Ich weiß nicht, ob Sie da richtig nachrechnen, oder wie Sie das handhaben. Ich weiß auch, dass Sie beim Nachtragshaushaushalt, als wir über das Konjunkturpaket II gesprochen haben, wo ein ganz großer Schwerpunkt
auch in der Modernisierung von Schulen und im Ausbau von Kindertagesstätten liegt, sich hier enthalten haben, aber vor Ort stehen Sie auch gern auf jedem Foto, wenn der Spatenstich durchgeführt wird oder wenn die Einweihungen stattfinden. Das ist auch eine große Form von Bigotterie.
Die SPD in Rheinland-Pfalz geht sachlich und sorgfältig mit diesen Problemen um. Wir schaffen hier Lösungen für die Eltern und für die Kinder in Rheinland-Pfalz. Wir gaukeln Ihnen auch nicht etwas vor. Wir versprechen den Menschen nicht das Blaue vom Himmel herunter, wie das beispielsweise in Hessen geschehen ist, wo sie in einem Wahlprogramm sagen, die Stellen- und Mittelausstattung der Schulen wird trotz des Rückgangs der Schülerzahlen durch den demografischen Wandel voll erhalten bleiben.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ich weiß gar nicht, warum ihr schon so im Wahlkampf seid! Was regt ihr euch so auf?)
Ein Jahr später heißt es dann: Wir müssen in den Schulen 45 Millionen Euro sparen. – So geht die CDU mit Menschen um. Wir stehen zu unserem Wort.
Wir wollen mit unserer Bildungspolitik Chancen für jedes Kind eröffnen, bestmögliche Bildung von Anfang an, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Wir sind auf diesem Weg schon ein Riesenstück vorangekommen. Diesen Weg werden wir weiterhin erfolgreich beschreiten.
(Beifall der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: So viel Anmaßung auf einmal habe ich noch nicht erlebt! Muss man sich vorhalten lassen, dass man auf Termine geht, wenn man eingeladen ist?)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man Frau Kollegin Raab hört, gewinnt man den Eindruck, man müsse gar nicht mehr debattieren,
weil all das, was in Rheinland-Pfalz im Bereich der U-3Betreuung geschieht, vorbildhaft und hervorragend sei.
Sie freuen sich darüber. Für mich mutet das etwas merkwürdig an; denn wenn wir Gesetzentwürfe und Anträge einbringen, die ganz klare Alternativen aufzeigen, tun wir das nicht aus dem Bedürfnis heraus, uns selbst darzustellen, sondern weil wir meinen, dass gerade in dem Bereich, über den wir heute diskutieren, etwas massiv verbesserungswürdig ist.
Das motiviert mich dazu, zum Ausdruck zu bringen, dass ich dankbar bin, dass wir das Thema noch einmal diskutieren. Die SPD führt mit ihrer Alleinregierung in diesem Jahr den Rechtsanspruch für zweijährige Kinder auf einen Kindergartenplatz und eine damit verbundene Beitragsfreiheit ein – das nehmen wir zur Kenntnis –, aber ich meine, es ist auch sehr wichtig, noch einmal kritisch hinzuschauen, welche Grundhaltung damit verbunden ist und wie hier Familien und Kindern wirklich geholfen wird.
Im Rahmen des gesamten Pakets „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ ist gerade dieses Angebot, nämlich der Platz in einer geöffneten Kindergartengruppe für Zweijährige, von Anfang an besonders kritisch beleuchtet worden. Ich kann mich noch gut an die gemeinsame Zeit erinnern. Wenn wir mit Erzieherinnen, wenn wir mit Fachleuten diskutiert haben, haben die uns bereits in der zurückliegenden Legislaturperiode darauf hingewiesen, dass das möglicherweise ein Angebot ist, das man mit Vorsicht einführen und besonders intensiv beobachten muss. Dies gerade im Hinblick auf den Betreuungsschlüssel für diesen Bereich.
Uns wurde gesagt, Kinder, die zwei Jahre alt sind, sind entwicklungspsychologisch noch sehr unterschiedlich. Sie sind auch sehr unterschiedlich in der Lage, sich in einer Gruppe von Drei- bis Sechsjährigen zurechtzufinden. Weil – das war die entscheidende und gravierende Kritik – aller Voraussicht nach der vorgesehene Betreuungsschlüssel für diese sehr wichtige und auch sehr intensive Arbeit in altersgemischten Gruppen nicht ausreichen wird, soll man da noch einmal genau hinschauen.
Wenn wir jetzt in der Realität noch einmal genau hinschauen, haben wir nach wie vor eine sehr aktuelle und fundierte Studie, nämlich den Länderreport „Frühkindliche Bildung 2009“, der immer sehr gerne von Frau Kollegin Raab zitiert wird, der aber gerade in diesem Bereich keine guten Zahlen ausweist.
Er zeigt auf, dass die Betreuungsrelation in einer Krippengruppe erheblich günstiger ist im Vergleich zur geöffneten Kindergartengruppe. Er schreibt der Landesregierung in diesem Rahmen auch deutliche Kritik ins Buch. Er sagt, Rheinland-Pfalz weist im Schnitt mit einer
Erzieherin auf 4,6 Kinder im Bereich der Kinderkrippen – null- bis dreijährige Kinder zusammen in einer Gruppe – eine sehr gute Relation auf. Er sagt, für die geöffnete Kindergartengruppe hingegen sei ein Schlüssel von 1 : 8 im Moment aktuell. Dies wird äußerst kritisch bewertet. Kritisch wird in diesem Zusammenhang vor allem gesehen, dass sich in Rheinland-Pfalz jetzt schon sehr deutlich abzeichnet – jetzt, ohne die Beitragsfreiheit –, dass das Land für die Zweijährigen in der Hauptsache auf dieses Betreuungsangebot setzt und andere für die Entwicklung der Kinder weitaus günstigere Angebote dabei vernachlässigt.
