Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

Es werden von Herrn Professor Sell – das ist der Verdienst dieser Studie vor allen Dingen auch – Wege und konkrete Handlungsfelder aufgezeigt, zum Beispiel die Ausbildungskapazitäten – Frau Morsblech hat es angesprochen – an den Fachschulen.

Da werden wir schon zum kommenden Schuljahr mit der Bildung zusätzlicher Fachklassen und mit der Einrichtung weiterer höherer Berufsfachschulen „Sozialassistenz“ erste weitere Schritte machen können, weil auch die Nachfrage nach diesem Beruf wieder ansteigt, weil es sich herumgesprochen hat, dass es ein Beruf mit guten Perspektiven ist. Deswegen können wir sehr zeitnah in dieser Form darauf reagieren.

Frau Morsblech, wir werden genau den Weg wählen, dass wir auch Angebote in Regionen machen, in denen wir bisher keine Angebote haben, weil wir die Begrenztheit des regionalen Arbeitsmarktes für die Erzieherinnen und Erzieher sehen.

Zum Zweiten geht es darum, neue Wege des Quereinstiegs für interessierte geeignete Bewerberinnen und Bewerber in den Blick zu nehmen. Auch das werden wir tun.

Wir wollen das Potenzial der Teilzeitbeschäftigten besser erschließen; denn es gibt Erzieherinnen und Erzieher, die gern aufstocken würden und diese Möglichkeit nicht bekommen.

Wir wollen Angebote machen für die Rückkehrer in den Beruf der Erzieherinnen und Erzieher nach der Familienphase, weil auch das ein Potenzial ist, das wir ausschöpfen können.

Wir wollen natürlich auch die Träger animieren, Strategien zu entwickeln, dass Erzieherinnen und Erzieher länger im Beruf verbleiben; denn das ist ein großes Problem, dass sie zu schnell wieder aus dem Beruf herausgehen.

(Beifall der SPD)

Das alles machen wir im Dialog mit den Akteuren, das heißt mit den Trägern, mit den großen Trägergruppen, mit den Erzieherinnen und Erziehern, und wir unterstützen das auf vielfältige Art und Weise. Ich glaube, unser Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ ist an dieser Stelle nach wie vor ein Meilenstein, der uns auch bundesweit unterscheidet.

(Beifall der SPD – Frau Ebli, SPD: Absolut!)

Ich sage Ihnen aber auch, was wir nicht machen werden, Frau Dickes.

An dieser Stelle erwarte ich von Ihnen schon einmal eine klare Aussage.

Wir haben Sie in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass es die CDU in der letzten Legislaturperiode war, die die Standards in den Kindertagesstätten absenken wollte. Sie haben immer wieder erklärt: Was interessiert uns die letzte Legislatur? – Seit fünf Tagen müssen Sie erklären, was Sie im Moment wollen; denn Ihre Spitzenkandidatin und Ihr Fraktionsvorsitzender haben eine Presseerklärung herausgegeben, die bis heute nicht widerrufen worden ist. Darin steht ausdrücklich, dass die Standards der Kindertagesstätten im Land auf den Prüfstand gestellt und Einsparmöglichkeiten diskutiert werden müssten.

Ich will von Ihnen wissen, wie Sie sich zu dieser Aussage stellen. Dazu müssen Sie etwas sagen. Dazu sind Sie an dieser Stelle eine Antwort schuldig.

(Beifall der SPD)

Es ist nicht lauter, uns in jeder Plenarsitzung vorzuwerfen, wir müssten bei den Standards etwas tun, obwohl wir bundesweit auf Platz 1 oder 2 stehen, gleichzeitig aber eine solche Presseerklärung herauszugeben. Das hätte ich an dieser Stelle gern aufgeklärt. Wir wollen uns mit Ihnen solide auseinandersetzen, aber dann müssen wir auch wissen, was Sie an dieser Stelle wirklich wollen.

Ich sage Ihnen für die Landesregierung, sollte Ihr Weg zur Deckung des Erzieherinnen- und Erzieherbedarfs sein, die Standards in den Kindertagesstätten abzusen

ken, so wird es diesen Weg mit uns nicht geben. Dagegen werden wir Widerstand leisten.

(Beifall der SPD)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, darf ich Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen. Ich begrüße Mitglieder des SPD-Ortsvereins aus Kallstadt. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Dickes für die CDU-Fraktion.

Frau Ministerin, über die Frage der Standards haben wir schon oft diskutiert. Wir haben unter anderem auch das Beispiel der Standards bei Toiletten für Zweijährige in diesen Räumlichkeiten diskutiert.

(Ministerpräsident Beck: Oh!)

Genau an diesem Punkt hat die künftige Ministerpräsidentin angesetzt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich erlebe es auch als Mitglied im Jugendhilfeausschuss unseres Kreises, wie viel Geld wir im Moment in Räumlichkeiten stecken müssen, um dem Ausbau gerecht zu werden.

(Ministerpräsident Beck: Darum geht es doch nicht im Zusammenhang mit Personal! Die Spitzenkandidatin der CDU befasst sich mit Toiletten!)

