Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

(Beifall der FDP – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr gut!)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

„Die ablehnende Haltung der Landesregierung zu mehr Förderung für Studierende“ als Titel der Aktuellen Stunde zu wählen,

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist echt gut, oder?)

halte ich schon nicht mehr für gewagt. Das hat aus meiner Sicht die Qualität eines Eigentores,

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Na, na, na!)

weil sich die Landesregierung immer für eine Förderung von Studierenden und für mehr Förderung eingesetzt hat. Ich darf nur daran erinnern, dass die letzte deutliche Erhöhung des BAföG in der letzten Legislaturperiode nicht zuletzt auf rheinland-pfälzische Initiative zurückgeht.

Ab August 2008 sind im 22. BAföG-Änderungsgesetz die Bedarfssätze um 10 % und die Freibeträge um 8 % erhöht worden. Das war noch ein Wort im Vergleich zu dem, was die Bundesregierung jetzt vorlegt. Eine Förderung von Studierenden – hier sind wir uns wohl einig – muss auf dem BAföG fußen, also auf dem rechtlichen Anspruch.

Die jetzige Bundesregierung beabsichtigt, die Bedarfssätze um 2 % und die Freibeträge um 3 % zu erhöhen. Sie wollen doch nicht sagen, dass damit die Zahl der Geförderten deutlich ausgeweitet würde.

Ich glaube, dann greift das, was Herr Dr. Krell angesprochen hat. Das BAföG ist und bleibt das ungeliebte Kind der CDU. Im „stern“ vom 4. April 2005 stand „CDU will BAföG abschaffen“. Ich zitiere den „stern“: „Die Union will im Falle eines Wahlsieges 2006 das BAföG abschaffen. Dies kündigte die stellvertretende CDU-Vorsitzende und baden-württembergische Kultusministerin“ – das

war sie damals noch – „Annette Schavan in der Zeitung ‚DIE WELT’ an.“

Die Große Koalition hat es verhindert. Stattdessen kam auf Betreiben der SPD eine massive BAföG-Erhöhung, für die wir dankbar sind.

(Beifall der SPD)

Das, was jetzt vorliegt, ist vielleicht das Rückfallen in die alte Position. Vielleicht ist sie doch nicht ganz überwunden.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Dann wurde uns als Trost eine schmale BAföG-Reform und ein nationales Stipendienprogramm angeboten. Soll das eine Lösung sein? Ich sage klar Nein.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Unglaublich!)

Ich sage vorweg: Niemand in der Landesregierung und niemand in der SPD hat etwas gegen Stipendien. Das Gegenteil ist der Fall. –

Wir haben die Förderer und die Wirtschaft immer ermutigt, sich an Stipendiensystemen zu beteiligen. Wir haben die Stipendienstiftung aufgebaut. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland hervorragende Begabtenförderungswerke. Ich erinnere nur an die Studienstiftung des deutschen Volkes, aber auch an die kirchlichen, gewerkschaftlichen und parteinahen Begabtenförderungswerke.

All das ist von uns immer unterstützt worden. Das wird auch in der Zukunft unterstützt werden. Ich sage noch einmal: Wer sich für Stipendien engagieren will, ist in Rheinland-Pfalz herzlich willkommen. –

Darum geht es doch beim Gesetzentwurf der Bundesregierung gar nicht. Ich habe mir die Begründung angeschaut. Nehmen wir einmal den Gesetzentwurf und die drei wesentlichen Ziele, die er formuliert.

1. Er will dem Fachkräftemangel entgegenwirken und Anreize für ein Studium setzen.

2. Er will ökonomische Hürden abbauen.

3. Er will die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse – das ist übrigens seine Begründung – fördern.

Ich komme zu Punkt 1, nämlich mehr Studierende. Glauben Sie – so schön Stipendien sind – wirklich, dass Sie mit der vagen Aussicht auf ein Stipendium auch nur einen Studierenden, der sonst aus finanziellen Gründen scheitern würde, dazu motivieren können, ein Studium aufzunehmen? Wir wollen mehr Studierende und wissen auch, wo wir die Studierenden rekrutieren können. Hören Sie gut zu!

Nach der letzten Sozialerhebung nehmen 71 % der Kinder aus Akademikerfamilien ein Studium auf, aber nur 24 % der Kinder aus Familien ohne akademische Tradition. Es liegt doch nahe, dass das auch etwas mit

den Einkommensverhältnissen in den Elternhäusern zu tun hat.

Ich komme zu Punkt 2, den ökonomischen Gründen. Die ökonomischen Gründe sind nur mit klaren rechtlichen Ansprüchen abbaubar. Man muss doch vor einem Studium wissen, ob und unter welchen Bedingungen man BAföG beziehen kann. Das motiviert und gibt die Sicherheit, ein Studium aufzunehmen. Deswegen brauchen wir erst einmal Rechtssicherheit über ein gut ausgebautes BAföG.