Genau diese Plätze sind unter Experten nach wie vor äußerst umstritten. Genau diese Plätze stellen Sie jetzt beitragsfrei. Das ist die Verhandlungsgrundlage, über die wir heute diskutieren. Wer Glück hat, kann jetzt auf einen Krippenplatz ausweichen, weil die Plätze in der geöffneten Gruppe schon gefüllt sind. Eine sozial gerechte, eine chancengerechte Wahlfreiheit gibt es für die Eltern und ihre Kinder bei Ihnen in diesem Bereich nicht.
Wer einen Platz in einer Krippengruppe für sein zweijähriges Kind möchte, muss diesen künftig weiter voll bezahlen. Er bekommt von Ihnen keinen entsprechenden Zuschuss. Wer einen Platz in einer privaten Kindertagesstätte oder Krippe in Anspruch nehmen möchte, muss den Platz in Zukunft weiter voll zahlen, weil Sie den Trägern und den Menschen, die ihre Kinder dorthin bringen, keinen Zuschuss gewähren. Wer einen Platz bei einer Tagespflegeperson oder in einem Kinderstübchen in Anspruch nehmen will, der muss den Platz weiter voll bezahlen. Er bekommt keinen entsprechenden Zuschuss wie die Eltern, die den beitragsfreien Kindergartenplatz in Anspruch nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diese Politik sieht die FDP-Landtagsfraktion äußerst kritisch.
Eltern sollen sich, wenn sie ein geeignetes Betreuungsangebot für ihre kleinen Kinder suchen, frei entscheiden können, welches Angebot am besten auf das Kind, welches Angebot am besten auf die Familie und auch am besten auf die berufliche Situation der Eltern zugeschnitten ist. Eine alleinerziehende Krankenschwester im Schichtdienst hat mit dem kommunalen Kindergartenplatz von 7:00 bis 17:00 Uhr nicht die notwendige Flexibilität. Sie braucht in der Regel eine flexible Tagespflegeperson, die sie einsetzen kann. Bei Ihnen bekommt die nichts.
Eine Familie, die für ihr Kind einen sanften Übergang in der Ablösung aus der Familie und in der Ablösung von der möglicherweise noch betreuenden Mutter sucht und meint, ihr Kind bräuchte dafür auch mehr Ansprechpartner und eine intensivere Zuwendung, sucht in der Regel einen Krippenplatz wegen der Betreuungsrelation. Die bekommt bei Ihnen nichts Entsprechendes.
Die Pendlerfamilie, die täglich 120 Kilometer – 60 Kilometer hin und 60 Kilometer zurück – zum Arbeitsplatz zurücklegt – das ist in Rheinland-Pfalz durchaus keine Seltenheit –, braucht in der Regel erweiterte Öffnungszeiten bei einer Einrichtung. Die bekommt sie in der Regel im ländlichen Raum nur in einer privaten Einrichtung. Die bekommt bei Ihnen nichts, meine Damen und Herren.
Vor diesem Hintergrund kann ich nur noch einmal betonen, mit dem einseitigen Ausbau der Betreuungsinfrastruktur, mit der einseitigen Beitragsfreiheit bestimmen Sie als Landesregierung politisch, wie die Betreuung und Erziehung im Kleinkindalter auszusehen hat. Wir wollen, dass die Familien, die Eltern, das bestimmen.
Deshalb schlagen wir an dieser Stelle noch einmal den Bildungs- und Betreuungsgutschein in diesem Hause vor, den Eltern so einsetzen können sollen, wie sie und ihre Kinder das brauchen. Wir möchten, dass jeder einen gleichen, einen gerechten, einen hochwertigen Zuschuss bekommt, egal welches Betreuungsangebot er in dem Alter für sein Kind auswählt.
Sei es ein Platz in einem kommunalen Kindergarten, einer kommunalen Krippe, einer privaten Einrichtung, bei einer Tagesmutter, einem Kinderstübchen, wir möchten, dass die Eltern diese wichtige Entscheidung – das ist ein äußerst wichtiger Moment für die Familien – treffen können und sie nicht für die Eltern vom Staat getroffen wird, meine Damen und Herren!
Deshalb ist es uns wichtig, dass das einzelne Kind mit einem Gutschein gefördert wird und nicht der eine Betreuungsplatz die Eltern zu einer bestimmten Betreuungsform drängt. Das ist starr, unflexibel und zum Teil auch sehr ungerecht.
Wir wollen, dass Kinder gerechte Chancen und einen gerechten Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Betreuung, Erziehung und Bildung bekommen. Die Beitragsfreiheit für Zweijährige, beschränkt auf einen eher schlecht ausgestatteten Kindergartenplatz, ist keine solch gerechte Chance.
Vor diesem Hintergrund werden wir den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen und uns im Hinblick auf den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion der Stimme enthalten. Hier sehen wir, dass zumindest ein kleines Stückchen mehr Wahlfreiheit realisiert werden kann, wenn man diesen Gesetzentwurf zugrunde legen würde.
(Beifall der FDP – Fuhr, SPD: Das passt zur Debatte von heute Mittag! – Pörksen, SPD: Ihr seid schöne Pharisäer! – Fuhr, SPD: Die mutige Enthaltung!)
Ich begrüße zunächst Besucher im rheinland-pfälzischen Landtag, und zwar Senioren aus Otterstadt. Herzlich willkommen!