Protokoll der Sitzung vom 18.03.2010

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist doch gar nicht schlecht, wenn die CDU viele Stellungnahmen vorliest, beispielsweise eine gute Presseerklärung von Olaf Scholz, der ein sehr guter Arbeitsminister gewesen ist und der sich Verdienste zur Einführung von Mindestlöhnen in manchen Teilbereichen erworben hat.

Das war immer – da will ich Ihr Gedächtnis aufhellen – ein Teil der Auseinandersetzung zwischen den früheren Koalitionspartnern, wobei die CDU sehr schwierig dahin zu bringen war, dass es solche Mindestlöhne in Teilbereichen gibt.

(Pörksen, SPD: Wohl wahr!)

Vielleicht sollte ja auch Frau Ministerin Ahnen – ich sehe sie jetzt nicht – Ihnen helfen, weil Sie vorhin den Zeitungsartikel mit der Aussage von Herrn Ministerpräsident Beck zitiert haben, weil diese Aktuelle Stunde vielleicht eher einer Leseschwäche zu verdanken ist, Ihrer politischen Leseschwäche;

(Fuhr, SPD: Die Folge von PISA!)

denn es ist eine eindeutige Frage gestellt, zu der sich der Ministerpräsident – der sich gleich dazu auch äußern wird – eindeutig geäußert hat.

(Ramsauer, SPD: So etwas Gutes haben wir von der CDU noch nie gehört!)

Was will die SPD ohne jeden Konflikt? Wir sind der Auffassung, dass die Einführung von Mindestlöhnen notwendig ist, weil es in Deutschland ein Problem damit gibt, dass es Lohnspiralen nach unten gibt, die es nicht mehr ermöglichen, dass Menschen von einer vollschichtigen Arbeit tatsächlich leben können.

Das Problem hat in den letzten Jahren zugenommen. Es gibt Bereiche, in denen es tarifliche Regelungen gibt – das ist der Punkt, auf den der Ministerpräsident auch hingewiesen hat –, die besser sind. Diese tariflichen Lösungen sind natürlich immer mit Vorrang zu behandeln.

(Baldauf, CDU: Klar!)

Wir sind aber der Auffassung, dass es einen Mindestlohn geben muss, wie es ihn im europäischen Ausland und international im Übrigen auch gibt, wie ihn auch Wirtschaftsforscher fordern und wie ihn auch beispielsweise die Firma „Lidl“ vor Kurzem für ihre Branche gefordert hat,

(Pörksen, SPD: Warum wohl?)

dass wir ihn brauchen als Minimum einer sozialen Absicherung für die Menschen, die vollschichtig arbeiten, weil er umgangen wird.

Wir brauchen ihn notwendiger, deshalb wird er branchenweise ohne Ihre Zustimmung von der CDU auch kommen, weil spätestens in zwei Jahren die Grenzen offen sind, was die EU anbelangt, und natürlich in vielen Branchen ganz andere Menschen zu uns kommen, die hier arbeiten können und das zu niedrigeren Löhnen machen und es genügend Arbeitgeber gibt, die das ausnutzen.

(Zuruf des Abg. Fuhr, SPD)

Frau Thelen, wenn Sie sagen, die CDU will das nicht, so erinnere ich mich an eine Debatte hier, bei der Herr Billen, der von Ihnen mehr oder weniger rausgeschickt ist, aber vielleicht doch wiederkommt, hier ans Pult gegangen ist und gesagt hat, dass er die Einführung von Mindestlöhnen sinnvoll findet. Ich habe auch hier die entsprechenden Erklärungen.

Also bei Ihnen ist das Bild sicherlich unterschiedlich dazu. Herr Baldauf hat sich dagegen ausgesprochen, weil er Entlassungen fürchtet und sagt, das sei für den Arbeitsmarkt schädlich.

Dem widersprechen wir. Da haben wir andere Auffassungen. Ich glaube, die Auffassung der SPD findet eine weitere Stütze auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Berechnung der Regelsätze nach Hartz IV.

Das ist eine gute Stütze, weil dort niedergelegt ist und das Verfassungsgericht uns Hinweise gegeben hat, was Menschen mindestens brauchen, damit sie menschenwürdig leben können.

Was für staatliche Unterstützungen gilt, von Mindestsätzen und den Gedanken, die unser Verfassungsgericht dazu hat, das muss für den Lohnsektor auch gelten. Da kann sich der Staat nicht vornehm heraushalten und sagen, der Markt wird es regeln,

(Zuruf der Frau Abg. Thelen, CDU)

weil der Markt es genau nicht regelt, sondern weil der Markt nicht überall tarifliche Regelungen hat, die greifen, und der Markt ein Versagen darin hat, dass keine menschenwürdigen Löhne gezahlt werden.

