Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

die Verlässlichkeit herstellen und vor allem auch die Regelenergie zur Verfügung stellen. Das war bisher das Konzept gewesen. Im Übrigen gibt es auch ein solches Energiekonzept.

Das wird jetzt aufgehoben. Wenn Sie den Geschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, Herrn Reck, der im Übrigen ein CDU-Mitglied ist, hören, dann bekommen Sie deutlich gesagt, dass diese mittlerweile 6,5 Milliarden Euro investiert haben. Ein großer Teil der Investition ist jung und nicht abgeschrieben.

Diese sind nicht konkurrenzfähig zu abgeschriebenen Atomanlagen und werden große Probleme haben, was die Wirtschaftlichkeit in den nächsten Jahren und die geplanten Investitionen von 4.000 Megawatt und noch einmal 6 Milliarden Euro betrifft, überhaupt noch zu bauen, jedenfalls nicht, solange diese Laufzeitverlängerung existiert.

Wir haben durch die Presse erfahren, in welcher Atmosphäre der Gipfel im Kanzleramt stattgefunden hat, dass da vier große Konzerne quasi im Stand-by – das muss man sich vorstellen – zugegen waren und Frau Merkel nicht verkündet, wir reden jetzt in Zukunft auch mit den kommunalen Unternehmen:

(Pörksen, SPD: Stand-by war die Regierung!)

Unglaublich dieser Umgang mit Partnern, die man dringend bräuchte. Das sind genau diejenigen, die in den letzten Jahren durch Ihre Investitionen überhaupt erst Wettbewerb hergestellt haben. Dieses sanfte und noch kleine Pflänzchen des Wettbewerbs in Deutschland ist gerade von diesen Unternehmen hergestellt worden. Sie werden jetzt die Zeche bezahlen. Für sie gibt es im Markt große Probleme.

(Beifall der SPD)

Was den Druck der erneuerbaren Energien betrifft, auch dazu ein kleiner Hinweis: In diesem Konzept der neun

Punkte lese ich, dass eine Riesenerwartung geweckt wird, was die Offshore-Windanlagen betrifft. Jetzt versuchen Sie einmal zu überlegen, was sich in den letzten zehn Jahren getan hat. Vier große Konzerne haben sich an Nord- und Ostsee die Claims für Offshore-Wind- anlagen abgesteckt, und das in den letzten Jahren.

(Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Das sind aber genau diejenigen, die wegen der abgeschriebenen Atomkraftwerke die Letzten sind, die sich in Deutschland selbst Konkurrenz mit erneuerbaren Energien machen, die sie aus der Grundlast verdrängen würden.

Man kann doch nicht so naiv eine Energiepolitik formulieren, die auf Goodwill von Konzernen setzt, die aus Eigeninteresse gar kein Interesse daran haben dürfen, sich Konkurrenz zu machen. Deswegen hat RWE auch nicht in Deutschland investiert, sondern ist, wenn es um Offshore ging, nach Großbritannien gegangen. Dabei ist dies ein ganz zentraler Baustein für den Ausbau der erneuerbaren Energien, naiv, kann ich nur sagen.

(Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Dann gibt es noch die systembedingte Inkompatibilität.

(Licht, CDU: Schwieriges Wort!)

Die ist schon angesprochen worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird diesen Druck auf die erneuerbaren Energien geben, auch wegen zunehmend negativer Strompreise, weil zu viel Energie im Netz ist, wobei die negativen Strompreise dann der Atomenergie und nicht den erneuerbaren Energien zuzurechnen sind.

Wenn Sie das Konzept genau lesen, dann können Sie feststellen, dass das der Beginn vom Abschied vom Vorrang für die Einspeisung der erneuerbaren Energien ist.

(Licht, CDU: Umstieg!)

