Protokoll der Sitzung vom 27.05.2010

Ich war lange Ortsbürgermeister, der Herr Ministerpräsident war Ortsbürgermeister, Sie sind Ortsbürgermeister und viele andere auch.

(Eymael, FDP: Nach dem Motto, es gibt Zuschuss!)

Ein Ausgabenproblem wirft den Kommunen vor, sie würden zu viel Geld ausgeben. Das kann ich nicht sehen. Ich verwahre mich im Namen der Gemeinden vor diesem Vorwurf. Das ist grundfalsch.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, aber mir war klar, dass die Debatte so einseitig geführt wird. Das lädt gerade dazu ein, emotional zu antworten.

(Bracht, CDU: So lange Sie die Kommunen so schlecht ausstatten!)

Ich will dem allerdings nicht nachgeben und versuche einfach einmal, die Fakten und die Zahlen darzulegen.

Warum haben wir die von allen drei Vorrednern zu Recht beschriebene Grundsituation? Das ist erstens so, weil wir einen unglaublichen Rückgang in den Steuereinnahmen haben. Das ist natürlich auch der Weltwirtschaftskrise und der Finanzkrise folgend.

Herr Hörter, ich nehme gerne Ihren Hinweis auf, insbesondere die letzten Jahre zu betrachten. Wenn Sie sich die Steuereinnahmen und die Auswirkungen der Beschlüsse der Bundesregierung, sogenannte Steuererleichterungen, diese Steuersenkungspolitik, vor Augen führen, dann bedeutet das für das Land Rheinland-Pfalz seit 2008 einen Rückgang um 580 Millionen Euro bei den jährlichen Steuereinnahmen.

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Insbesondere bei den Kommunen sind es 220 Millionen Euro jährlich.

(Eymael, FDP: Höchste Steuereinnahmen 2008 aller Zeiten!)

Dann diskutieren Teile Ihrer Bundestagsfraktionen nach wie vor über die Frage, ob man weitere Steuersenkungen verantworten kann. Insbesondere mit Blick auf die Kommunen kann man sie nicht verantworten.

(Beifall der SPD)

Das ist eine falsche Weichenstellung, die die Kommunen in Rheinland-Pfalz und bundesweit hart trifft.

(Eymael, FDP: Aber gelebt wir die Made im Speck!)

Ich komme zu der zweiten Frage. Zu der Wahrheit gehört auch, dass wir unterschiedliche Betroffenheiten haben. In Rheinland-Pfalz sind insbesondere die kreisfreien Städte mit 61,8 % und die Landkreise mit 23,8 % betroffen. Rund 2.400, also die übrigen kommunalen Gebietskörperschaften, haben einen Anteil von 14,4 % zu stemmen.

Warum haben wir diese Verteilung? Herr Hörter, ich schaue wieder Sie an. Sie sind lange Jahre Mitglied im Stadtrat Koblenz gewesen. Der alte Einzelplan 04 sagt Ihnen etwas. Die überdurchschnittliche Belastung durch Sozialausgaben ist doch das große Problem. Wo kommen diese überdurchschnittlichen Belastungen her? Das sind doch fast ausschließlich Bundesvorgaben.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Hörter, CDU)

Da kommen die großen Belastungen für unsere Kommunen her.

Wir haben von 2004 bis 2008 Steigerungen bei den Sozialleistungen von 32 %, durchschnittlich 8 %. Im letzten Jahr von 2008 auf 2009 sind die Sozialleistungen sogar um 9,4 % gestiegen. Ich will noch einmal sagen, der alte Einzelplan 04 bedeutet, das ist außerhalb der großen Städte durch Umlagen von den Verbandsgemeinden auf die Ortsgemeinden mitfinanziert worden.

Eine zweite sehr große Verantwortung des Bundes darf man nicht ausklammern. Herr Hörter, wenn Sie die Bertelsmann Studie ansprechen, dann will ich mich ebenfalls einmal bei Bertelsmann kundig machen und lese den kommunalen Schuldenreport 2008.

(Hörter, CDU: Ich habe die doch gar nicht ange- sprochen!)

Der beschreibt, dass Rheinland-Pfalz nach dem Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen nur auf rund 97 % des Durchschnitts der Flächenländer in der Finanzausstattung kommt. Das bedeutet, wenn man natürlich grundsätzlich weniger in der Ausstattung hat, schlägt das natürlich deutlicher durch.

Herr Hörter, man hätte gerade als Abgeordneter aus Koblenz sagen müssen, dass wir seit Anfang der 90erJahre eine besondere Herausforderung in diesem Land hatten. Ich nenne das Stichwort „Konversion“. Das Land Rheinland-Pfalz hat ohne Bundeshilfe 1,65 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das sind auch Gelder, die irgendwo aufgebracht werden mussten.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Was reden Sie einen Quatsch wieder!)

Was haben wir getan? Frau Kohnle-Gros, an der Stelle hätte ich erwartet, dass der Vertreter der CDU auf eine Maßgabe hingewiesen hätte, auf die wir hier im Hohen Haus gemeinsam stolz sein können.