Ich füge noch eines hinzu, wenn es um ökonomische Hilfen geht. Wenn man mehr junge Menschen zum Studium motivieren will, wäre es auch eine Leichtigkeit, die Studiengebühren für diejenigen abzuschaffen, die sie noch haben.

Dann komme ich zur Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Ich sage in aller Deutlichkeit: Dieser Gesetzentwurf kann sogar das Gegenteil bewirken. – Wenn die Chancen auf ein Stipendium für einen Studierenden von der Wirtschaftsstärke einer Region und der Wirtschaftsstruktur einer Region abhängig sind, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob das etwas mit der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu tun hat.

(Beifall der SPD)

Der Gesetzentwurf mag vielleicht gut gemeint sein. Gut gemeint, ist aber noch längst nicht gut gemacht. Das gilt auch für eine Reihe von Einzelpunkten. 8 % sollen zusätzlich ein Stipendium erhalten.

Herr Kuhn, Sie haben voller Stolz auf die 2.000 in Nordrhein-Westfalen – meine letzte bekannte Zahl lautet 1.400 –, die der Herr Kollege Pinkwart dort in zwei Jahren eingeworben hat, hingewiesen. Wissen Sie, was das sind? Das sind 0,3 % der Studierenden, die mit diesen Stipendien erreicht werden. Zu sagen, 8 % sind machbar, hieran äußert im Übrigen selbst die Wirtschaft Zweifel.

Ich darf aus dem „Handelsblatt“ zitieren: „Die deutsche Wirtschaft lehnt jegliche generelle Zusagen ab. Das Programm stehe und falle mit der Zusammenarbeit ‚vor Ort’“, heißt es in einer Stellungnahme der Arbeitgeber zum Gesetzentwurf von Bildungsministerin Schavan.

Die Zielmarke findet die Arbeitgebervereinigung BDA völlig überzogen. „Die Vorstellung, schon 2013 8 % der Studenten ein Stipendium geben zu können, weckt falsche Erwartungen und belastet die weitere Diskussion unnötig“. Jetzt habe ich die BDA zitiert, das waren nicht meine Worte. Also, wir sollten schon realistisch bleiben in dem, was wir den jungen Menschen an dieser Stelle in Aussicht stellen.

Ich darf noch auf Folgendes hinweisen: Es wird in einem Atemzug das Büchergeld bei den Begabtenförderungswerken erhöht, weil sonst die Logik des Stipendiensystems gar nicht funktioniert. So etwas gibt es wirklich selten. Tausende von potenziell Begünstigten, die Studierenden, die ein solches Stipendium haben, sagen: Das ist eine ungerechte Regelung. Wir müssen uns erst um diejenigen kümmern, die geringe Einkommen haben,

damit die auf jeden Fall Sicherheit fürs Studium haben. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang.

(Beifall der SPD)

Ich füge hinzu: Ist es denn wirklich ein Beitrag zu viel geforderter Mobilität, wenn mein Stipendium davon abhängig ist, dass ich an einer bestimmten Hochschule bin und bleibe? Passt das System zu dem, was wir mit der Bologna-Reform unter Mobilitätsgesichtspunkten diskutiert haben?

Ich sage noch einmal: Der Gesetzentwurf hat aus meiner Sicht das Problem, dass er versucht, eine unzureichende BAföG-Erhöhung durch ein Stipendiensystem zu rechtfertigen. Das ist kein geeigneter Ansatz. Selbst wenn man das mitgehen würde, ist der Gesetzentwurf handwerklich noch absolut schlecht gemacht.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ablehnung!)

Deswegen bleibe ich bei meiner Aussage: Man kann Geld nur einmal ausgeben, und an der Stelle haben wir eine klare Priorität, dass das Geld dorthin fließen muss, wo Studium nur mit materieller Unterstützung möglich ist. Deswegen wollen wir eine Ausweitung des BAföG.

(Auler, FDP: Gießkanne!)

Das ist nun wahrlich kein Gießkannenprinzip, lieber Herr Auler. Es basiert auf einer klaren Rechtsgrundlage, dass der Staat die Studierenden unterstützt, wenn die Eltern kein ausreichendes Einkommen haben. Das ist das, was wir uns unter sozialer Gerechtigkeit vorstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Huth-Haage von der CDU-Fraktion.

Frau Ministerin, Ich stelle fest, der Titel unserer Aktuellen Stunde war genau zutreffend.

(Beifall der CDU – Frau Kohnle-Gros, CDU: Genau!)

Sie haben das eben bestätigt. Sie haben es mit schwachen Argumenten getan. Mit Verlaub, wenn ich hier fünf Jahre alte Zitate von irgendwo herauskramen muss, um das irgendwie zu rechtfertigen,

(Heiterkeit des Ministerpräsidenten Beck)

ist das schon eigenartig.