Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Wie viele sind es denn? – Sagen Sie es doch, wenn es angeblich die Unwahrheit ist. Was steht in Ihrem Stellenplan drin? Was haben Sie im Internet?

(Beifall der SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe meine Haushaltsrede unter das Motto gestellt „Aufbruch in eine Zeit nach der Wirtschaftskrise“.

(Baldauf, CDU: Nach Kurt Beck!)

Die Wirtschaftskrise ist sicherlich noch nicht in vollem Umfang überwunden. Wir haben in Deutschland sehr

gute Anzeichen dafür und das insbesondere in Rheinland-Pfalz. Aber wir haben noch einen Weg zurückzulegen, und wir leiden auch noch unter den Folgen der Wirtschaftskrise.

Herr Baldauf, wenn Sie vorhin suggeriert haben, als ob das keinen Einfluss auf den Landeshaushalt, auf die Landeshaushalte insgesamt und auf den Bundeshaushalt hätte, so blind kann selbst die CDU im Land Rheinland-Pfalz nicht sein.

(Beifall der SPD – Pörksen, SPD: Sehr wahr! – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Es ist ein Ein-Jahres-Haushalt – Herr Finanzminister Kühl hat gestern darauf hingewiesen –, weil im Frühjahr Wahlen sind und der dann legitimierte neu gewählte Landtag über die weitere Haushaltssituation beraten soll. Deshalb ein Ein-Jahres-Haushalt. Ich halte das für sinnvoll und notwendig.

In welcher Gesamtsituation beraten wir diesen Haushalt? – Herr Finanzminister Kühl ist gestern bei der Einbringung zu Recht auf diese Frage eingegangen, weil auch ein Landeshaushalt – ich habe es gesagt – im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Situation zu sehen ist und diesen Rahmenbedingungen unterliegt.

Wir befinden uns in einem Prozess der langsamen Über- windung der schwersten Wirtschaftskrise, die Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg in der Folge des Zusammenbruchs der Finanzmärkte Ende 2008 getroffen hat. In ihrer Folge sind die Wirtschaftsleistung und die Steuereinnahmen des Staates drastisch eingebrochen. Die Zeichen der Erholung sind deutlich. Aber wir sind noch lange nicht wieder auf dem Niveau von 2008, was die Einnahmensituation anbelangt. 2013/2014 vielleicht. Wir haben im November eine Steuerschätzung. Wir werden dies natürlich vonseiten der SPD in die Beratungen einfließen lassen und schauen, ob vor der Verabschiedung ein Nachsteuerungsbedarf für den jetzt vorgelegten Haushalt gegeben ist, ob Weiteres möglich ist oder nicht.

Rheinland-Pfalz ist in diesem Erholungsprozess erfolgreich. Nach einer Meldung des Statistischen Landesamts vom 24. September 2010 hatten wir in Rheinland-Pfalz im ersten Halbjahr 2010 ein reales Wirtschaftswachstum von 4,5 % – Bruttoinlandsprodukt – gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Durchschnitt der westlichen Länder war die Steigerung deutlich geringer und lag bei nur 3,3 %. Das hat sehr wesentlich damit zu tun, dass Rheinland-Pfalz sehr stark exportorientiert und die entsprechende Wirtschaft angesprungen ist, weil auch weltweit wieder die Läger gefüllt werden. Herr Finanzminister Kühl hat gestern darauf hingewiesen.

Aber das ist auch ein Erfolg der Wirtschaftspolitik unseres Landes und der Landesregierung. Es ist ein Erfolg, weil die schnelle und effektive Umsetzung des Konjunkturprogramms II entscheidenden Anteil daran hatte, dass die Krise in Deutschland schnell überwunden werden konnte. Das waren richtige Entscheidungen der Großen Koalition, die dort getroffen worden sind. In RheinlandPfalz haben wir da noch etwas draufgesetzt und bei

spielsweise Kommunen finanziell entlastet, indem wir Zinsen übernommen und so Sorge dafür getragen haben, dass die Umsetzung bei den Kommunen ganz schnell erfolgen konnte.

Schauen Sie sich in den anderen Bundesländern um. Das ist in Rheinland-Pfalz besser, und das ist Regierungshandeln, das praktisch, vernünftig und zukunftsweisend ist.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Die Krise hat seit 2008 zu massiven und lang anhaltenden Einbrüchen bei den Steuereinnahmen geführt. Für Rheinland-Pfalz bedeutet das – das muss man in Zahlen sagen –, die Steuereinnahmen werden im Jahr 2011 noch um 730 Millionen Euro unter den Einnahmen liegen, die 2008 erreicht wurden. Im Haushaltsjahr 2011 werden wir 7,5 % weniger Steuern einnehmen als Jahre zuvor, nämlich 2008.

