Protokoll der Sitzung vom 26.05.2010

Na ja, da gibt es ganz interessante Vorschläge, beispielsweise die Überlegung: Kann man denn solche Papiere nicht über Börsentitel transparent machen, absichern und entsprechend kontrollieren? –

(Bauckhage, FDP: Das ist unstreitig!)

Es ist ja nicht so, dass man nichts tun kann. Dann wären wir im Übrigen bei einer Steuerart, die wir schon kennen, also nicht in Deutschland, aber in der Welt. Es gibt schon Ideen, wie das auch praktisch gehen kann.

(Bauckhage, FDP: Da müssen aber alle mitmachen!)

Nein, nein, das müssen sie nicht. Es geht im EURaum, ganz ohne Frage.

(Bauckhage, FDP: Im EU-Raum!) – Weitere Zurufe im Hause)

Entschuldigung, was heißt „aber“? Ich sehe gar nicht, dass das nicht geht. Ich habe beispielsweise mit Jean Claude Juncker telefoniert, der für diese Fragen für den EU-Raum zuständig ist. Er ist sehr dafür, dass wir das machen, und meint auch, dass wir das hinkriegen können. Es ist nicht so, dass man das nicht hinbekommen kann. Es gibt viele Umsetzungsmöglichkeiten, das dann auch zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir auf der einen Seite wirklich dranbleiben und auf der anderen Seite jetzt sehr aufpassen müssen, dass wir bei dem Thema „Sparen“ nicht einen neuen kapitalen Fehler in ganz Europa machen. Es ist keine Frage, dass wir konsolidieren müssen. Aber wenn ganz Europa seine investiven Ausgaben und auch in gewissem Maße, wenn es übertrieben wird, konsumtiven Ausgaben überzogen zurückfährt, haben wir eine Situation, die von der Nachfrage in China und anderswo nie und nimmer ausgeglichen werden kann. Das heißt, wir sind in der konkreten Gefahr, in eine wirtschaftliche Rezession wieder hineinzulaufen. Das ist eine Frage von Maß und Ziel.

Ich sage nicht, dass wir nicht sparen sollen. Das ist eine massive Gefahr. Wenn Sie die Wirtschaftszeitungen in den letzten Tagen gelesen haben, wird sie doch auch deutlich beschrieben. Es besteht eine massive Gefahr. Wenn dieser Euro-Raum in diese ganz harte Sparebene hineingeht, dann haben wir ein neues Problem. Dann bekommen wir statt dieser durchaus berechtigten Hoffnung einer Kurve, die sich jetzt wieder nach oben bewegt, die große Gefahr, dass es uns wegkippt und wir mit der Wirtschaft wieder nach unten gehen mit all den Folgen, dass wir noch mehr sparen müssen usw.

Ich rate dazu, dass wir darüber reden, dass wir darüber debattieren. In sehr begrenztem Umfang geht es auch um unseren Haushalt, aber in der Summe aller Haushalt in dieser Europäischen Union ist dies ein massives Thema. Ich möchte nicht, dass irgendwann gesagt wird „Na ja, haben wir ja nicht gewusst“, oder „Darüber ist ja nie geredet worden.“ – Wir müssen uns auch da verantwortlich verhalten.

Wissen Sie, wenn man sagt, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt: Haben wirklich griechische Arbeiter über ihre Verhältnisse gelebt? – Das glaube ich nicht.

(Zurufe von der CDU)

Entschuldigung, hier ist ja über Griechenland geredet worden, als wären die Griechen die zu Verspottenden dieser Welt.

(Starker Beifall der SPD)

Dort haben die Reichen und Reichsten keine Steuer bezahlt – und der Staat hat es zugelassen, das ist die zentrale Krux, meine Damen und Herren –, und nicht der Fischer, der mit ein paar Kilo Fisch heimkommt, hat die Krise angerichtet. Nur, damit wir uns gegenseitig nichts vormachen, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall der SPD)

Wir haben Steuermodelle zugelassen, dass man mit griechischer Flagge in der Welt mit Schiffen herumfährt und mit Flugzeugen herumfliegt, weil das alles so steuergünstig war. Am Ende haben Sie dann dem Rest der Europäischen Union Zahlen verkauft, die mit der Realität des Lebens nichts zu tun hatten. Ich behaupte, auch in Deutschland leben die Menschen nicht über ihre Verhältnisse. Es ist doch schlicht und einfach nicht wahr, dass der Lohn ein Problem ist.

(Zuruf von der CDU)

Ja, das ist schlicht und einfach nicht wahr. Das sagt Ihnen auch jeder Volkswirt, wenn Sie sich es einmal anschauen. Wir haben in den letzten zehn Jahren über 8 % Reallohnverluste. Das ist im Übrigen auch ein Thema, dieses Europa in der Balance zu halten. Ich will es aber nicht vertiefen. Wir tun hier manchmal so, als müssten wir Bauklötzchen aufeinander stapeln, aber es ist ein bisschen anspruchsvoller, was uns abverlangt wird mit unserem bescheidenen Teil und dem Teil, den wir in Berlin mit zu entscheiden haben.

Meine Damen und Herren, deshalb Sparen mit Augenmaß und Sinn – ich glaube, das ist, wenn wir es gründlich überlegen, unsere allergrößte Sorge –, dass wir in der Hinsicht vorgehen, dass Vertrauen in die Demokratie und in die Handlungsfähigkeit der Staaten und der gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten nicht kaputtgeht. Dazu gehört auch, dass wir in Deutschland endlich handeln. Das hätte schon vor Monaten geschehen sein können, dass wir handeln.

