Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Ich will Ihnen gar nicht verhehlen, wir hatten diese Woche eine Diskussion, bei der ein Professor, ein CDUMitglied – also insofern für mich sehr unverdächtig – dabei war. Auch Herr Kirchhof sieht das wohl ähnlich, habe ich vom Finanzminister gehört, der das bei einer Diskussion entsprechend gehört hat. Diese Herrschaften aus dem wissenschaftlichen Bereich sehen die Schuldenregelung sehr kritisch, weil sie sagen, volkswirtschaftlich atmen die nicht genug.

Deshalb begrüßen sie auch die Regelung, die wir mit aufgenommen haben, da es notwendig ist, dass der Haushalt gestaltet wird; denn der Schuldenbegriff, den ein Staat hat, unterscheidet sich sicherlich von der Art und Weise, wie man privat mit Schulden umgehen kann. Man muss sehen: Was steht volkswirtschaftlich dagegen? Welche Wertschöpfung ist in einem Land zu verzeichnen? Was wird als Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet? Welche Staatsquoten gibt es bei dem Steueraufkommen? Wie ist das Vermögen verteilt? Welche Werte stehen dagegen? Exportiert man? Welche Wertschöpfung gibt es? – Dies ist ein ganzes Bündel an Punkten, die Sie mitbetrachten müssen, um beurteilen zu können, welche Verschuldung eines Staates vertretbar ist oder nicht vertretbar ist.

Damit kein Irrtum aufkommt: Ich unterstreiche für meine Fraktion ausdrücklich, dass es sinnvoll ist, dass diese Schuldenregelung als Selbstbindung für uns alle in die Landesverfassung aufgenommen wird. Aber dazu müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen, damit wir diese Regelung auch einhalten und wir dieses Ziel erreichen können. Lassen Sie uns nicht schmerzhaft über die abstrakten Einschnitte palavern, die notwendig sind, um so etwas zu erreichen. Stattdessen müssen wir Punkt für Punkt schauen, was in einem Land eventuell entbehrlich ist, was wir uns nicht mehr leisten können, aber natürlich auch, was wir uns noch leisten müssen, um im Wettbe

werb mit anderen Ländern noch zukunftsfähig sein zu können.

Herr Kollege Baldauf, Sie haben vorhin sogenannte Prestigeprojekte genannt, von denen Sie gesagt haben, dass sie gar nichts bringen. In diesem Zusammenhang haben Sie beispielsweise die Flughäfen Hahn und Zweibrücken genannt. Mit Krokodilstränen sehe ich immer die Presseerklärungen Ihres Parlamentarischen Geschäftsführers, der dort oben seinen Wahlkreis hat. Nach diesen Presseerklärungen stehen aber dort alle dahinter, es ist angeblich alles vernünftig, und dadurch würden viele Arbeitsplätze geschaffen. Was gilt denn nun eigentlich?

(Licht, CDU: Wenn, dann zitieren Sie richtig!)

Gilt das, was Herr Baldauf sagt, dass dies nicht erfolgreich und nicht sinnvoll wäre,

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

oder sagen Sie, dass diese Projekte auch in Zukunft fortgeführt werden müssen?

Herr Baldauf, was erzählen Sie da mit der DDR? – Sagen Sie Ihren Zwischenruf ruhig laut! Sagen Sie ihn ruhig laut!

(Baldauf, CDU: Kein Problem! Vor 25 Jahren haben die in der DDR auch ihre Arbeitsplätze so finanziert! – Zurufe von der SPD: Oh! – Zuruf von der SPD: So etwas den Menschen am Hahn zu sagen!)

Also, damit es jeder noch einmal hört, sage ich es laut: Herr Baldauf hat gesagt, vor 25 Jahren hat man in der DDR auch den Menschen die Arbeit so finanziert! – Das sagen Sie zu den Menschen am Flughafen Hahn, und das kommt aus dem Munde des Oppositionsführers zu dem Projekt am Hahn!

(Beifall der SPD – Ramsauer, SPD: Pfui, pfui!)

Die Menschen werden sich schon überlegen, ob sie bei solchen Zukunftskonzepten Sie wählen oder ob sie andere wählen.

(Licht, CDU: Wie viel überweisen Sie denn monatlich an die Entwicklungsgesellschaft? Wie viel? Sagen Sie es!)

Stellen Sie doch die Fragen bei den Punkten, die ich anspreche.

Ich komme nun zu den Prioritäten; denn wir sagen, was wir tun. Wir investieren 25 Millionen Euro mehr bei den Kindertagesstätten, insgesamt sind es dann 413 Millionen Euro. Wir investieren 32 Millionen Euro mehr bei den Hochschulen, insgesamt sind es dann 856 Millionen Euro. Auch bei den Ganztagsschulen gibt es ein Plus

von 6 Millionen Euro, dann sind es insgesamt 78 Millionen Euro.

(Bracht, CDU: Alles kreditfinanziert!)

Man kann so manches nicht finanzieren, was sicherlich wünschenswert wäre. Ich nenne einmal eine Forderung, für die ich viel Verständnis habe. Wir haben dies in den letzten Jahren verbessert, aber den Schülertransport insgesamt für alle kostenfrei zu stellen, lässt sich bei den derzeitigen Finanzmitteln nicht darstellen, auch wenn es wünschenswert wäre, um Ihnen ein Beispiel zu sagen.