Um Ihnen das Volumen ein wenig deutlich zu machen: Man müsste zum Beispiel etwa 9.000 Lehrerinnen und Lehrer einsparen, um das zu kompensieren. – Nur dass Sie das Volumen vor Augen haben. Wenn Sie das in Personenzahlen sehen, glaube ich, ist das viel mehr zu greifen, als wenn Sie die abstrakte Zahl dazu hören.

Ein Großteil dieser wirtschaftlich bedingten Mindereinnahmen ist nicht nur konjunkturell bedingt, sondern auf bundesrechtlich bedingte Steuersenkungen zurückzuführen, nämlich hiervon 670 Millionen Euro in 2011 und danach etwa 580 Millionen Euro weniger an Einnahmen für das Land pro Jahr. Das entspricht im Übrigen etwa den Ausgaben des Landes, die wir für die gesamte Polizei haben. Auch, dass Sie einmal einen solchen Vergleich haben, um welche Summen und um welche Blöcke es geht.

Bisher sind unter den Steuererleichterungen auch sinnvolle Maßnahmen, manches, was zudem unvermeidlich war – ich erinnere an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale –, aber es sind eben auch die Regelungen des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes der neuen Bundesregierung, die teilweise ökonomisch unsinnig waren, weil sie zu spät gegriffen haben, nicht zeitlich begrenzt waren und dann noch Steuergeschenke sind, wie die Steuererleichterungen für Hoteliers und reiche Erben, die sicherlich nicht von Vorteil für das Land und die Finanzen der Bevölkerung sind.

(Beifall der SPD)

Im Übrigen haben die Kommunen im Land RheinlandPfalz hierdurch einen Verlust von etwa 60 Millionen per Jahr, was die Kommunen auch über alle Parteigrenzen hinweg beklagt haben, wie auch die Vorsitzende des Städtetages, Frau Roth, die bekanntlich Ihrer Partei angehört, diese Regelungen enorm kritisiert hat, Herr Baldauf.

Es bleiben uns diese Mindereinnahmen erhalten. Wenn wir hier nicht nachhaltig Veränderungen erreichen können, ist der Gestaltungsspielraum für Landespolitik über

die Maßen eingeschränkt, und es wird sehr schwer werden, wie man die Regelungen einer Schuldenbremse dann tatsächlich einhalten kann.

Hinzu kommt – auch darauf hatte Herr Finanzminister Kühl bei seiner Einbringungsrede hingewiesen –, dass die jetzigen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, soweit sie von Einnahmenbedeutung sind, also steuerliche Regelungen beinhalten, jeweils so vorbereitet sind, dass die Einnahmen zu 100 % dem Bund zufließen, nicht aber den Ländern und den Kommunen. Das wird die Finanzsituation der Länder und der Kommunen insgesamt verschärfen und nicht entlasten. Insoweit ist es eine falsche Politik der Bundesregierung, unter der wir leiden.

(Beifall der SPD)

Wir beraten einen Haushaltsentwurf, der diese Rahmenbedingungen natürlich nicht verleugnen kann. Die Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte ist auf allen Ebenen gegeben. Die Krise hinterlässt tiefe Spuren, aber das lässt sich auch nicht kurzfristig durch simples Sparen ausgleichen, wie Sie das suggerieren, Herr Baldauf. Das wäre unverantwortlich.

Um Ihnen dann auch noch einmal Kernbotschaften dieses Haushalts in Erinnerung zu rufen: Was ist Ziel? – Die Konsolidierung der Ausgaben ist trotz dieser Krisenspuren eingeleitet. Das heißt natürlich auch Sparen.

Die Zukunftsinvestitionen, vor allem bei der Bildung, werden konsequent fortgeführt. Das Land ist gut gerüstet für die Herausforderungen der Zukunft. Da hat der „Trierische Volksfreund“ mit seiner Schlagzeile vom 25. August 2010 vollkommen recht: Land spart 160 Millionen Euro, aber nicht an der Bildung. –

Die Gesamtausgaben des Landes sinken um 163 Millionen Euro. Bereits vor der Krise hatten wir ohne Pensionsfonds Ausgabensteigerungen, die unter der Inflationsrate lagen, also reale Ausgabenrückgänge.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Das nur ein Stück zur Erinnerung.

Wer weiß, dass man große Kostenblöcke hat, wie Personalausgaben und anderes, der möge nicht leichtfertig darüber schwadronieren, dass hier nicht gespart worden wäre.

Ich könnte Ihnen die Rückführungen zeigen und Briefe, die ich auch hier dabei habe, zitieren – vielleicht sollte ich einmal einen herausziehen –, in denen steht, dass auch die Sorge besteht, dass manche Aufgaben nicht mehr hinreichend in diesem Land erledigt werden können.