Es gibt hier ein bemerkenswertes Kapitel. Dort werden ganz neue Konzepte vorgestellt, die man doch untersuchen sollte, um die erneuerbaren Energien stärker im Markt zu verankern. Dagegen hat man nichts, aber man muss sie immer in Verbindung mit Atomenergie sehen, die sie aus der Grundlast in die Höchstlast verschieben will. Dafür gibt es dann Prämiensysteme.

Jemand, der die Energiepolitik kennt, der weiß, welche Gedanken dahinterstehen. Das sind spanische Konzepte gewesen. Die Quote war ein FDP-Modell, Anleihe Großbritannien, gewesen, das Sie einmal favorisiert haben. Ich prognostiziere Ihnen, dass Sie diese Debatte in absehbarer Zeit führen werden und führen werden müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Es gibt ganz viele Gründe, weswegen wir dagegen sind.

Davon sind auch rheinland-pfälzische Unternehmen betroffen, und einige sind genannt worden. Wir haben Erzeuger, und wir haben Projektentwickler für erneuerbare Energien. Wir haben aber auch ein ganz breites

Branchenspektrum, das sich nicht nur auf den Weltmärkten für Energieeffizienz und erneuerbare Energien bewegt, sondern auch eine große Zulieferindustrie. Davon sind bei uns ganze Branchen, vom Metallanlagenbau über die Elektro- und Elektronikbranche bis hin zur Chemieindustrie, betroffen, die natürlich diese Bremsen besonders spüren werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat – dies könnte nun das Positive zum Schluss sein – in der Bevölkerung letztendlich keine Mehrheit für dieses Energiekonzept. Das wissen wir. Sie hat die Mehrheit aber auch nicht politisch und auch nicht im Bundesrat. Deswegen versucht sie nun mit dem Trick, dass es angeblich nur um eine moderate Laufzeitverlängerung gehe, die Zustimmung des Bundesrates zu umgehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Kabinett hat dies in der letzten Woche noch einmal bestätigt. Wir haben, gestützt auf ein Gutachten deutlich gemacht, dass wir es der Bundesregierung nicht durchgehen lassen, wenn sie, wie sie angekündigt hat, nicht die Zustimmung des Bundesrates einholt. Das wird so nicht gehen. Wir werden und müssen in diesem Fall das Bundesverfassungsgericht anrufen. Sie können heute auch die Aussage des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, nachlesen: Ohne Bundesrat läuft nichts. – Wir werden breit unterstützt, was die entsprechenden Gutachten betrifft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden dies nicht nur tun, weil es ein Verfassungsbruch ist, sondern wir wissen auch, dass wir mit anderen eine Verantwortung für eine andere Energiezukunft übernehmen, die wahrlich Zukunft bedeutet. Es geht um eine Richtungsentscheidung: entweder mit erneuerbaren Energien und mit Effizienz in die Zukunft oder mit einer Politik mit Risikotechnologie in die 90er-Jahre zurück, also zurück in die Vergangenheit. – Wir haben uns, auch im Interesse der Arbeitsplätze, der Verbraucher und Verbraucherinnen und des Industriestandortes Deutschland, ganz klar für den ersten Weg entschieden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Langner das Wort. Jede Fraktion hat noch vier Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Weiner, lieber Herr Mertin, ich fand es fast schon ein bisschen peinlich, wie Sie heute Morgen versucht haben, Ihren Kotau vor den Energiekonzernen zu verbrämen und zu verschönen, und wie Sie versucht haben, alles irgendwie in ein gutes Licht zu rücken.

Herr Mertin, wenn Sie davon sprechen, dass wir eine Verlässlichkeit in die Energiepolitik brauchen, muss man

doch einmal fragen, wer diese Verlässlichkeit seit Jahren infrage stellt. – Es hat eine Einigung zwischen Rot-Grün und den Energiekonzernen in dieser Frage gegeben. Man hat sich darauf einstellen können, dass die Atomkraftwerke eine begrenzte Laufzeit haben.

(Zurufe von der CDU: Ohne Bundesrat, ohne Bundesrat!)

