Protokoll der Sitzung vom 24.06.2010

Deshalb machen wir gar nichts, ist vielleicht rhetorisch zulässig, was Sie da versuchen. Aber das ist schon ein bisschen Banane.

(Fuhr, SPD: Was ist denn Ihr Vorschlag?)

Ich sage Ihnen die Alternativen. Die Alternativen sind Bildung, Motivation, Einhalt des Lohnabstandsgebots.

(Ministerpräsident Beck: Lohnabstandsgebot, was heißt das?)

Lohnnebenkosten, die diesen Menschen das übrig lassen, was sie brauchen. Sie haben selbst vom Steuerbauch gesprochen, den Sie bekämpfen wollen.

(Frau Mohr, SPD: Die zahlen doch gar keine Steuern!)

Ich komme zum Ende meiner Antwort auf Ihre Frage.

Da sind Sie auf dem richtigen Weg. Dann brauchen wir in diesem Land endlich eine Arbeitsmarktpolitik und eine Integrationspolitik in den Bereichen, in denen wir die echten Probleme haben, die sich sehen lassen kann, die wirkungsüberprüft ist und die nicht – – –

(Ministerpräsident Beck: Sie streichen doch gerade die Mittel zusammen!)

Bleiben Sie doch einmal ganz ruhig.

Ihr Staatssekretär hat mir im Ausschuss bestätigt, Sie haben 400 Integrationsprojekte. Ich habe nachgefragt, welche dieser Integrationsprojekte insbesondere unter Ausbildungs- und Arbeitsmarktbedingungen besonders attraktiv sind und welche am anderen Ende der Skala stehen. Da hat mir Herr Habermann gesagt: Das entzieht sich einer Überprüfung, das kann ich Ihnen nicht sagen. – Das ist der Punkt. Sie müssen diese Bereiche endlich einer Evaluation und Wirkungsüberprüfung zuführen und nicht Ihren Kameraden von gewerkschaftsnahen Ausbildungsinstituten Mittel zuschieben in der Hoffnung, dass etwas – – –

(Ministerpräsident Beck: Das ist ungeheuerlich! – Zurufe von der SPD)

Das ist der Punkt.

Das hört man nicht gerne, aber wenn Sie mich fragen, gebe ich Ihnen Antwort.

Um in der gleichen Brillanz wie mein Vorredner zu enden, darf ich festhalten, dass für uns immer noch gilt, Leistung muss sich lohnen, und derjenige, der unter vergleichbaren Bedingungen arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der vom Transfer lebt.

Danke sehr.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Malu Dreyer.

Vielen herzlichen Dank. Auf Herrn Dr. Schmitz gehe ich erst im zweiten Teil meiner Rede ein. Ich muss mich erst innerlich etwas fassen.

(Zurufe von der SPD: Das verstehen wir!)

Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte zu Beginn darauf eingehen, was Frau Thelen gesagt hat.

Frau Thelen, vielleicht noch einmal ganz kurz, Sie haben sich vorhin gewundert, warum Herr Kollege Sippel mit dem Armutsbericht angefangen hat. Das hat ein bisschen etwas damit zu tun, dass Ihre Große Anfrage unter dem Motto steht „Beschäftigung und Erwerbstätigkeit vor dem Hintergrund der Armutsberichterstattung“. Deshalb möchte ich auch gerne mit dem Thema „Armut“ beginnen und darauf eingehen, zumal wir uns zurzeit im Europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung befinden.

Wir sprechen ganz intensiv über Armut. Wir haben einen Armutsbericht vorgelegt. Ich glaube, der Befund ist klar und unumstritten. Er ist auch von Herrn Sippel angesprochen worden. Die Ursachen für Armut sind klar.

Wir haben zu viele arme Kinder. Diese haben arme Eltern. Arme Eltern haben unterschiedliche Probleme. Sie sind vor allem arm, weil sie langzeitarbeitslos, alleinerziehend, kinderreich oder Niedriglöhner sind. Das betrifft Migrantenfamilien stärker als Deutsche.

Eltern – da streiten wir uns, seitdem ich im Amt bin und Sie Abgeordnete sind – sind nicht arm, weil sie in einer anderen Stadt, in einem anderen Bundesland oder in einem anderen Nationalstaat arbeiten. Männer und Frauen können in eine Armutsspirale geraten, wenn sie langzeitarbeitslos werden, weil es eine Beschäftigungslücke gibt. In Rheinland-Pfalz gibt es aber nur eine sehr kleine Beschäftigungslücke. Bekanntermaßen haben wir die drittniedrigste Arbeitslosenquote.

