Ich möchte Papst Benedikt XVI. zitieren. Das stammt nicht von irgendwann, sondern ich zitiere aus einem Newsletter von Radio Vatikan am 23. Mai dieses Jahres. Er hat gesagt: „Die Politik muss den Primat über die Finanzen haben, und Ethik muss alles Handeln bestimmen.“ – Das hat er am Samstag im Vatikan vor dem Kongress einer Stiftung gesagt. Weiter heißt es in dem Bericht: „Eine der größten Gefahren bestehe heute darin, ‚dass der tatsächlichen Abhängigkeit der Menschen und der Völker untereinander keine ethische Wechselbeziehung von Gewissen und Verstand der Beteiligten entspricht’ (...) Dieses Miteinander von Gewissen und Verstand erweise sich bei den Regierungen angesichts
der wiederholten Fälle unverantwortlicher Spekulationen gegenüber schwächeren Ländern als ungenügend ausgeprägt. Sie reagierten gegenüber der Finanzwelt nicht mit der gebotenen Entschlossenheit.“ – Ich meine, wir sollten uns davon alle angesprochen fühlen. Ich meine auch, dass uns diese Gedanken dazu bringen müssen, in der Tat zu handeln. Ich finde, es ist allerhöchste Zeit.
Wir haben hinsichtlich der finanziellen Risiken, die wir alle – die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Europa und in Deutschland – übernommen haben, Dimensionen erreicht, die kaum noch jemand überschauen kann. Niemand kann uns sagen, dass wir den Grund des Sees schon sehen können. Ich hoffe sehr, dass wir am Grund angelangt sind, aber niemand kann uns das wirklich garantieren. Wenn das aber so ist, muss die Frage der ethischen Verantwortung eine Rolle spielen. Ich hoffe, dass sich die Diskussionen, wenn die Aufregungen ein bisschen gedämpfter sind, auch in eine solche Richtung bewegen und daraus Handeln entsteht hinsichtlich des eigenen Verhaltens, aber auch hinsichtlich einer klaren Position, damit diese Art, Währungen und Nationen kaputt zu spekulieren, auf dieser Welt, zumindest aber in Europa, nicht mehr geduldet wird.
Ich begrüße Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder des Katholischen Frauenbundes Worms-Herrnsheim. Herzlich willkommen im Landtag!
Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Ramsauer das Wort. Ihm steht ebenso wie allen anderen Kolleginnen und Kollegen eine Redezeit von elf Minuten zur Verfügung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Baldauf, Sie haben vorhin die rhetorische Frage gestellt, wollen wir den Euro oder wollen wir ihn nicht. – Selbstverständlich wollen wir den Euro.
Selbstverständlich wissen wir, dass die Wirtschaft und die Menschen in unserem Land davon große Vorteile haben. Wenn wir ihn aber sichern wollen, braucht es dazu klare Entscheidungen. Das war unser Problem. Der Ministerpräsident hat es eben dargestellt, solche klaren Entscheidungen werden im Augenblick in Berlin nicht getroffen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Kanzlerin spricht im Augenblick von einer Finanzmarktsteuer. Der Journalist Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ nennt das eine
„Finanzdingsbumssteuer“. Dies deshalb, weil hier ein Etikettenschwindel überdeckt werden soll. Herr Westerwelle kommt nämlich mit einer Finanzaktivitätssteuer, die wesentlich weniger einbringen und wesentlich anders greifen kann und höchstens eine Milliarde Euro im Jahr generieren kann, während wir sagen, wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer, die immerhin im Jahr 26 Milliarden Euro erbringen kann.
Der Herr Ministerpräsident hat eben deutlich gemacht, dass das Geld nicht von den kleinen Sparern, sondern von den Spekulanten kommen soll.
Sie haben gefragt, was die SPD will, und ich habe versprochen, es Ihnen in der zweiten Runde zu sagen. Ich sage Ihnen: Dieser Schutzschirm hat nur dann einen Sinn, wenn wir uns auch an die Ursachen wagen, wenn wir sie bekämpfen. Wir wollen wirksame Regeln gegen Spekulanten und eine Beteiligung der Verursacher an den durch die Krise entstandenen Kosten.
Wir wollen erstens eine Finanztransaktionssteuer, die aber, da dies nicht so schnell zu haben ist, nicht unbedingt global sein muss, sondern die auch, wie das britische Vorbild zeigt, national oder, wie es die Bundesregierung inzwischen erörtert, europäisch implementiert werden könnte. Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer, um kurzfristige Spekulationen einzudämmen.
Wir wollen zweitens die Verflechtung der Ratingagenturen auflösen. Wir wollen diese Ratingagenturen einmal selbst raten. Wer von uns weiß denn, wer überhaupt dahintersteckt?
Wir wollen drittens spekulative Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen verbieten.