Deshalb ist ein Mindestlohn auch in Deutschland notwendig. Deshalb setzt sich die SPD flächendeckend dafür ein. Da gibt es zwischen unserer Generalsekretärin in ihren Erläuterungen und dem Ministerpräsidenten überhaupt nichts, was dazwischen steht,

(Ramsauer, SPD: Das ist wahr!)

sondern da gibt es breite Übereinstimmung, dass wir diese Forderung haben, und auch die Übereinstimmung darin, dass den konkreten Satz nicht die Politik selbst festsetzen soll, sondern man unabhängige Personen braucht, die diese Sätze vorschlagen und berechnen,

(Glocke des Präsidenten)

damit man nicht im politischen Wettlauf über die Höhe der Sätze liegt.

Dazu werde ich Ihnen in der zweiten Runde noch etwas sagen.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitz von der FDPFraktion.

(Zuruf von der SPD: Der mit dem Haus in London!)

Und was für eins.

(Zuruf von der SPD: Wo denn?)

Kensington.

(Frau Spurzem, SPD: Das ist teurer geworden, da zu wohnen!)

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorab: Die Diskussion um Lohndumping haben wir im Zusammenhang mit den Schlecker-XL-Märkten geführt. Das ganze Haus war einer Meinung. Wir müssen das jetzt nicht miteinander vermischen. Ich glaube, da gibt es keinen Dissens.

Was Kollegin Thelen zum Arbeitnehmerentsendegesetz und zum Mindestarbeitsbedingungsgesetz gesagt hat und was die jetzige Bundesregierung im Zusammenhang damit, dass die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne gesetzlich festgeschrieben werden soll, sagt, ist umfassend und unstrittig.

Wir können uns also auf das konzentrieren, um was es wirklich geht.

(Ramsauer, SPD: Ist die Bundesregierung sich da einig?)

Ich glaube, es ist in der Tat so, wie Kollegin Thelen es aufgefasst hat: Es gibt einen sichtbaren Unterschied. Das ist auch einfach zu erklären. Das hängt damit zusammen – ähnlich wie bei der Diskussion um die verfassungsrechtlichen Bedingungen zu Hartz IV –, dass die SPD das dringende Gefühl hat, in diesen Bereichen Boden nach links gutmachen zu müssen, unter anderem, um zu verhindern, dass wir im nächsten Parlament in Rheinland-Pfalz eine Fraktion haben, die wir alle nicht wollen, die aber insbesondere die SPD nicht haben will.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Von daher erschließt es sich mir, dass man sich Gedanken macht, wie weit man von unpopulären Positionen, zum Beispiel im Hartz-IV-Bereich, abrücken kann.

(Hartloff, SPD: Ja! Ja! Ja! – Ministerpräsident Beck: Unredlicher kann man nicht sein!)

Das Thema „Mindestlohn” ist dazu nach Ansicht der SPD geeignet, aber wenn wir uns der Mühe unterziehen, das Thema seriös zu diskutieren – ich werde gleich ein Forschungsergebnis der Hans-Böckler-Stiftung mit Ihrer Zustimmung zitieren, Herr Präsident –, dann müssen wir uns schon überlegen, wie hoch der Mindestlohn sein soll und ob er flächendeckend oder differenziert sein soll, meine Damen und Herren.

(Baldauf, CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Das ist die spannende Frage.

Dass wir grundsätzlich gegen differenzierte Mindestlöhne im Zweifel aus pragmatischen Erwägungen heraus nichts haben, sondern sie mittragen, ist kein Geheimnis. Das zentrale Problem ist die Höhe und die Frage der Flächendeckung.

Auf die Geschichte mit der Kommission will ich aus Zeitmangel nicht eingehen. Die kommt mir doch etwas obskur vor.

(Hartloff, SPD: Das wird in England so praktiziert!)

Aber wir schauen uns die Mindestlöhne an. Der Hinweis von 8,50 Euro von Herrn Kollegen Pörksen war schon interessant. Das ist ja die spannende Diskussion auch bei den Befürwortern des Mindestlohns, wie hoch wir ihn schrauben können.

Meine Damen und Herren, es ist vergesellschaftet mit der Diskussion um Hartz IV, Herr Kollege Hartloff; denn Hartz IV definiert den Mindestlohn sogar ohne Arbeit.