Mir liegt gerade vom Verband der Ingenieure der Wasserwirtschaft ein Brief vor, dass sie eigentlich mehr Personal brauchen, damit die Aufgaben erledigt werden können, und das Sparen in der Vergangenheit durchaus kritisch zu sehen ist.

Das könnte ich Ihnen für viele Bereiche, aus denen Sie auch solche Briefe vorliegen haben, ob von der Polizei, ob im Bereich der Lehrerinnen und Lehrer, ob bei dem ganz normalen Verwaltungsvollzug, zeigen, dass es da schon knirscht, weil wir viele Aufgaben haben und die – da haben wir sicherlich Zumutungen auch an das Personal des Landes – immer effektiver durchführen müssen.

Diese Schritte sind in der Vergangenheit gemacht worden, sehr wohl Jahr für Jahr. Stellen Sie dies nicht in Abrede. Wir können dies im Einzelnen belegen. Wir werden diesen Weg weiter fortsetzen.

(Beifall der SPD)

Die Sparanstrengungen sind in diesem Haushalt völlig nachvollziehbar dargelegt: Ausgabensenkungen in den Ressorts von 70 Millionen Euro, Minderung der Mittel der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung 1 Million Euro – die Bundesregierung gibt hier im Übrigen 2010 7,6 Millionen Euro mehr aus als in 2009; das sind insgesamt 56,6 Millionen Euro – und der Abbau von 200 Stellen in Ministerien und Mittelinstanzen bis zum Jahr 2013.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion hat in einer Presseerklärung vom Dienstag dieser Woche behauptet, dass die Einsparungen von 160 Millionen Euro dem Wegfall der Landesausgaben für das Konjunkturprogramm zu verdanken seien. An den aufgelisteten Positionen sehen Sie, dass diese Behauptung so nicht zutrifft.

(Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Mh!)

Wenn die Verfügungsmittel von Ministerinnen und Ministern um 10 % gekürzt werden, dann ist dies sicher vor allem ein Symbol und saniert nicht den Haushalt, wenn man das Gesamtvolumen betrachtet.

(Baldauf, CDU: Wohl wahr! – Bracht, CDU: Noch nicht einmal das!)

Aber es zeigt eben auch, dass der Wille zum Sparen bei den Verantwortlichen ganz unmittelbar vorhanden ist. Deshalb begrüße ich auch diesen symbolischen Schritt, der in dem Haushaltsentwurf vorgesehen ist.

(Beifall der SPD – Licht, CDU: Wenn dieses Symbol tatsächlich 20 % wären, wie gestern gesagt, dann wäre es in der Tat ein richtiger Schritt! Aber da glauben Sie ja selbst nicht dran!)

Wissen Sie, zu Ihren vielen Sätzen mit wäre, wollte, könnte und sollte kann ich nur sagen, wenn die CDU mit ihren Haushaltsfinanzen ordentlich umgegangen wäre, hätte sie auch keinen Kredit aufnehmen müssen, für die sie keine Sicherheiten hat, um das mühselig abzustottern, was eben verlängert worden ist, weil das Geld nicht da war. So viel zum Umgang mit einer kleinen Summe von 1,5 Millionen Euro im Jahr.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Die eben genannten Konsolidierungserfolge vor der Krise sind leider durch die Finanzeinbrüche in der Krise in großen Teilen aufgefressen worden. Deshalb ist es jetzt hier wieder ein Ansatz, wie man Fahrt in diese Richtung aufnimmt, weil man das in den Zeiten der Krise nicht machen konnte.

Ich stehe, genauso wie die Landesregierung, dazu, dass man in der Tat Mehrausgaben gemacht hat, damit wir nicht wie in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts in einer weltweiten Krise untergehen würden oder untergegangen wären. Deutschland hat die Krise international mit am besten gemeistert, auch wenn sie trotz dieser Ausgabenpolitik noch nicht überstanden ist.

Ich will in dem Zusammenhang ausdrücklich sagen, ich finde es gut, dass Finanzminister Kühl bei der mittelfristigen Finanzplanung bis in das Jahr 2020 gegriffen hat, also länger gegriffen hat, als es früher der Fall war und als die Gesetzesvorgabe vorhanden ist, um der beabsichtigten Schuldenregelung, die wir auf Bundesebene haben und die wir hier als Regelung gemeinsam in den Landtag eingebracht haben, Rechnung zu tragen und aufzuzeigen, wie und in welchen Schritten dieses Ziel, dass keine neue Schuldenaufnahme mehr im Jahr 2020 erfolgt, auch erreicht werden kann.