Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung mit dem ersten Thema:

AKTUELLE STUNDE

„Entschuldungsfonds für Kommunen“ auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 15/4922 –

Wir haben in der ersten Runde fünf Minuten je Fraktion und in der zweiten zwei Minuten Grundredezeit je Fraktion.

Herr Kollege Mertin von der FDP-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dieses Thema als Aktuelle Stunde beantragt, weil wir, nachdem die CDU ihre Bemühungen und etwas früher die Landesregierung schon angekündigt haben, hier etwas tun zu wollen, den Eindruck gewonnen haben, dass insbesondere in der Öffentlichkeit und an der Basis der Eindruck entstanden ist, als ob mit den Vorschlägen, die gegeben sind, die Probleme endgültig gelöst seien.

(Pörksen, SPD: Wer hat das denn gemacht?)

Es entstand der Eindruck. Ich erhöre das aus Gesprächen, Herr Pörksen. Lassen Sie mich doch zu Ende führen, Sie werden schon sehen, dass ich das auch sehr differenziert darstellen werde.

(Pörksen, SPD: Das glaube ich Ihnen sogar!)

Haben Sie gar keine Sorge, ich werde das hier sehr sachlich darstellen.

(Pörksen, SPD: Habe ich nicht!)

Aber man muss eben, wenn ein falscher Eindruck entsteht, als ob damit alles gelöst wäre, dem entgegenwirken, damit auch die Menschen hier im Lande wissen,

worüber wir eigentlich beim Entschuldungsfonds sprechen.

(Beifall der SPD – Hartloff, SPD: Haben wir aber auch nicht erweckt!)

Auch mir und der FDP-Fraktion ist bewusst, dass die Lage der Kommunen prekär ist. Deshalb haben wir keine Einwände, wenn versucht wird, hier zu helfen; überhaupt nicht. Da sind wir sehr d´accord.

Nur wenn man sich mit der Struktur der Schulden beschäftigt und entsprechende wissenschaftliche Begutachtungen zur Hand nimmt, so wissen wir doch auch, dass mit diesem Entschuldungsfonds ein Problem nicht gelöst wird und deshalb auch zukünftig als Gefahr weiterhin bestehen bleibt, neue Verschuldungen der Kommunen herbeizuführen. Die Landesregierung hat in ihrem Papier darauf hingewiesen, gar keine Frage. Es ist nämlich der Sozialbereich, der insbesondere die kreisfreien Städte und die Landkreise hochgradig belastet. Daran wird mit dem Entschuldungsfonds nichts geändert.

Das heißt, hier muss anderswo auch noch etwas getan werden. Wir müssen uns alle bemühen, auf Bundesebene zu erreichen, dass es hier zu Verbesserungen kommt.

(Beifall der FDP)

Aber das darf nicht unter den Tisch fallen. Ich habe auch nicht geleugnet, dass die Landesregierung darauf hingewiesen hat, nur angekommen ist es draußen nicht. Angekommen ist, die Probleme sind alle gelöst, es ist alles bestens. Das ist es nicht, weil dieser Bereich eben von der Landesregierung und von uns hier im Landtag gar nicht gelöst werden kann.

In der Wahrnehmung ist aber auch nicht angekommen, dass die Kommunen selbst und damit auch die Menschen vor Ort

(Eymael, FDP: Jetzt kommt es!)

in ganz gehöriger Art und Weise mit herangezogen werden. Das muss man doch sehen.

(Beifall der FDP)

Das wird so sein; denn wenn der Landkreis sein Drittel, das er zu erbringen hat, erbringen will und muss, muss er die Kreisumlage erhöhen. Das wird eine Verbandsgemeinde unter Umständen auch tun. Also müssen die Ortsgemeinden das bezahlen.

(Beifall der FDP)

Die Ortsgemeinde wird es unter Umständen nicht mehr aus dem leisten können, was sie normalerweise hat, wenn sie ihre Aufgaben noch erfüllen will.

(Auler, FDP: Genauso ist es!)

Dann wird es dazu kommen, dass eine Ortsgemeinde, die bisher keine Schulden hatte, die sogar darauf ver

zichtet hat, bestimmte Dinge für ihre Bürger zu machen, weil sie sich hätte verschulden müssen, plötzlich über die Kreis- und Verbandsgemeindeumlage mit herangezogen wird.

