Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Ich will drei Ziele des Gesetzentwurfes skizzieren: Die Handlungsfähigkeit der Polizei soll verbessert werden. Wir haben eine veränderte und rasante technische Entwicklung. Wir haben eine moderne Informationstechnologie, eine Kommunikation, die sich verändert. All dies war in diesen Gesetzentwurf einzubringen.

Es war zweitens dafür Sorge zu tragen – das hat sehr intensiver Beratung bedurft –, die verfassungsrechtlich garantierte Privatsphäre der Bevölkerung unangetastet zu lassen.

Das Dritte war, dass die gerichtlichen Entscheidungen, die uns in der Zwischenzeit erreicht haben, die seit der letzten Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes ergangen sind – Sie wissen, was ich meine: Bundesverfassungsgericht und Ähnliches mehr – umgesetzt werden müssen. Auch hier will ich exemplarische folgende Veränderungen nennen:

1. Die Online-Durchsuchung. Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das nach Inkrafttreten des BKAGesetzes zum 1. Januar 2009 die Einführung der Rechtsgrundlagen zur so genannten OnlineDurchsuchung – Sie wissen, das ist dann, wenn ich in den Rechner hinein muss, um festzustellen, was die Burschen da machen – vorgenommen hat.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das war die größte Überra- schung des Jahres! Herr Pörksen hat mich immer zur Schnecke gemacht mit dem Thema!)

Sie werden sich an die Sauerland-Gruppe erinnern, die uns dann dazu bewogen hat, tatsächlich dieser Frage näherzutreten, weil da genau das geschehen ist, dass man in einen fremden Rechner durch Wireless hineingegangen ist, also durch entsprechende Funkverbindungen. Von daher gesehen war es notwendig, dort eine Rechtsgrundlage zu schaffen, damit sich auch – wenn Sie so wollen – die Polizei auf Augenhöhe bewegen kann. Ich denke, dass wir bei dieser Online-Durchsu- chung – wie die Piratenpartei das genannt hat: Überwa

chungsstaatliche Sicherheitsideologie; das fand ich schon reichlich weit her geholt – aus rechtsstaatlichen Gründen relativ hohe Hürden in der Gefahrenabwehr gesetzt haben. Wir haben auch die Nachprüfung klar gesetzt. Von daher gesehen ist die Online-Durchsu- chung für uns eine letzte Möglichkeit, die so genannte Ultima Ratio, wenn es denn notwendig ist, dieses Mittel einzusetzen. Eine Massenanwendung dieser OnlineDurchsuchung sehe ich nicht. Selbst das BKA – außer diesem ist lediglich Bayern noch dran –, die einzige Organisation, die bisher eine Online-Durchsuchung als Möglichkeit hatte, hat noch keine durchgeführt.

Die Befugnisse der Polizei gehen nicht über die Befugnisse des BKA hinaus. Auch das will ich dazusagen. Alle neuen Befugnisse, die zur verdeckten Datenerhebung – das ist eigentlich der richtige Begriff – dienen, gehen nicht über das BKA-Gesetz hinaus. Auch unser Gesetzentwurf enthält kein Betretungsrecht für Wohnungen, um eine solche Überwachung durchzuführen. Ich denke auch, dass das soweit in Ordnung ist, zumal wir keinen Hinweis haben, dass wir das unbedingt gebraucht hätten.

Ich will noch einen Hinweis zu dem absoluten Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger – so nennt sich das – geben. Sie wissen, dass wir dort eine breite Diskussion bei jedem POG hatten, Herr Abgeordneter Pörksen.

(Pörksen, SPD: Das weiß ich sehr gut!)

Die Diskussion war sehr breit: Wer ist zum Beispiel Geistlicher? Wie ist dieser Begriff zu fassen?

(Pörksen, SPD: Sehr vernünftig geregelt!)

Ist das jeder, der sich Pfarrer oder was auch immer nennt? Von daher gesehen war das eine weitgehende Diskussion. Wir haben hier einen weitgehenden Schutz geschaffen, weiter gehend als das Bundeskriminalamt, weiter gehend als andere Polizei- und Ordnungsbehördengesetze der Länder. Ich denke, dieser Schutz geht also weiter. Zum Beispiel sind auch Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten geschützt.

