Wenn das so ist, dann muss man mit dem Bund auch vernünftig über die Frage reden können, was – diese Sozialleistungsgesetze sind Bundesgesetze – der Bund
bereit ist, an kommunalen Anteilen in Zukunft an den Steueraufkommen – ich will jetzt gar nicht über eine einzelne Steuerart reden; das muss man aushandeln – den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Dass in diese Diskussion jetzt auch Bestand oder Nichtbestand der Gewerbesteuer hineingeraten ist, macht das Ganze nicht weniger kompliziert. Ich kann nur davor warnen, diese zentrale eigene Einnahmequelle der Kommunen zu zerstören.
Aber wie auch immer: Es wird nie möglich sein, dass diese riesigen Kostenvolumina, die über diese Sozialkosten auf die Kommunen aufgrund bundespolitischen Auftrags zugekommen sind, über das Land ausgeglichen werden. So funktioniert der Finanzausgleich insgesamt zwischen allen Ebenen nicht. Deshalb helfen wir mit den vielen Schritten, die ich genannt habe. Man könnte noch hinzufügen: Die Kommunal- und Verwaltungsreform wird nicht kurzfristig, aber längerfristig wirken. Aber ich will das jetzt gar nicht zu sehr einbinden, weil das nicht morgen, nicht übermorgen und nicht in drei Jahren voll wirken wird, aber schon auf Dauer helfen wird.
Mit den fünf Schritten, die wir auf den Weg gebracht haben oder jetzt auf den Weg bringen, werden wir mehr als ein Optimum dessen geleistet haben, was dieses Land zugunsten der kommunalen Ebenen zu leisten vermag. Wenn die Kommunen nicht in kürzester Zeit trotz unserer Hilfe wieder in der alten Verschuldungsgrößenordnung sein sollen, muss der Bund sich parallel dazu bewegen. Wenn dazu Unterstützung käme, wäre ich sehr dankbar. Das hat nichts mit Polemik oder mit Aufgabenverschiebung zu tun, sondern mit einer nüchternen Analyse und mit einem nüchternen Betrachten des Zustandes, der Notwendigkeit und der Chancen.
Das ist die Agenda insgesamt, wie sie die Landesregierung und die sie tragende Fraktion Ihnen vorschlagen. Wir sind zu jedem Gespräch bereit. Aber herumzuflunkern, wer war der Schnellere, wer hat dies oder jenes getan, wer redet den Kommunen mehr nach dem Mund, das wird nichts helfen, meine Damen und Herren.
Deshalb werden wir einen nüchternen Weg gehen. Wir machen Ihnen diese Vorschläge, und ich bitte Sie um Unterstützung. Der Haushalt 2011 wird ein erster Lackmustest sein, ob wir den Weg miteinander gehen. Wir schauen es uns an und bieten diese kommunale Entschuldung an. Ich sage noch einmal: Wer meint, weil im kommenden Jahr Wahl ist, man könnte uns in irgendeine Ecke manövrieren, irrt. Wenn wir nicht zu verantwortbaren Bedingungen zusammenkommen, dann warten wir und machen nächstes Jahr nach der Wahl einen neuen Anlauf, wenn die Vernunft dann wieder ein bisschen breitere Straßen vorfindet.
Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Kollege Baldauf. Wir haben für jede Fraktion noch sieben Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir müssen gerade auf das, was Sie, Herr Ministerpräsident, ausgeführt haben, noch einmal zwei, drei Takte sagen.
Erstens: Sie haben Ihr Konzept zur Diskussionsgrundlage gelobt. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, wenn Sie das diskutieren wollen, warum Sie jetzt schon sagen, dass Sie am 22. September, ohne bisher zu wissen, was die kommunalen Spitzenverbände überhaupt dazu sagen, schon einen Abschluss machen wollen.
Zweitens: Ich nehme Ihnen das jetzt auch nicht übel, denn Sie können nicht alles wissen, Sie waren bei den Gesprächen nicht dabei.