Das wird natürlich kommunale Verantwortungsträger, die bisher sparsam gewirtschaftet haben, nachdenklich stimmen. Sie werden sich sagen: Wir waren bisher immer sehr sparsam, und nun müssen wir für die anderen, die die Schulden gemacht haben, mitbezahlen.

(Beifall der FDP)

Dies ist eine Vorbildfunktion, die an der Stelle zu Problemen führen kann.

Herr Innenminister, mir fällt auf Anhieb auch nicht ein, wie man dieses Problem lösen könnte, damit dieser falsche Eindruck nicht entsteht. Es ist nicht einfach. Wir wollten aber als Fraktion nicht den Eindruck entstehen lassen, als sei mit dem vorhandenen Entschuldungsfonds die Lage schön bequem geregelt. Manche glauben nämlich, das Land würde alle Schulden übernehmen, und damit sei das Problem gelöst. Teilweise ist dieser Eindruck entstanden, aber so ist es nicht.

Dem Innenminister zuckt schon das Herz, wenn er hört, das Land würde alle Schulden übernehmen.

(Licht, CDU: Herzklopfen!)

Das können wir gar nicht, und es ist auch gar nicht unsere Aufgabe.

Deswegen muss die Debatte ordentlich und sauber geführt werden, und es muss sehr deutlich werden, dass zum einen auf Bundesebene nachgearbeitet werden muss, sonst haben wir in bestimmten Bereichen unserer kommunalen Landschaft das strukturelle Problem auch weiterhin, und dass zum anderen offen und ehrlich kommuniziert werden muss, dass das Land ein Drittel übernimmt und die Solidargemeinschaft der Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich das andere Drittel und die Kommunen selbst das nächste Drittel zu erbringen haben.

Deswegen muss jeder wissen, dass die Kommunen gegebenenfalls die Grundsteuer und die Gewerbesteuer anheben müssen, wenn sie das erreichen wollen. Das muss offen und ehrlich ausgesprochen werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dieses Ziel sei auf eine sehr saloppe und sehr leichte Art und Weise zu erreichen. Die Kommunen, die sich an dem Entschuldungsfonds beteiligen wollen, werden sich hart darum bemühen müssen, ihren Anteil zu erbringen. Das Problem ist noch lange nicht gelöst, und ich möchte einmal sehen, wie viele Kommunen sich beteiligen und sich dieser Anstrengung überhaupt unterwerfen wollen.

(Beifall der FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Noss.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Mertin, Sie haben recht: Dies wird ein sehr schmerzhaftes Unterfangen werden. Die Kommunen werden alle Möglichkeiten, die sie haben, um Einnahmen zu erzielen, ausschöpfen müssen, und das tut weh. Das tut in vielen Bereichen sehr weh, aber ich glaube, dies ist auch von Anfang an so kommuniziert worden.

Wir alle wissen, dass die Kommunen seit Jahren negative Finanzierungssalden schreiben, die in erster Linie im ehemaligen Verwaltungshaushalt, also im konsumtiven Bereich, aufgetreten sind, wo Kassenkredite – wie sie früher einmal hießen; jetzt heißen sie Kredite zur Liquiditätssicherung –, die an und für sich dafür gedacht sind, auseinanderfallende Zahlungsströme – beispielsweise Lohnzahlungen vor Steuereinzahlungen – auszugleichen, mittlerweile fest eingeplante Finanzierungsmittel sind. Dies führte dazu, dass diese fest eingeplanten Mittel dann nicht mehr zurückgeführt wurden, weil sie in den Kommunen gebraucht wurden, um konsumtive Aufgaben bezahlen zu können. Die hierdurch entstandenen Finanzierungsdefizite haben sich mittlerweile auf rund 5,2 Milliarden Euro kumuliert.