Dazu komme ich gleich noch.

Es waren Ihre Parteien, die immer wieder deutlich gemacht haben, dass sie das rückgängig machen werden. Man muss ganz klar sagen, dies ist keine Verlässlichkeit in der Energiepolitik, weil man sich eben nicht darauf verlassen kann, was irgendwann einmal entschieden worden ist.

Ich möchte einen zweiten Punkt nennen. Welche Bundesregierung war es denn, die im Bereich der erneuerbaren Energien zugesagte Förderungen nun plötzlich im Handstreichverfahren gekürzt hat? – Auch in diesem Fall war wiederum die Verlässlichkeit nicht gegeben, und man musste sich plötzlich neu auf Dinge einstellen. Das waren doch auch Ihre beiden Fraktionen, Ihre beiden Parteien.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, insofern muss doch auch ein bisschen Redlichkeit an dieser Stelle in diese Debatte einziehen.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Keller, CDU: Das sagt der Richtige!)

Herr Kollege Weiner, ich habe darüber gestaunt, als Sie gesagt haben, die CDU in Rheinland-Pfalz habe den Kollegen Röttgen in Berlin unterstützt. Ich habe dieser Tage noch einmal nachgeschaut: Ich habe in den letzten Tagen von Ihnen keine Aussagen zum sogenannten Atomkompromiss gefunden, und ich habe auch in den letzten Monaten keine Äußerung aus der rheinlandpfälzischen CDU gehört, die den Kurs von Herrn Röttgen unterstützt hätte. – Im Gegenteil, es gab einen CDUBundestagsabgeordneten aus dem Norden von Rheinland-Pfalz, den ich recht gut kenne, weil er aus meinem Wahlkreis stammt, der einer der Wortführer war, wenn es darum ging, die Atomlaufzeiten besonders stark zu verlängern. Das ist auch Ihre Stimme, die Sie in Rheinland-Pfalz äußern. Ich habe von anderen prominenten Vertretern Ihrer Partei nichts zu dieser Sache gehört. Sie haben in dieser Frage die Interessen von RheinlandPfalz schmählich vernachlässigt. Das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Weiner, CDU – Licht, CDU: Das war jetzt billig und falsch! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das sollen andere beurteilen, Herr Licht.

Ich möchte etwas zur bezahlbaren Energie sagen. Das Argument, das wir immer hören, lautet, es sei alles bezahlbar. Wenn Sie nun hören, dass Frau Kempfert sagt,

die Energiekosten würden teurer, können Sie meinetwegen noch sagen, die Expertin hat keine Ahnung, und Sie können sie einfach ignorieren.

Aber in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 8. September sagt der RWE-Vizechef Rolf Martin Schmitz auf die Frage, ob nun die Strompreise sinken sollen: So einfach ist es nicht. – Er sagt weiter, dass die Laufzeitverlängerung zwar dämpfend auf den Strompreis wirkt, aber dass dennoch der Strompreis in den kommenden Jahren tendenziell steigen wird. – Das ist doch die Wahrheit! Sie versuchen, den Menschen permanent etwas vorzumachen.

(Beifall der SPD)

Bitte erklären Sie mir noch einmal, wie wettbewerbsgerechte Preise entstehen sollen, wenn vier große Konzerne den Markt beherrschen. Sie haben doch mit Ihrer Entscheidung verhindert, dass kleinräumig Konkurrenz entstehen kann und die Verbraucher eine größere Auswahl zwischen einzelnen Anbietern haben. Das ist doch auch Ihr „Verdienst“ an dieser Stelle.

(Beifall der SPD – Glocke des Präsidenten)

Ich möchte noch einen letzten Aspekt sagen. Herr Kollege Röttgen hat angekündigt, es sei notwendig, dass die Atomkraftwerke terrorsicher gebaut werden müssten. Nichts ist davon übrig geblieben.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie spielen mit Leib, Leben und Gesundheit der Menschen in diesem Land.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)