Sie können lachen, ich kann es Ihnen belegen. Haben Sie einmal durchgerechnet, was bei Ihrem Modell auf die kommunalen Haushalte zukommt und was bei unserem Modell auf die kommunalen Haushalte zukommt? Haben Sie bei dem Entschuldungsfonds auch einmal durchgerechnet – ich wiederhole das noch einmal, es geht um die Kassenkredite und die Niedrigzinsphase –, was wir einsparen, wenn wir es schnell machen? Dann kämen Sie relativ schnell zu der Lösung, dass eines nicht geht. Hier bin ich dem Staatssekretär Lewentz dankbar, dass er das zumindest schon relativiert hat. Er hat nämlich Ihr Modell gar nicht als das allsagende hingestellt im letzten Gespräch. Hier steht drin: Der Entschuldungsfonds beginnt am 1. Januar 2012. – Herr Ministerpräsident, es wurde glücklicherweise vom Staatssekretär relativiert, indem er gesagt hat, es gehe auch schneller.
Ich kann Sie nur auffordern – nicht nur bitten –, schnellstmöglich etwas für die Kommunen zu tun. Meine sehr geehrten Damen und Herren, denn wir stellen in unseren kommunalen Parlamenten die Haushalte auf, die völlig defizitär sind. Es gibt Kommunen, die nicht einmal mehr die Möglichkeit haben, 5 % an freiwilligen Ausgaben in ihrem kompletten Haushalt zu leisten.
2 % höre ich. Herr Ministerpräsident, wenn Sie die kommunale Selbstverwaltung ernst nehmen, dann müssen Sie auch schnell handeln. Sie haben zu dem Vorschlag, den Verbundsatz zu erhöhen, heute nichts gesagt. Ich kann Sie nur dringend auffordern, eine Finanzierung für die Kommunen darzustellen, die ihnen auch noch Luft zum Atmen gibt. Wenn Sie allein überlegen, was in den letzten Jahren an zusätzlichen Kosten im
Kindergartenbereich entstanden ist, die wir natürlich an der ein oder anderen Stelle durch Qualitätsverbesserungen und andere Dinge mitgetragen haben, die aber nicht gleichzeitig kommunal ausfinanziert wurden, weil das Land die Konnexität gerade nicht beachtet hat, dann kann ich heute nur an Sie appellieren und Sie auffordern:
Wenn Sie diese Konnexität ernst meinen, dann nehmen Sie sie auch so ernst und machen uns im Haushalt einen Vorschlag – darauf bin ich sehr gespannt –, wie Sie die einzelnen Positionen, die vom Land und vom Bund verursacht wurden, den Kommunen ausfinanzieren wollen. Wenn Sie das hinbekommen, dann ziehe ich den Hut vor Ihnen. Ich habe nur das Gefühl, ich brauche gar keinen Hut aufzuziehen.
Herr Abgeordneter Baldauf, wir reden immer über den einen Punkt – so habe ich Sie verstanden –, über die 100 Millionen Euro, die immer angefragt werden. Wenn Sie diese 100 Millionen Euro und gleichzeitig Ihr Modell nehmen, dann haben Sie eine Belastung von 260 Millionen Euro dazu. 260 Millionen Euro sind der MatheisVorschlag für die Schlüsselzuweisungen.
Für alle. Wenn Sie das nehmen, bekommen Sie das nicht mehr zusammen. Das ist eine ganz einfache Rechnung.
Das ist so. Glauben Sie mir, ich habe es nicht allein gerechnet, sondern da rechnen Leute, die wahrscheinlich besser rechnen können als ich. Von daher gesehen, denke ich, die Rechnung, die das Finanzministerium und das Innenministerium aufgelegt haben, ist richtig. Deswegen ist Ihr Vorschlag schlichtweg nicht durchzuführen. Das ist einfach so.
„Auswirkungen der von der Bundesregierung geplanten Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke und des angekündigten Energiekonzepts auf Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/4939 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem Thema könnte man sagen, dass wir gar keine Atomkraftwerke in Rheinland-Pfalz haben. Hat das überhaupt Auswirkungen auf uns? Darauf muss ich die Antwort geben, dass es erhebliche negative Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz hat.
Zunächst möchte ich Ihnen eine der Überschriften der Zeitungen von den letzten Tagen zeigen. Das ist die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern.
Darin steht als Überschrift zu dem Thema „Größte anzunehmende Unzufriedenheit“ und in der Unterzeile, dass auch CSU- und FDP-Politiker die längere Laufzeit kritisieren.