Wir haben eine Berichtspflicht eingebaut nicht nur für die Wohnraumüberwachung und bei der Online-Durchsu- chung. Das ist so. Ich denke, dass war vernünftig. Diese Berichtspflicht erstreckt sich darüber, dass wir dem Landtag auch Rechenschaft ablegen müssen.

Was auch öffentlich diskutiert worden ist, war diese Geschichte mit dem Kennzeichenabgleich, oder anders herum, dass, ohne dass ein Anlass besteht, ein Automat aufgestellt wird, der schaut, wo sie mit dem Auto hinfahren, und dann die Kennzeichen abgleicht, ob da nicht jemand ist, der möglicherweise böse Dinge getan hat, tun wird oder was auch immer.

Wir haben den automatischen Kennzeichenabgleich aufgehoben. Selbstverständlich ist es bei bestimmten Gefahrenlagen möglich, eine Kennzeichenüberprüfung vorzunehmen. Daher hat sich im Vergleich zum alten Recht in diesem Bereich nichts geändert, außer dass wir diese Ermächtigung aufgehoben haben.

Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit – dafür bedanke ich mich sehr herzlich – mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz. Fast alle Regelungen mussten mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz besprochen werden. Es musste geprüft werden, ob die Regelungen haltbar sind. Die Regelungen zum Datenschutz sind eingeführt. Es geht um technische und organisatorische Maßnahmen der Datensicherheit. Diese sind bereichsspezifisch geregelt. Der Kernbereich des privaten Lebens und der privaten Lebensgestaltung ist geschützt. Daher haben wir aus meiner Sicht eine vernünftige Regelung gefunden. Wie schon erwähnt, waren dazu lange Diskussionen erforderlich.

Die Sicherheitsbelange sind meiner Meinung nach einerseits mit diesem Gesetz gewahrt und können in der Anwendung von der Polizei vernünftig gehandhabt werden. Für die Polizei ist wichtig, ob sie mit dem Gesetz gut umgehen kann. Andererseits haben wir die Freiheitsrechte gestärkt. Verfassungsschutzrechtliche, datenschutzrechtliche und polizeiliche Belange wurden gegeneinander abgewogen. Ich meine, wir haben ein ausgewogenes Verhältnis gefunden.

Ich freue mich auf die Beratungen und bringe damit das Gesetz ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Lammert das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes kommt zwar spät, aber jetzt ist er endlich da. Herr Minister, noch vor über einem Jahr hatten Sie mir in der Antwort auf eine Kleine Anfrage angekündigt, einen Entwurf noch 2009 vorzulegen. Damals haben Sie mitgeteilt: Die Landesregierung geht davon aus, dass die nötigen Abstimmungen zu den Inhalten des Änderungsgesetzes in überschaubarer Zeit abgeschlossen werden, sodass noch in diesem Jahr – also 2009 – ein entsprechender Gesetzentwurf veröffentlicht werden kann. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, dass man durchaus mit Aussagen der Landesregierung differenziert umgehen muss und nicht immer all das, was schriftlich kommt, richtig ist. Heute haben wir schon öfter über Wahrheit und Klarheit gesprochen.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Kommen Sie mal zur Sache!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Entwurf enthält durchaus einige vernünftige Punkte und ist im Grundsatz zu begrüßen. Ich darf jetzt schon für die CDU-Fraktion ankündigen, dass wir im Innenausschuss eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf beantragen

werden. Sicherlich werden wir über das eine oder andere noch intensiv sprechen.

Der Entwurf setzt an vielen Stellen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den vergangenen Jahren um. So ist beispielsweise die Strafverfolgungsvorsorge nicht mehr Aufgabe der Polizei, und die Vorschriften über die Datenerhebung und über die Rasterfahndung bedurften einer Anpassung. Durch seinen Umfang suggeriert der Gesetzentwurf, dass die Polizei mit zahlreichen neuen Befugnissen ausgestattet wird. Tatsächlich beziehen sich die meisten Änderungen auf Befugnisse, die es bereits heute schon gibt. Vieles wurde lediglich leicht verändert und etwas konkreter gefasst. Ich darf als Beispiel die Vorschriften über die Telekommunikationsüberwachung nennen. Ich meine, echte Neuigkeiten enthält der Entwurf nicht überall. Neuigkeiten sind insbesondere das Kontaktverbot, die Meldeauflage, die Öffentlichkeitswarnung und die OnlineDurchsuchung.

