Protokoll der Sitzung vom 26.05.2010

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

(Schweitzer, SPD: Die entschuldigt sich jetzt für die Beitragsfreiheit!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich versuche es in aller Ruhe, weil in dieser Debatte so viel Falsches gesagt worden ist, dass man eine Menge richtigstellen muss. Frau Abgeordnete Hayn, ich wundere mich schon. Dies ist auch an Ihre Adresse gerichtet. Wir haben über Dinge im Ausschuss diskutiert. Sie behaupten nach wie vor, dass Ihr Gesetzentwurf Dinge erreichen würde, die er so überhaupt nicht erreicht. Wir haben Ihnen sogar gesagt, wo Sie, wenn Sie das, was Sie erreichen wollen, machen wollen, etwas ändern müssen. Sie haben das alles nicht getan, sondern Sie haben sich wie bei der ersten Debatte an dieses Pult gestellt und behauptet, Ihr Gesetzentwurf würde Wahlfreiheit schaffen.

Aber er macht es nicht, das ist völlig klar, es sei denn, Sie meinen die Wahlfreiheit zwischen einem beitragsfreien Kindergartenplatz und einem nicht beitragsfreien Krippenplatz. Das sei Wahlfreiheit. Nichts anderes erreichen Sie nämlich. Sie gewähren noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Diese Stelle haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf nach wie vor nicht geändert. Ich meine, dass Sie, wenn Sie sich mit diesem wichtigen Thema wirklich ernsthaft auseinandersetzen wollen, wenigstens sagen müssen: Ja, wir haben das gemerkt. Das haben wir nicht hineingeschrieben, aber wir korrigieren es jetzt. – Nein, Sie sprechen hier über denselben Gesetzentwurf und behaupten nach wie vor Dinge, die er überhaupt nicht erfüllt.

(Beifall der SPD)

Sie machen noch etwas. In Ihrer Denke gibt es auf der einen Seite die Landesregierung und auf der anderen Seite das einzelne Elternteil vor Ort. Die Landesregierung kümmert sich um alle Eltern, die sie anschreiben und ihr eine Frage stellen. Aber sie nimmt auch die kommunale Selbstverwaltung ernst. Dazwischen gibt es vor allen Dingen zunächst einmal die Jugendämter und die Träger von Einrichtungen, und die machen einen verdammt guten Job. Deswegen laufen die Eltern nicht

hilflos im Lande Rheinland-Pfalz herum, sondern sie haben Ansprechpartner in den Kindertagesstätten, in den Jugendämtern und, wenn es sein muss, beim Landesjugendamt, im Zweifelsfall sogar im Ministerium. Aber in erster Linie haben sie die Ansprechpartner vor Ort; denn wir nehmen die kommunale Selbstverwaltung ernst.

(Beifall der SPD)

Das haben wir gemacht. Wir haben eine völlig klare Regelung getroffen. Wir haben Folgendes gesagt: Wenn ab August ein Jugendamt den Eltern zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen beitragsfreien Kindergartenplatz einen Platz in einer Krippe anbietet, weil es diesen Rechtsanspruch nur so umsetzen kann und will – eine solche Wahlmöglichkeit hat das Jugendamt –, muss dieser Platz auch beitragsfrei sein. Wir haben – worauf wir stolz sind – nun einmal einen Rechtsanspruch auf einen beitragsfreien Kindergartenplatz, und dem können wir nicht als Alternative einen gebührenpflichtigen Krippenplatz an die Seite stellen.

Ich stelle mir vor, was Sie uns hier vorwerfen würden, wenn wir das täten. Sie würden uns vorwerfen, dass wir unsere Versprechen nicht halten. Wir haben von Anfang an beitragsfreie Kindergartenplätze versprochen, und die gibt es an der Stelle auch. Dabei bleiben wir.

(Beifall der SPD)

Wenn dieser Anspruch aus Sicht des Jugendamts durch einen Krippenplatz erfüllt werden soll, bekommt es von uns den Betrag – so haben wir es gesagt –, den es ansonsten für einen Ganztagsplatz erhielte, aber nur unter der Bedingung, dass es bereit ist, diesen Platz im Sinne der Eltern beitragsfrei zur Verfügung zu stellen.