Wenn eine Bank wie die HRE – Hypo Real Estate –, die nur noch lebt, weil sie am Tropf der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hängt, mit einem Vorstandsvorsitzenden einen Vertrag abschließt, wonach er dann, wenn er länger als ein Jahr bleibt – er ist nach 18 Monaten ausgeschieden – im Monat 240.000 Euro Rente erhält – nach 18 Monaten, aber nach einem Jahr hätte er die auch schon gehabt –, müssen wir verdammt aufpassen, wenn wir zu den Leuten gehen und sagen „Ihr müsst den Gürtel enger schnallen“, dass uns die Menschen am Ende noch folgen.

Eine andere Bank – ich rede von der Commerzbank –, die auch zu einem Löwenanteil, zumindest mit einem großen Batzen, durch den Staat mitgestützt wird, hat unter Stimmenthaltung der Vertreter des Bundes beschlossen, wie man heute in Zeitungen nachlesen kann – die ganze Zeit habe ich gedacht, es ist schwierig, das herauszubekommen, weil das alles hoch geheim ist, aber heute schreibt die „Stuttgarter Zeitung“ in ihrem Wirtschaftsteil, dass man die Stimmzahlen und Stimmgewichtungen usw. hochgerechnet habe, was zu dem Ergebnis geführt habe, dass sich wohl die Vertreter des Bundes der Stimme enthalten haben –, in dieser schwierigen Zeit einen Vorratsbeschluss zu fassen.

Danach sollen die Vorstandsgehälter, die nach den Regeln des Bankrettungsschirmes auf 500.000 Euro plus dem, was man dazu hat, begrenzt sind, vorsichtshalber durch einen Reservebeschluss auf 750.000 Euro angehoben werden, wenn es wirtschaftlich besser gehe. „Wirtschaftlich besser gehen“ ist so definiert, wenn man für die Bundesanteile, die in der Bank stecken, die Zinsen bezahlen kann. In diesem Fall erhöhen sich die Gehälter um eine Viertelmillion Euro.

Wir müssen über solche Fragen reden. Meinetwegen können die sich goldene Kloschüsseln bauen – das ist mir persönlich so egal wie nur etwas –, aber wenn wir mit den Menschen darüber reden und wenn Kollegen kommen und sagen, auch an der Bildung darf das Sparen nicht vorbeigehen usw., wir aber solche Dinge nicht in den Griff bekommen, ist das schwierig. Wir versuchen das noch nicht einmal in dieser Republik. Die Berliner Koalition ist noch nicht einmal zu einem Versuch in der Lage, weil man sich nicht einigen kann.

(Bracht, CDU: Haben Sie es versucht?)

Ja, wir haben es versucht. Auf den Zuruf habe ich gewartet. Wir haben es versucht, aber das ist in der Großen Koalition immer von Ihrer Seite aus verhindert worden, lieber Herr Kollege. Machen Sie sich da nichts vor.

(Beifall der SPD – Baldauf, CDU: So ein Quatsch!)

Das ist kein Quatsch, sondern das war exakt so.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Nein, nein, wir sind nicht die Engel der Nation, aber ihr hört nicht gerne das, was ihr nicht hören wollt. So sind aber die Realitäten.

Ich sage Ihnen, wenn wir das nicht in den Griff bekommen, werden wir auch nicht zu den Menschen hingehen können und ihnen sagen: Jetzt müsst ihr da und dort verzichten. –

Lieber Herr Baldauf, es gab eine Kollegin und einen Kollegen, die haben mich geradezu angegiftet, ich müsste mich bei der Welt entschuldigen, weil ich gesagt habe, es stünden auch Nacht- und Feiertagszuschläge auf dem Prüfstand. Heute steht noch viel, viel mehr auf dem Prüfstand. Das war damals wahr, und das ist heute wahr. Sie werden sehen, das wird noch das Geringste

sein, was auf den Tisch kommt, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Wenn wir bei den Menschen an diese Zahlungen gehen und wir nebenan Menschen haben, die nach 18 Monaten Arbeitszeit 250.000 Euro Rente im Jahr bekommen, werden die Leute zu Recht sagen: Das machen wir nicht mit. –

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Das will Herr Kollege Eymael nicht hören, aber das ist so.

(Eymael, FDP: Das kann man uns nicht vorwerfen!)

Ich halte es Ihnen vor, weil Sie nichts tun. Ihre Partei und die CDU/CSU verhindern das.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Ja, das ist immer verhindert worden. Weshalb macht ihr es nicht jetzt?

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Ach so, jetzt ist es nicht mehr opportun. Ihr wollt im Bund regieren, habt eine Traumhochzeit gefeiert, aber es ist ein Albtraum geworden, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Was musste ich mir über Jahre hinweg alles anhören?

(Abg. Eymael, FDP, verlässt seinen Platz)

Herr Eymael, laufen Sie nicht fort. Sie wissen, wie das ist, wer rausgeht, kommt auch immer wieder rein. Das war im Parlament schon immer so.

(Unruhe bei der FDP)

Ich habe die Zwischenrufe nicht gemacht.

Ich wollte eigentlich versöhnlich, aber sehr ernsthaft enden.