Herr Minister, Sie haben es schon angesprochen, die Online-Durchsuchung könnten wir unseres Erachtens schon längst haben; denn die CDU fordert das schon seit Jahren.

(Beifall der CDU)

So haben wir im Bund, als Wolfgang Schäuble noch Innenminister war, dafür gesorgt, dass sie ins BKAGesetz aufgenommen wurde. Das ist zunächst einmal nicht immer nur einvernehmlich mit der SPD diskutiert worden. In der erwähnten Anfrage habe ich Sie im vergangenen Jahr dazu auch noch einmal aufgefordert.

Wir sind natürlich froh, dass die Online-Durchsuchung jetzt aufgenommen wurde und Sie sich von uns haben überzeugen lassen. Wahrscheinlich haben Sie nun endlich auch eingesehen, dass die Online-Durchsuchung in der modernen Welt ein unverzichtbares Instrument zur Kriminalitätsbekämpfung ist; denn oft reicht die Sicherstellung von Computern und Festplatten nicht aus, um Gefahren abzuwehren und Täter zu überführen. So nutzen insbesondere islamistische Terroristen, aber auch andere extremistische Gruppen das Internet. Auf ihren Rechnern befindet sich umfangreiches Propagandamaterial, Anleitungen zum Bombenbau und vieles mehr. Sie wissen, dass auch Rheinland-Pfalz davon betroffen ist. Sie haben bereits die Kofferbomben und die Sauerlandgruppe erwähnt. Das Instrument der On- line-Durchsuchung kann sehr gut im Bereich der Terrorabwehr eingesetzt werden.

Die Online-Durchsuchung kann sich meiner Meinung nach auch sehr wohl für die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet eignen, um vielleicht den einen oder anderen Täter überführen zu können. Daher freuen wir uns, dass dieses Instrument der Polizei an die Hand gegeben wurde und wir mit den Tätern technisch zumindest gleichgezogen haben.

Auf der anderen Seite – das gehört meiner Meinung auch dazu – werden natürlich auch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt; denn der Entwurf setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um und stellt insbesondere die Hürden für die Anordnung

der Online-Durchsuchung auf. Darum unterstützt die CDU im Übrigen die Online-Durchsuchung vorbehaltlos.

(Pörksen, SPD: Wir hatten immer schon hohe Hürden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, leider geben Sie unserer Polizei nicht überall die Instrumente an die Hand, die sie benötigt. Im Gegenteil – Sie haben das selbst angesprochen –, Sie streichen ohne Not die automatische Kfz-Kennzeichenerfassung aus dem Gesetz.

(Pörksen, SPD: Sonst wird das Gericht sie heraus- streichen!)

Die Begründung der Landesregierung hierzu lautet, dass man die Kennzeichenerfassung nie gebraucht habe. Das ist genauso, als wenn ich in einer Ortsgemeinde die Feuerwehr abschaffen würde, weil es vielleicht ein Jahr lang in der Ortsgemeinde nicht gebrannt hat. Das ist meiner Meinung nach kein Argument. Wir halten dieses Vorgehen ein Stück weit auch für verantwortungslos. Herr Minister, ich frage Sie: Was soll die Polizei tun, was macht der Innenminister, wenn die Kfz-Kennzeichen- erfassung tatsächlich einmal notwendig sein sollte,

(Pörksen, SPD: Dann ist sie möglich! Sie müssen zuhören!)

um eine Gefahr für Leib und Leben oder für überregionale Allgemeingüter abzuwehren? Wieso streichen Sie die Kompetenzen ohne Grund aus dem Gesetz? Die CDUFraktion wird sicherlich bei den weiteren parlamentarischen Beratungen noch thematisieren, dass die Kennzeichenerfassung im Gesetz verbleiben sollte.

Herr Minister, im Übrigen haben sich auch die Gewerkschaften – die GdP und die BPolG – klar dafür ausgesprochen, dass die Kennzeichenerfassung im Gesetz verbleibt; denn sie ist ein sinnvolles Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung. Das gilt insbesondere auch für Rheinland-Pfalz, durch das immerhin mehrere Transitautobahnen führen und das zugleich an drei ausländische Staaten grenzt. Der Verbleib im Gesetz ist auch möglich. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht – Herr Pörksen, jetzt kommt es – die Regelungen in Hessen und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt. Das lag aber insbesondere daran, dass die dortigen Regelungen zu unbestimmt waren. Es hat aber ausdrücklich in seiner Entscheidung klargestellt, dass eine verfassungskonforme Regelung möglich ist, und hat als Beispiel hierfür die Grundlage im brandenburgischen Gesetz genannt.