Es ist durchaus sinnvoll, in dem einen oder anderen Punkt über Alternativen nachzudenken.

(Zuruf der Abg. Frau Ebli, SPD)

Wer im vergangenen Herbst an der Informationsfahrt des Ausschusses für Bildung und Jugend nach Schweden teilgenommen hat, konnte sich einen hervorragenden Kindergarten anschauen. Dieser Kindergarten war nicht deshalb toll, weil die Raumhöhe unseren deutschen Standards entsprochen hat, sondern weil hervorragend geschultes Personal in ausreichendem Umfang vorhanden war.

Genau darum geht es auch in Rheinland-Pfalz. Es geht darum, dass wir Zeit für die Kinder haben, aber es geht nicht um bauliche Standards. Wir wollen personell gute Standards, und dazu ist eine frühzeitige Personalplanung erforderlich.

Frau Ministerin, ich erkenne es an, wenn Sie die Plätze an den Fachschulen ausweiten und wenn Sie eine Werbekampagne starten, um junge Menschen in die Ausbildung zu bringen. Aber wer in drei Jahren, nämlich im

Jahr 2013, Erzieherinnen braucht, der muss schon fünf Jahre vorher beginnen; denn so lange dauert die Ausbildung. Wir haben seit zwei Jahren auf den Erzieherinnenmangel immer wieder hingewiesen und haben gleichzeitig an den Schulen einen Rückgang von 300 Absolventen zu verzeichnen. Ich habe den Ausreißer und die falsche Zahl in Ihrer Antwort nicht mitgerechnet, sondern nur die validen Zahlen, die Sie uns geliefert haben.

Wenn 300 Absolventen weniger an den Erzieherinnenschulen die Ausbildung beenden, kann man nicht von einem Ausbau sprechen. Aber diesen Ausbau brauchen wir dringend.

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt auch andere Maßnahmen, die in der Studie angesprochen wurden und die man sicherlich nutzen kann. Sie haben zwar frühzeitig auf den Ausbau gedrängt – das ist positiv –, aber die Erzieherinnen dafür fehlen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile noch einmal Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Ich tue etwas sehr Ungewöhnliches, indem ich jetzt erneut an dieses Pult trete. Aber, Frau Dickes, das geht so nicht!

(Beifall bei der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Wir müssen anfangen, seriös miteinander zu diskutieren. Sie haben gesagt, die räumlichen Standards in rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten würden nicht ausreichen. Sie erinnern sich doch noch an diese Situation. Sie haben doch gesagt, die räumlichen Standards müssten verbessert werden, und heute sagen Sie, die Personalstandards seien nicht gemeint gewesen, sondern die Räumlichkeiten. Sie verstricken sich in Widersprüche.

(Beifall der SPD)

Sie müssen an dieser Stelle Farbe bekennen. Ich sage Ihnen für die Landesregierung in aller Eindeutigkeit, wir werden an die Standards nicht herangehen.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Raab von der SPD-Fraktion.

(Pörksen, SPD: Auch Frauen können sich vors eigene Schienbein treten!)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bin froh, dass Sie das heute in dieser Form bekräftigt haben. Es beruhigt uns ungemein, dass wir wissen, dass in Rheinland-Pfalz sowohl die personellen Standards als auch alle anderen Gegebenheiten für die Kinder so bleiben, wie sie sind, und sogar noch weiter ausgebaut werden.

(Beifall der SPD)

Frau Kollegin Dickes, ich möchte auch noch gern ein Wort an Sie richten. Sie haben soeben die baulichen Standards, die Räumlichkeiten genannt. Ich erinnere mich gern an einen Besuch, den ich zusammen mit Frau Kollegin Beilstein im Landkreis Cochem-Zell durchführen durfte und bei dem wir auf Einladung des Verbandsbürgermeisters Kindertagesstätten besichtigt haben, die im Rahmen des Konjunkturpakets II energetisch und baulich saniert worden sind. Wir haben gehört, dass die Erzieherinnen und Erzieher gesagt haben, es ist gut, dass eine energetische Sanierung vorgenommen wurde. Dadurch ist der Lärmschutz verbessert worden, und damit sind Dinge nach vorn gebracht worden, die die Arbeitsbedingungen für die Menschen in den Kindertagesstätten erleichtern. Dies ist ein menschenwürdiges Arbeitsumfeld, für das wir in Rheinland-Pfalz im Verbund mit den Trägerinnen und Trägern der Kindertagesstätten gern sorgen.

Ich bin Frau Kollegin Morsblech dankbar, dass sie das Gutachten als hilfreich empfindet. Es ist eine hilfreiche Grundlage für uns, aufgrund derer wir uns Gedanken machen können. Herr Professor Dr. Sell hat wichtige Erkenntnisse gewonnen zu der Frage, wie wir den Einstieg erleichtern können, wie wir den Verbleib für die Erzieherinnen und Erzieher im Beruf verlängern können und wie wir möglicherweise den Ausstieg aus dem Beruf anders darstellen können. Frau Ministerin Ahnen hat einige Punkte genannt, zum Beispiel die Ausweitung der fachschulischen Kapazitäten.