(Bracht, CDU: Immer nur die Unwahrheit!)

Erstens nenne ich die Einführung der Konnexität mit allen Fraktionen. Alle Fraktionen in diesem Haus haben die Konnexität in diesem Haus eingeführt. Ich habe damals als Abgeordneter gern dafür die Hand gehoben. Konnexität ist etwas, worauf man in Rheinland-Pfalz sehr stolz sein kann. Das bedeutet nämlich, seit 2006 sind keine finanziellen Mehrbelastungen für die Kommunen durch die Landesgesetzgebung entstanden.

(Beifall der SPD)

Da haben Sie alle zugestimmt. Herr Baldauf, ich würde mich sehr freuen, wenn die rheinland-pfälzische CDU auf dem nächsten Bundesparteitag der CDU einen Antrag für Konnexität auf Bundesebene stellt.

(Hörter, CDU: Wer war hier dagegen, als wir hier die Enquete hatten?)

Das wäre ein schöner Weg.

Zweitens würde ich mich sehr freuen, wenn Sie, Herr Auler, in der zweiten Runde voller Stolz darauf verweisen, dass SPD und FDP im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten unglaubliche Anstrengungen in der gemeinsamen Regierungszeit unternommen haben, um den Kommunen Entlastung zukommen zu lassen.

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Als Erstes nenne ich den Beistandspakt und den Stabilisierungsfonds. Das hat eine Verbesserung seit Ende 2007 von rund 688 Millionen Euro für die kommunalen Haushalte bedeutet. Ich glaube, das ist eine Leistung, auf die wir gemeinsam sehr stolz sein können.

Wir haben stabile Finanzausgleichsleistungen dadurch gewähren können, dass wir keine Veränderungen des Verbundsatzes vorgenommen haben. Schauen Sie sich andere Länder an. Die sind teilweise genannt worden. Der Verbundsatz sprang hoch und runter, oftmals nach unten. Wir haben diese stetige Situation beibehalten. Ich glaube, trotz der dramatischen Rückgänge der Einnahmen des Landes und der Kommunen können wir damit eine gewisse Sicherheit geben.

Ich komme zum nächsten Punkt. Auch das will ich ansprechen. Es ist dem Verhandlungsgeschick unserer Landesregierung zu verdanken, dass wir die Erstattungsregelungen zugunsten der rheinland-pfälzischen Aufgabenträger bei Hartz IV deutlich anders gestalten konnten, in dem Fall für Unterkunft und Heizung, als dies bei anderen Bundesländern der Fall ist. 41,2 % im Jahr 2007 und 38,6 % im Jahr 2008, das stellt eine deutlich spürbare Entlastung dar.

Ich will eine große Kraftanstrengung des Landes und der Kommunen nennen. Das betrifft den Vollzug des Bundesgesetzes zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder. Wir haben ein eigenes Sonderprogramm für unser Land „Arbeitsplätze sichern – Unternehmen unterstützen – Nachhaltig investieren“ auf den Weg gebracht. Das sind 820 Millionen Euro. Ich will nicht verheimlichen, dass 469 Millionen Euro Bundesgelder sind. 351 Millionen Euro zur Unterstützung unserer Kommunen haben das Land und die Kommunen aufgebracht.

In diesem Zusammenhang haben wir die Anteile der Kommunen zinsfrei bis 2012 vorfinanziert. Ich habe viele Gespräche mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Landrätinnen und Landräten geführt. Sie sind sehr dankbar dafür und erkennen ausdrücklich an, dass wir als Land Rheinland-Pfalz eine solche kommunalfreundliche Weichenstellung betrieben haben.

(Beifall der SPD)

Ich fordere Sie auf, ähnliche Hilfestellungen für die bundesdeutschen Kommunen auf Bundesebene zu initiieren. Das ist dringend notwendig. Insbesondere fordere ich Sie auf – das gilt für die beiden Berliner Koalitionsparteien –, machen Sie nicht mit bei dem Geschwätz um Steuersenkungen. Das hält das Land, und das halten die Kommunen nicht mehr aus.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hörter.

Herr Staatsekretär, entscheidend ist, bei all den Kraftanstrengungen, die Sie gerade skizziert haben, was hinten herauskommt. Hinten herausgekommen ist, dass es den rheinland-pfälzischen Kommunen deutlich schlechter geht als allen anderen Kommunen in den anderen Bundesländern.

(Beifall der CDU)

Lassen Sie mich aber noch zwei Punkte nennen. Ich sage es einmal bewusst so: Das eine sind kleine Dinge, wie etwa mehr Flexibilität bei der Kreditgestaltung. – Hier blockiert allerdings die Kommunalaufsicht. Sie erlaubt den Kommunen nicht, die Kredite auf dem Weg zu ziehen, der für sie am günstigsten ist. Darüber müsste man in der Tat einmal nachdenken. Sie wissen, dass im Moment kurzfristiges Geld zu sehr, sehr günstigen Bedingungen zu bekommen ist. Es ließe sich dort manches machen, wenn die Kommunen dort mehr Freiheit bekämen.

(Beifall des Abg. Baldauf, CDU)