(Pörksen, SPD: Ich kenne das Urteil!)

Da ist das seltsamerweise möglich. Daher wäre es meiner Meinung nach sinnvoll und wünschenswert, wenn wir dies miteinander im Innenausschuss beraten. Außer Frage steht, dass wir bestimmte Gefahrenschwellen einbauen müssen. Auch selbstverständlich ist es, dass es um den Datenschutz geht und Datenbanken nicht jahrelang aufbewahrt werden dürfen, sondern vielleicht sofort wieder zu löschen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus gibt es sicherlich noch einige weitere Punkte, die man ein Stück weit hinterfragen kann. So stellt sich beispielsweise die Frage, weshalb für die Telekommunikationsüberwachung nach § 31 Abs. 1 im POG nicht die Gefahr für hochwertige Rechtsgüter ausreichend ist, sondern eine gegenwärtige Gefahr vorhanden sein muss. Interessanterweise benötigen wir keine gegenwärtige Gefahr bei Regelungen zu Videoaufzeichnungen und Online-Durchsuchungen. Da ist ein Widerspruch vorhanden.

Auch in der Telekommunikationsüberwachung nach § 31 Abs. 3 bedarf es keiner gegenwärtigen Gefahr, sondern da reicht die Gefahr für hochwertige Rechtsgüter völlig aus. Das wäre beispielsweise die Überwachung der Internettelefonie. Da ist Ihre Begründung auch sehr dünn. Darüber sollten wir sicherlich im Innenausschuss intensiv reden. Das könnte eventuell auch zu verfassungsrechtlichen Fragen führen.

Eine weitere Geschichte, die sicherlich von Interesse ist, ist die Diskussion bei der Meldeauflage. Dies ist sicherlich ein sinnvolles Instrument, beispielsweise im Hinblick auf Gewalt bei Fußballspielen usw., um dieser Herr zu werden. So müssen sich potenzielle Gewalttäter zu bestimmten Zeiten auf der Polizeidienststelle melden. Dadurch kann verhindert werden, dass sich diese zum Zeitpunkt der Meldung auf dem Fußballplatz aufhalten. Die Meldeauflage kann durch die Polizei bis zu einem Monat verhängt werden. Danach muss aber eine Verlängerung durch einen Richter angeordnet werden.

(Pörksen, SPD: Sehr vernünftig!)

Das ist völlig in Ordnung. Wenn man aber vielleicht einen Hooligan für eine komplette Saison über Meldeauflagen von Fußballspielen abhalten will, müsste der Richter jeden Monat erneut entscheiden. Die Verlängerung ist also immer nur für einen Monat möglich. Da könnte man meines Erachtens darüber nachdenken, ob nicht auch ein längerer Zeitraum gewählt werden könnte und man von vornherein die Möglichkeit eröffnet, einen längeren Zeitraum anzuordnen.

(Pörksen, SPD: Das ist ein Eingriff, Herr Kollege!)

Ein weiterer Punkt, der bereits aufgefallen ist, ist die Diskussion, dass über zahlreiche Polizeimaßnahmen künftig das Oberverwaltungsgericht in Koblenz entscheiden soll.

Im Grunde genommen muss man sich fragen, warum das jetzt erfolgt. In der Vergangenheit waren es oftmals die unteren und ordentlichen Gerichte, also insbesondere die Amtsgerichte. Wir halten die durchaus für kompetent. Jedenfalls haben sich diese Zuständigkeiten in der Vergangenheit bewährt. Mir sind keine gravierenden Missstände bekannt. Aber vielleicht können wir das in der entsprechenden Anhörung klären. Ich denke, es ist schon auffallend, dass das jetzt so heruntergeregelt wird. Denn dann muss man auch beim Oberverwaltungsgericht einen Notdienst einrichten. Ob das personell so möglich ist, wird man sich fragen müssen. Denn wenn es brennt, dann brennt es wirklich, und dann brau