Eine Beschäftigungslücke liegt dann vor, wenn mehr Menschen Arbeit suchen, als Beschäftigung vorhanden ist. Aber natürlich definiert man Beschäftigungslücke nicht so, dass ein Ludwigshafener in Ludwigshafen arbeiten muss, ein Ludwigshafener nicht nach Mannheim gehen darf oder ein Trierer in Trier arbeiten muss, sondern Beschäftigungslücke bedeutet schlicht und ergreifend, dass Menschen, die arbeiten wollen, keine Arbeit finden. Dabei ist es unerheblich, ob ich in die Nachbarstadt fahre oder nicht.

Ich sage noch einmal und ganz intensiv, wir stehen sehr gut da in Rheinland-Pfalz. Sowohl was die Ausbildungsverhältnisse als auch die Arbeitsverhältnisse betrifft, sind wir in einer Situation, dass wir die drittniedrigste Jugendarbeitslosenquote und die drittniedrigste Arbeitslosenquote haben. Wir haben sehr gute Ausbildungsquoten und sind genau an dieser Stelle Vorreiter. Das möchte ich noch einmal betonen.

(Beifall der SPD)

Herr Dr. Schmitz, es ist immer so nett von Ihnen gesagt und nicht nett gemeint. Wir loben nicht ausschließlich uns selbst am laufenden Band, wir behaupten auch nie, dass wir diejenigen sind, die die Arbeitsplätze alle schaffen, aber wir behaupten – das ist auch die Wahrheit –, dass wir ein sehr gutes Verhältnis mit den Unternehmen und Gewerkschaften pflegen und gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen schaffen.

(Beifall der SPD)

Dass wir eine gute Mittelstandspolitik in unserem Land machen, dafür sorgt vor allem mein Kollege. Wir bemühen uns, zum Beispiel im Rahmen der Konversion interessantes Gewerbe, Wissenschaftsbereiche und und und anzusiedeln, um überhaupt die Chance zu eröffnen, dass Arbeitsplätze entstehen. Das ist der Job einer Landesregierung. Da darf man mit Fug und Recht sagen, dass wir das tun. Meiner Meinung nach tun wir das gut.

Das Pendlerverhalten ist für Rheinland-Pfalz typisch. Es hat aus meiner Sicht nichts mit den Beschäftigungsmöglichkeiten oder schlechten Beschäftigungsmöglichkeiten hier zu tun, sondern es hat vor allem mit der zentralen geografischen Lage unseres Landes zu tun, in der Nähe von vielen Ballungszentren, zu denen auch Teile des Landes gehören. Dass ein Teil der Menschen, die in Rheinland-Pfalz leben, in Nachbarländern arbeiten, hat viel damit zu tun, dass wir ein attraktives und kinderfreundliches Wohnland sind und Menschen häufig die Wahl treffen, ich möchte in Rheinland-Pfalz wohnen und arbeite aber trotzdem dort, wo ich früher gearbeitet habe, oder in der Nachbarregion.

(Beifall der SPD)

Das Rhein-Main-Gebiet ist angesprochen worden. Viele Menschen, die eigentlich in Frankfurt arbeiten, kommen und wollen hier in der Region leben und wohnen. Viele Menschen in Trier und der Umgebung wollen da wohnen, weil sie Eigentum bilden können, was sie sich in Luxemburg nicht leisten können. Aber sie arbeiten in Luxemburg. Natürlich arbeiten auch viele in der Region

in Luxemburg, die von Anfang an in Trier oder Umgebung gewohnt haben, und zwar schlicht und ergreifend deshalb, weil es da attraktive Arbeitsverhältnisse gibt.

Aber dafür gehen viele von den Trierern nach Wasserbillig tanken. Wasserbillig gäbe es ehrlich gesagt überhaupt nicht ohne die Nachbarregion. Das können wir für viele andere Bereiche sagen. Das ist jetzt eher scherzhaft gemeint. Aber es gibt viele Dinge, bei denen wir voneinander profitieren.