Frau Hayn, eine kleine Anmerkung: So etwas haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf ebenfalls nicht definiert: ob es um einen Teilzeit- oder einen Ganztagsplatz geht und welche Erstattung vorgesehen ist. Sie haben es bis heute nicht für nötig befunden, in Ihrem Gesetzentwurf entsprechende Korrekturen vorzunehmen.

(Schweitzer, SPD: Was machen die denn für einen Mist?)

Das ist das, was wir gemacht haben. Das haben wir den Kommunen mitgeteilt. Die Jugendämter vor Ort gehen absolut vernünftig damit um. Sie machen eine Bedarfsplanung, bei der das berücksichtigt wird, und selbstverständlich informieren sie die Betroffenen entsprechend. Wir haben also einen klaren, kommunizierten Weg eingeschlagen und versprechen nichts, was wir nicht halten können. Die Versprechen, die wir gegeben haben, werden eingehalten, und das ist für uns an der Stelle sehr wichtig.

Zweiter Punkt. Frau Morsblech weist auf die geöffnete Kindergartengruppe hin, darauf, wie schlecht die Kindergartengruppen ausgestattet seien und wie schlecht die Situation für die Kinder sei. Gut, mit dieser schlechten Situation liegen wir bundesweit auf Platz 1 oder Platz 2.

Man könnte einmal fragen, wie das bei anderen aussieht.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Aber lassen wir das dahingestellt sein, und beschäftigen wir uns lieber mit dem, was wirklich passiert ist.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Frau Morsblech, ich habe sehr genau zugehört, und ich will es auch sehr genau erklären, damit hier nicht immer wieder das Falsche behauptet wird.

(Schweitzer, SPD: Das kommt trotzdem wieder!)

Wir kommen auf unseren Gesetzentwurf „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ zurück. Was hat die Landesregierung gemacht? Die Landesregierung hat erklärt: Wenn wir für die Zweijährigen einen verlässlichen Rechtsanspruch wollen, wird das nicht allein auf den bisherigen Wegen gehen. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt, dass ein nicht unerheblicher Teil über die geöffneten Kindergartengruppen kommt. Das haben wir von Anfang an hineingeschrieben, und auch der Personalschlüssel war von Anfang an klar. All das ist offen kommuniziert worden.

(Frau Morsblech, FDP: Wir haben das von Anfang an kritisiert!)

Der Weg ist gut begründet. Er ist nicht nur entwicklungspsychologisch begründet. Aber es gibt viele Hinweise darauf, dass die Zweijährigen in ihrer Entwicklung der Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen näherstehen als der Krippengruppe.

Dieser Weg ist aber auch ganz offen kommuniziert worden. Wir haben gesagt, dies ist eine der wenigen Chancen, um im Flächenland Rheinland-Pfalz überhaupt Plätze für Zweijährige anbieten zu können; denn um eine Krippengruppe einzurichten, braucht man zehn Kinder. Die kommen in den ländlichen Regionen aber an vielen Stellen nicht zusammen, und dann gäbe es dort überhaupt kein Angebot. Dann hätten wir ein StadtLand-Gefälle, das wir aber nicht wollten. Auch zu diesem Ansatz stehen wir bis heute.

(Beifall der SPD)

Ein dritter Punkt kommt hinzu. Wir haben gesagt, dass uns, wenn wir das nicht machen, in den ländlichen Regionen dieses Landes Gruppen kaputtgehen. Dann müssten wir Gruppen schließen, und Arbeitsplätze gingen verloren. Auch deswegen gehen wir diesen Weg. Auch aus diesem Grund stehen wir bis heute zu diesem Weg.

Wir haben nichts hinter vorgehaltener Hand gemacht. Wir haben nichts verschwiegen. Wir haben von Anfang an gesagt, wie wir es machen wollen und warum wir es so machen wollen. Die Praxis zeigt, dass wir mit diesem Weg richtig gelegen haben.

(Beifall der SPD – Frau Morsblech, FDP: Das ist doch nicht der einzige!)