Wir haben als Stichtag für den Entschuldungsfonds den 31. Dezember 2009 festgelegt. Damals waren es 4,6 Milliarden Euro, und es ist vorgesehen, den Kommunen die Möglichkeit einzuräumen, zwei Drittel ihrer Kassenkredite oder Kredite zur Liquiditätssicherung abzulösen. Zwei Drittel sind rund 3,1 Milliarden Euro, die auf 3,9 Milliarden hochgezinst sind und die vom 1. Januar 2012 an bis zum 31. Dezember 2026 entsprechend getilgt werden sollen. Die Kommunen können an dem Entschuldungsfonds teilnehmen, sie müssen es aber nicht. Die meisten Kommunen – so ist mein Eindruck – sind aber bereit, sich an dem Fonds zu beteiligen. Ich gehe aber auch davon aus, dass die eine oder andere Kommune vor dem zurückschrecken wird, was auf sie zukommt, kalte Füße bekommen wird und sich nicht an dem Entschuldungsfonds beteiligen wird. Aber die Frage ist: Welche Alternative hat sie?

Das, was die Landesregierung mit dem Entschuldungsfonds aufgelegt hat, ist ein äußerst ambitioniertes Unterfangen. Wir bieten den Kommunen die Möglichkeit, sich von zwei Dritteln ihrer Belastungen zu befreien, wobei ein Drittel Vorwegentnahme aus dem kommunalen Finanzausgleich, ein Drittel originäre Landesmittel und ein Drittel Beteiligung der Kommunen vorgesehen ist. Dies sind per anno etwa 265 Millionen Euro, die als Annuität gebraucht werden, wovon ein Drittel die Kommunen selbst aufbringen müssen.

Es ist zu sagen, dass dabei viele Kommunen bis an die Grenze dessen gehen müssen, was sie leisten können. Es wird alles auf den Prüfstand zu stellen sein, und es darf keine Vorbehalte bei irgendwelchen Dingen geben. Wir werden auch beispielsweise im Bereich der Grundsteuer oder der Gewerbesteuer den landesüblichen Satz nehmen müssen. Wir haben beispielsweise im Bereich der Grundsteuer einen um etwa 40 Punkte günstigeren Satz als im übrigen Bundesgebiet. Ob sich dies die Kommunen in Rheinland-Pfalz leisten können,

wenn man berücksichtigt, wie wir finanziell dastehen, muss natürlich hinterfragt werden. Aber Sie haben auch recht, es ist eine Momentaufnahme. Der Entschuldungsfonds wirkt im Moment entlastend. Wichtig ist aber auch – dies ist ein großes Unterfangen, das die Kommunalaufsicht leisten muss –, dass die Konsolidierungsmaßnahmen, die die Gemeinden ergreifen, nicht nur bis zum 31. Dezember 2026 wirken, sondern noch weit darüber hinaus. Ein gewisser Effekt tritt schon jetzt ein, da die Kommunen von einem Teil ihrer Zinslasten befreit sind. Dies allein aber wird natürlich nicht ausreichen.

Ich sage noch einmal, es wird in den Kommunen große Probleme bereiten, die Räte davon zu überzeugen. Aber ich bin sicher, wir müssen uns dieser Aufgabe stellen. Es gibt keine Alternative für die Kommunen, als sich am Entschuldungsfonds zu beteiligen und damit zu versuchen, ihre finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen.

Im Übrigen wird mit jeder Gemeinde ein individueller Konsolidierungsvertrag abgeschlossen, in dem das Land als Kommunalaufsicht ganz explizit auf die Probleme vor Ort in der jeweiligen Gemeinde eingeht. Wenn man so stringent versucht, die Finanzen zu heilen, kann man natürlich nicht alle über einen Kamm scheren. Stattdessen muss man schauen, wie die Besonderheiten sind und welche Probleme es im besonderen Umfang gibt. Des Weiteren kann es nicht sein, dass wir die Umlage der Kreise und der Verbandsgemeinden ins Uferlose steigen lassen. Spätestens bei 100 % bekommen wir Probleme. Das heißt, es muss eine Grenze gesetzt werden, und dies wird auch von allen anderen so gesehen.

Ich meine, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen diese Maßnahme auch im Kontext vieler Maßnahmen sehen, die das Land ergriffen hat. Als Stichworte nenne ich die Kommunal- und Verwaltungsreform, wir ändern den Finanzausgleich, und wir haben das Konnexitätsprinzip in Rheinland-Pfalz eingeführt. Ich glaube, dies sind Dinge, die den Kommunen helfen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Ich gebe Ihnen vollkommen recht: Ohne adäquate Erstattung der Soziallasten durch den Bund werden wir die Probleme nicht in den Griff bekommen. Das Land tut das ihm Mögliche hierzu.