Ganz bewusst bezieht sich die Wirtschaft- und Beschäftigungspolitik unseres Landes darauf, in den Ballungszentren aktiv zu sein. Ich nenne den Raum Ludwigshafen. Da investieren wir viel gemeinsam, weil wir wollen, dass die Region sich positiv entwickelt. Dementsprechend stehen dann Beschäftigungsverhältnisse zur Verfügung, auch wenn sie über der Landesgrenze sind.

Außerdem sind Wanderungsbewegungen heute ziemlich normal. Es war für mich interessant, mit der Chefin unserer Regionaldirektion darüber zu sprechen. Wir haben beispielsweise auch hohe Wanderungsbewegungen zwischen Städten und Kreisen. Das ist immer ihr Argument für die ARGEn und Jobcenter und gegen die Option, weil sie sagt, es sei ungewöhnlich, wie groß die Wanderungsbewegungen innerhalb des Landes zwischen Stadt und Kreisen ist.

Insofern, Zugang zur Erwerbsarbeit ist ein wesentlicher Schüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe, kann Armut verhindern, aber Zugang zur Erwerbsarbeit setzt nicht voraus, dass die Erwerbsarbeit im Land selbst liegen muss, sondern man muss großräumiger denken.

Wir sollten froh sein, dass wir unsere Armutsquote und das Armutsrisiko im Vergleich zu anderen Ländern noch immer relativ gering halten können, gerade weil unsere Beschäftigungsquote oder die Erwerbstätigkeit insgesamt in Rheinland-Pfalz sehr hoch ist. Umgekehrt ausgedrückt, die Arbeitslosenzahl ist sehr niedrig.

Ich möchte noch zwei Sätze sagen. Wenn man Erwerbstätigkeit mit dem Thema „Armut“ in Zusammenhang stellt, muss man über die Art der Arbeit sprechen.

Natürlich ist eines der großen Probleme, wenn Menschen arm sind, dass sie zwar Beschäftigung haben, aber zu Niedriglöhnen arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können.

Auch in Rheinland-Pfalz haben wir rund 30 % Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Das sind sogenannte Aufstocker. Wir bleiben dabei: Wir, die Landesregierung, sind der Auffassung, dass die Unternehmen den Menschen selbstverständlich anständige Arbeit anbieten müssen. Das bedeutet eben auch, dass sie leistungsgerecht entlohnt werden müssen.

Das ist der Grund, warum wir uns für den Mindestlohn einsetzen. Immerhin gibt es jetzt inzwischen neun Branchen, in denen es Mindestlöhne gibt, aber selbstverständlich reicht uns das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Schmitz, die Ausführungen zu dem Lohnabstandsgebot sollten wir vielleicht irgendwann noch einmal intensiv im Sozialausschuss führen. Es geht nicht darum, dass wir uns um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sorgen, die heute 12, 13 oder 14 Euro pro Stunde verdienen – die sollen das in Zukunft auch verdienen oder noch mehr, sollen Tarifabschlüsse machen und gut verdienen –, es geht uns um die, die heute für 3,50 Euro oder 4,50 Euro arbeiten. Die sind auch diejenigen, die wir im Armutsbericht wiedertreffen, und das sind diejenigen, die wir heute Morgen im Bericht „Hilfen zur Erziehung“ getroffen haben bzw. ihre Kinder.

Es ist einfach eine Gruppe, die inzwischen zu groß geworden ist, die arbeiten geht und zu wenig Geld verdient, egal ob es Leiharbeiter sind oder einfach Niedriglöhner sind. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

Deshalb kämpfen wir seit so vielen Jahren dafür, dass wir tatsächlich endlich einen Mindestlohn erhalten, um jedem hier in unserer Gesellschaft die Möglichkeit zu verschaffen, dass er, wenn er erwerbstätig ist, auch auskömmlich Geld verdienen kann. Ich glaube, dazu haben wir auch eine absolut moralische Verpflichtung.

(Beifall der SPD)

Über die Evaluation unserer Arbeitsmarktprojekte haben wir schon oft gesprochen, darüber können wir auch gern noch einmal sprechen.

Eines möchte ich hier zurückweisen, weil es im Protokoll stehen wird. Wir investieren einiges, um Menschen, die Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben, bei der Wiedereingliederung zu unterstützen, aber man kann es hier nicht stehen lassen und dürfte es eigentlich überhaupt nicht sagen, dass es darum geht, gewerkschaftsnahe Verbände oder Institutionen damit zu fördern.