Wir wollen fünftens Spekulanten das Handwerk legen und an den Kosten der Krise beteiligen. Das hat in der Diskussion und bei der Vorbereitung des Beschlusses gefehlt. Die Regierung war nicht in der Lage, einen Konsens zu finden, und deshalb konnte sie einen entsprechenden Entschließungsantrag nicht mit unterschreiben.
Was kommt jetzt auf uns zu? Wir haben schon angesprochen, dass am 7. Juni in Meseberg eine Kabinettsklausur stattfinden soll. Alles, was man liest und hört, deutet darauf hin, dass hier wieder die alten Ideen greifen: Die Zeche ist im Endeffekt von den kleinen Leuten zu zahlen, nicht aber von denen, von denen vorhin gesagt worden ist, dass sie nach 18 Monaten – so lange hat früher der Wehrdienst gedauert – eine solche Pension bekommen.
Man hört, dass insbesondere das Arbeitsministerium und Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Hartz IV und Ähnliches im Visier seien. Man hört – auch wenn noch so oft das Gegenteil beteuert wird –, dass anschei
nend die Nacht- und Feiertagszuschläge im Visier sind. Man hört tatsächlich auch, dass über die Mehrwertsteuer diskutiert wird.
Bevor anderes auf dem Tisch liegt und bevor man prüfen kann, wie die Lasten verteilt sind und wie gerecht sie verteilt sind, wird wieder nach dem alten Rezept verfahren, dass nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentner sowie diejenigen, die gern arbeiten würden, die Zeche bezahlen müssen. Dann kann man einer solchen Situation natürlich nichts Gutes abgewinnen.
Man muss darauf schauen, dass die Lasten zwischen denen, die mehr leisten können, und denen, die vom Leben weniger haben, gerecht verteilt werden. Darüber muss sensibel diskutiert werden. Dann kann man unter Umständen auch einen Konsens finden.
Herr Mertin, Sie wissen ganz genau, dass es damals einen 10-Punkte-Plan gab, der nicht zu verwirklichen war. Einen solchen Plan gab es jetzt nicht. Wir bestehen darauf, dass das auf den Tisch muss. Wir wollen darüber diskutieren. Die Situation, die wir jetzt haben, wird an uns allen nicht spurlos vorbeigehen. Sie wird an den Haushalten und auch an den Menschen nicht spurlos vorbeigehen. Genau deshalb muss man wachsam sein, und genau deshalb ist es so misslich, dass wir zurzeit eine Bundesregierung haben, die in dieser für die Menschen in Europa existenziellen Frage nicht handlungsfähig ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Wenn Sie Ihre Rede vier Wochen vor der Wahl gehalten hätten, es also eine Wahlkampfrede gewesen wäre, hätte ich das eine oder andere verstanden.
Aber das, was Sie hier geäußert haben, kann man nicht verstehen. Ich will nur auf einen Punkt eingehen. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: „Ihr macht nichts, ihr seid an allem schuld, ihr schenkt keinen reinen Wein ein, ihr unternehmt nichts gegen die Banker, die diese Gelder haben“, muss ich Ihnen sagen:
Es kann sein, dass Sie die Diskussion in den letzten Wochen und Monaten – auch schon im letzten Jahr – nicht verfolgt haben. Es geht um den Ansatz. Das, was Sie machen, ist rein populistisch. –
Herr Beck, ich frage Sie jetzt einmal: Was machen Sie denn? – Gerade Ihre Landesregierung wollte doch am
Nürburgring 30 Millionen Euro durch Bankgeschäfte erwirtschaften, die ganz woanders getätigt werden und die Sie hier gleichzeitig beklagen. Sie wollten sich doch genau dieser Mittel bedienen. Jeder normale Mensch fragt sich schließlich: Was steckt denn dahinter, wenn ich eine solche Rendite erhalte? –
Zweite Frage – ich begebe mich jetzt auf das gleiche Niveau –: Was haben Sie denn getan, damit Boris Becker für einen Auftritt 50.000 Euro bekommt? – Auch das verstehen die Leute draußen nicht.
Wir könnten mit diesen Punkten noch weitermachen. Sagen Sie jetzt aber nicht, das sei nicht vergleichbar.
Vielleicht ist das besser so; sonst müssten Sie nämlich eingestehen, dass ich recht habe. – Was diese Finanzierungsgeschichte am Nürburgring betrifft: Jeder, der einen etwas konservativen Ansatz hat und sich überlegt, wo diese Rendite herkommt, hätte sich denken müssen, dass das auf diesem Weg nicht zu erwirtschaften ist und dort noch andere Geschäfte eine Rolle spielen müssen. Ich frage Sie: Was machen Sie konkret? –
Bei der Verschuldung ist es das Gleiche. Was haben Sie denn in den letzten Jahren gegen die Verschuldung unternommen? Tatsache ist doch, dass die Steuereinnahmen noch nie so hoch waren wie in den Jahren 2007 und 2008. Was ist denn mit der Konsolidierung?
Jedes Jahr haben wir neue Schulden aufgenommen. In jedem Jahr sind es nicht weniger, sondern mehr Schulden geworden. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.