bereich auch verwenden kann?

Wenn Sie sehen, dass Sie überall selbst zusätzliche Angebote im Bereich der Sekundarstufe II machen, sei das an der Oberstufe der IGS oder auch an der Fachoberschule, (Glocke des Präsidenten)

dann werden geradezu zusätzliche Lehrkräfte abgezogen. An anderer Stelle sagen Sie immer, die Menschen sind am Markt nicht vorhanden. Hier argumentieren Sie genau umgekehrt. Darauf werde ich gleich noch einmal eingehen. Das ist alles nicht so wirklich stimmig, was Sie vortragen.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir fällt es ein bisschen schwer, mich über mangelnde Stimmigkeit auszutauschen, weil ich es nicht für möglich gehalten habe, dass man Zahlen so falsch lesen kann, wie es Frau Dickes getan hat.

Als die Aktuelle Stunde angemeldet worden ist, fiel mir auch nur ein, dass es diese Anfrage sein könnte. Dann habe ich mich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hingesetzt und gesagt, schaut euch das an. Ist das eindeutig? Kann man das so verstehen? Dann haben mich alle gefragt, warum ich das so genau nachfragen würde. Daraufhin habe ich gesagt, dass ich befürchte, dass es nicht verstanden wird. Alle haben mir aber gesagt, es ist eindeutig. Nur Frau Dickes belegt, dass meine Antwort offensichtlich nicht eindeutig ist, oder dass sie es missverstehen will.

Sie redet davon, dass auf die Ansparstunde in den nächsten Jahren pro Jahr jeweils 100 draufkämen. Das stimmt überhaupt nicht. Das ist eine völlig falsche Interpretation. Frau Morsblech hat das nicht gesagt, aber Frau Dickes hat genau das gesagt. Sie beantragt vor dem Hintergrund völlig falscher Annahmen und Zahlen eine Aktuelle Stunde. Ich finde, das ist bemerkenswert.

(Beifall bei der SPD – Ramsauer, SPD: Das ist dreist!)

Ich diskutiere gern über die berufsbildende Schule und auch über die dort nicht einfache Situation, die von mir überhaupt nicht geleugnet wird.

(Bracht, CDU: Das hat Herr Fuhr eben gemacht! Widersprechen Sie ihm dann!)

Herr Abgeordneter Bracht, Sie werden mir doch auch zustimmen. Es kann doch nicht sein, dass wir Aktuelle Stunden über Zahlen führen, von denen klar ist, dass sie falsch sind.

(Bracht, CDU: Es gibt große Probleme an den berufsbildenden Schulen!)

Dann muss doch die Opposition auch einmal sagen können, das haben wir nicht verstanden. Wenn es jetzt richtiggestellt und noch einmal erklärt wird, ist es auch in Ordnung.

(Bracht, CDU: Gibt es die großen Probleme an den berufsbildenden Schulen, oder gibt es sie nicht?)

Ich muss schon sagen, dass ich mich ein bisschen in meiner Ehre angegriffen fühle. Wir diskutieren über einen wichtigen politischen Bereich, bei dem man auch ein Stück weit in der Lage sein muss, seriös mit Zahlen umzugehen.

(Bracht, CDU: Gibt es die großen Probleme an den berufsbildenden Schulen, oder gibt es sie nicht? – Zurufe aus dem Hause)

Ich gehe darauf ein.

Dann kommt der zweite Punkt. Dann fragt Frau Dickes, wie ich das machen wolle.

Ich wolle wohl nicht Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer an die BBS schicken? Als würden wir in den letzten zehn Jahren das erste Mal darüber reden, wie Unterrichtsversorgung läuft. Das tun wir regelmäßig in jedem Ausschuss.