In Bayern – in Baden-Württemberg soll es auch der Fall sein – soll man sehr vehement dafür eingetreten sein, dass längere Laufzeiten kommen.
Erneuerbare Energien sollen bis zum Jahr 2050 einen anderen Rang bekommen. Wir wollen Klimaschutzziele erreichen, und zwar bis 2050 80 % Minimierung der Treibhausgase. Das sind hehre, gute und sinnvolle Ziele. In dieses Paket ist die Verlängerung der AKWLaufzeiten eingepackt, nämlich um acht bis 14 Jahre je nach den Strommengen, die produziert werden. Das gilt für Philippsburg, Biblis und andere ältere Modelle. Es ist noch offen, was an Sicherheit nachgerüstet wird und was die Länderaufsicht machen muss. Darauf werde ich zurückkommen.
Das Ganze soll mit der Zahlung einer Kernbrennstoffsteuer kombiniert werden, bei der noch offen ist, für welche Längen und in welcher Höhe. Die Experten streiten auch darüber, wie hoch die Mehrgewinne insbesondere der vier Großkonzerne sind, die Kernkraftwerke in Deutschland (insgesamt 17) betreiben.
Daneben – das ist heute der Presse zu entnehmen – gibt es wohl einen Vertrag zwischen der Bundesregierung und den Stromkonzernen, der bislang noch nicht bekannt ist, aber bekannt sein sollte, damit man weiß, was die Konzerne mit der Bundesregierung vereinbart und wie sie diesen Benefit der Laufzeitverlängerung erkauft haben.
Die Bundesregierung argumentiert damit, dass sie einen Kompromiss zwischen den sie tragenden Parteien hin
bekommen hat. Herr Mertin hat in einem anderen Zusammenhang gestern etwas über die Notwendigkeit von Kompromissen und Kompromissfindungen ausgeführt. Das darf aber nicht die alleinige Notwendigkeit der Politikgestaltung sein.
Dieser Kompromiss, der ein Weg in die Sackgasse für Rheinland-Pfalz und für die Bundesrepublik ist, kostet die Kommunen, die Stadtwerke haben, viel Geld. Er nimmt Entwicklungschancen. Er ist auch nicht notwendig, um das angegebene Ziel des Klimaschutzes zu erreichen. Selbst in den Gutachten, die der Bund zugrunde gelegt hat – das hat z. B. Herr Vorholz in der Zeitung „DIE ZEIT“ dargelegt –, ist in den endgültigen Ergebnissen ein marginaler Unterschied festzustellen, egal ob man noch eine Laufzeit von vier Jahren oder 28 Jahren hätte.
Was spricht dagegen? Es spricht dagegen, dass der historische Kompromiss über die Abschaltung der Kernkraftwerke aufgekündigt wird und ein Konflikt, der die Bevölkerung tief spaltet – das sollten wir nicht verharmlosen –, auch in Rheinland-Pfalz wieder neu auflebt. Ich will nur erwähnen, dass der Kreis Trier-Saarburg schon immer eine Ausweitung der Schutzzone zu Cattenom von 25 auf 50 Kilometer beantragt hat. Auch dort gibt es Sicherheitsbedürfnisse.
Ich will die Frage ansprechen, was mit den anderen Entwicklungen passiert, die notwendig wären. Nach dem eigenen Gutachten der Bundesregierung ist es notwendig, dass in die Sanierung des Gebäudebestandes – das ist der wichtigste Baustein, um die Ziele überhaupt zu erreichen – nachhaltig investiert wird, um den Heizverbrauch zu vermindern. Genau diese Fördermittel wurden aber gestrichen. Das ist keine konsistente Politik. Das ist nicht sinnvoll.
Daneben bedeutet die Laufzeitverlängerung auch, dass man die Chance, die in diesem Land besteht, dass man regionale Wertschöpfungskreisläufe hat, Firmen wie juwi sich entwickeln können und Wertschöpfung vor Ort passiert, nachhaltig beschädigt. Herr Willenbacher von der Firma juwi und viele andere Fachleute sagen, dass man diesen Zielkonflikt zulasten eines schlechten Kompromisses nach hinten schiebt.