Dann bringen Sie Ihr Argument vor. Sie vergleichen den Personalschlüssel pro Kind in einer Krippengruppe mit dem Personalschlüssel pro Kind in einer Kindergartengruppe. Das haben Sie gemacht, als Sie sich auf die Bertelsmann Stiftung bezogen haben. Sie selbst sagen doch, dass Kinder unter drei Jahren einen anderen Betreuungsaufwand haben als die über Dreijährigen. Insofern ist es doch völlig logisch, dass der durchschnittliche Personalschlüssel, den man für eine Gruppe von Zwei- bis Sechsjährigen errechnet, unter dem einer Gruppe liegt, in der nur unter Dreijährige betreut werden. Nichts anderes sagt die Bertelsmann Stiftung.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Das ist völlig logisch. Auf das einzelne Kind entfällt deshalb nicht weniger Betreuungszeit, und schon gar nicht lasse ich zu, dass Sie von Leuten sprechen, die das Glück haben, einen Platz in einer vernünftigen Gruppe zu finden, und dem die angeblich schlechte Kindergartengruppe gegenüberstellen. Die Krippengruppen sind bei uns gut ausgestattet, die geöffneten Kindergartengruppen ebenfalls. Für beide bekommen wir bundesweit hervorragende Noten. Andere müssen sich noch lange nach der Decke strecken, bis sie einen solchen Personalschlüssel haben.

(Beifall der SPD)

Man kann sagen: Wir wollen, dass alle Eltern in diesem Land alles, was sie für richtig halten, wählen können. – Das mag der Idealzustand sein. Ich sage Ihnen nur: Abgesehen davon, dass es nicht finanzierbar ist, ist es auch in der Umsetzung völlig unrealistisch. –

(Zurufe von der CDU)

Wir müssen den Betroffenen vor Ort verlässliche Planungsgrößen geben, die möglichst flexibel zu sein haben. Aber es geht nicht, so zu tun, als ob ein Jugendamt in der Lage wäre, auf jeden einzelnen Wunsch zu reagieren. Das werden sie nicht schaffen. Es gehört zur Ehrlichkeit, das zu sagen. Man darf nur ein Versprechen geben, das man auch halten kann. Aber das muss man wirklich machen. Das haben wir beim Kindertagesstättengesetz getan.

Ich sage noch einmal: Wir haben das geschafft wie kein anderes Bundesland. Ich bin froh, dass wir in 67 Tagen in Rheinland-Pfalz einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf einen beitragsfreien Kindergartenplatz haben und wir diese Regelung an dieser Stelle um die notwendige Flexibilität vor Ort erweitert haben. Kein Land ist an dieser Stelle so weit wie wir. Ich glaube, wir können mit dem, was wir erreicht haben, wirklich zufrieden sein.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Dickes von der CDU-Fraktion. Die Redezeit beträgt noch drei Minuten.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst ganz kurz auf die Ausführungen von Frau Raab eingehen, die von Kürzungen bei der Bildung gesprochen hat. Vielleicht hat der eine oder andere – vielleicht auch Sie, Frau Raab – den Artikel von Herrn Schirrmacher in der „FAZ“ gelesen, in dem er auf diese Vorschläge eingegangen ist. Ich fand ihn sehr bedrückend und auch sehr aussagekräftig.

Er hat festgestellt, dass alle heutigen und alle künftigen Rentner sofort aufschreien würden, wenn irgendein Politiker sich trauen würde, das Thema „Rentenkürzungen“ anzusprechen. Sollte es um Kürzungen im Bildungsbereich gehen, schreien sofort alle Bildungspolitiker auf. Er hat einen feinen Unterschied gemacht. Es schreien die Politiker und nicht die Eltern auf.

(Zuruf der Frau Abg. Brede-Hoffmann, SPD)

Er hat die Befürchtung geäußert, dass Bildungspolitik in einer älter werdenden Gesellschaft immer weniger wichtig genommen wird und sie dann möglicherweise nicht mehr wahlkampftauglich sei.

Dabei möchte ich für die CDU-Fraktion ganz klar betonen, dass die Bildungspolitik für uns oberste Priorität hat

(Zuruf der Frau Abg. Schleicher-Rothmund, SPD)

und im Sinne künftiger und älterer Generationen die beste Rentenpolitik ist; denn die künftigen Rentenzahler sitzen in den heutigen Kindergärten.

(Beifall der CDU)

Ich bitte, eines dabei ganz klar zu bedenken. Geld alleine macht keine gute Bildung aus. Deshalb muss alles auf den Prüfstand, was wir im Bereich der Bildung ausgeben. Es muss auf Nachhaltigkeit getestet werden. Genau das ist es, was die zukünftige Ministerpräsidentin immer wieder sagt. Das ist auch wichtig; denn die künftige Ministerpräsidentin hat in diesem Land eine Zukunft, für die sie verantwortlich ist.