Wir betreiben Zukunftssicherung mit dem Pensionsfonds. Ich möchte heute gar nicht so sehr darauf eingehen; denn diese Debatte haben wir schon drei-, vier- oder fünfmal in diesem Parlament geführt. Wir halten es für sinnvoll, an diesem Pensionsfonds festzuhalten, um aufzuzeigen, welche Mittel man benötigt. Er ist sinnvoll eingestellt, und wir leisten auch die entsprechenden Zuführungen an das Fondsvermögen, um den zukünftigen Belastungen Rechnung zu tragen, die dem Land durch Pensionierungen von Beamten entstehen.

Die Opposition behauptet, wir würden noch immer zu viel ausgeben und zu wenig sparen. Ich möchte auf ein paar Zahlen eingehen, die im Ländervergleich belegen, dass Rheinland-Pfalz keine besonders freigiebige Politik betreibt. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben liegt RheinlandPfalz im Vergleich der westlichen Flächenländer im Jahr 2009 nach dem vorläufigen Ergebnis der Finanzstatistik an sechster Stelle, wobei Land und Kommunen wegen der unterschiedlichen Kommunalisierungsgrade zusammen betrachtet werden. Bayern, Hessen, das Saarland, Nordrhein-Westfalen sowie Schleswig-Holstein geben mehr pro Einwohner aus. Sie haben höhere Ausgaben und teilweise noch schlechtere Finanzen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Sie sind unterschiedlich regiert, aber Sie sehen, dass die Problemlagen in diesen Ländern dennoch ganz ähnlich sind. Im Übrigen habe ich bei der Rollenverteilung zwischen Opposition und Regierung Verständnis dafür, dass jeder seine Rolle wahrnimmt. Aber man sollte nicht aus der Rolle fallen, Herr Kollege Baldauf.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Es reicht schon, wenn Sie das tun!)

Man sollte auch entsprechende Vorschläge machen, wie eigene Konzepte aussehen könnten, oder aufzeigen, wo man sparen möchte. Wir entlassen Sie nicht aus Ihrer Verantwortung, dass von Ihnen kein Vorschlag genannt wurde.

(Beifall der SPD)

Auch beim Finanzierungssaldo pro Kopf, einer der wichtigsten Kenngrößen für das Haushaltsdefizit, steht Rheinland-Pfalz nach den vorläufigen Daten besser da als andere Bundesländer. Es steht besser da als Hessen, als Bayern oder das Saarland.

Wenn man das Hochschulvermögen und das Sondervermögen des Pensionsfonds mit einbeziehen würde

dies möchte ich im Übrigen gar nicht tun –, liegt Rheinland-Pfalz deutlich unter dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer. Der Durchschnitt beträgt etwa 350 Euro, und Rheinland-Pfalz läge etwa bei 306 Euro. Ich sage dies, damit Sie einmal Zahlen hören, die belegen, dass wir uns bemühen zu sparen und trotzdem eine zukunftsgerichtete Politik in Rheinland-Pfalz gestalten, die uns gut aufstellt und die für zukünftige Generationen Chancen und nicht nur Handicaps oder ein rückwärts gewandtes Blicken wie bei der CDU beinhaltet.

(Beifall der SPD)

Der Haushalt beinhaltet eine Reduktion der Nettokreditaufnahme um 15 %. Das Haushaltsdefizit wird um 433 Millionen Euro gesenkt. Dies sind 16 %. Dies ist auf dem Weg, die Schuldenbremse einzuhalten, die richtige Richtung, auch wenn es – ich habe darauf hingewiesen – mühselig werden wird, diese Volumina in Zukunft zu erreichen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Ich möchte auf die Entwicklung der Nettokreditaufnahme in anderen Ländern eingehen. In Hessen fand im Jahr 2009 eine Rekordverschuldung mit 3,37 Milliarden Euro statt, die im Jahr 2011 auf 2,8 Milliarden Euro reduziert wird, und dies auch nur, weil dort den Kommunen eine Hauptlast in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro aufgebürdet wird, um die der kommunale Finanzausgleich gekürzt wird. – Das sind Ihre Freunde auf der anderen Rheinseite. Ich möchte dies einmal in Erinnerung rufen, nachdem Herr Baldauf so groß die Kommunalfinanzen in den Vordergrund gestellt hat.

In Niedersachsen ist die Nettokreditaufnahme von 2,3 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 1,95 Milliarden Euro im Jahr 2011 und in Baden-Württemberg im selben Zeitraum von 2,64 Milliarden Euro auf 2,08 Milliarden Euro gesenkt worden. All diese Länder arbeiten mit dem gleichen Problem wie Rheinland-Pfalz, nämlich mit den Folgen der Krise bei einer Aufgabenerledigung dessen, was in einem Land notwendig ist.

(Beifall der SPD)

Die Opposition hat vor einigen Tagen oder Wochen besonders auf die Aussage Wert gelegt, Rheinland-Pfalz könne sich das nur leisten, weil es im Länderfinanzausgleich so gut bedient sei. Deshalb müsste man das anders machen.

Herr Kollege Mertin, leider habe ich dazu auch ein klärendes Wort von Ihnen vermisst, was die Klagen der Länder Bayern und anderer Länder gegen einen Finanzausgleich anbelangt. Ich habe vermisst, dass Sie auch für die FDP gesprochen und gesagt hätten, dass solche Klagen überflüssig wären.

Ich war aber bislang immer davon ausgegangen, dass die Fraktionen des Landtages sich einig wären, dass Regelungen in der Bundesrepublik, die diesem Land nützen, auch für dieses Land gut wären. Wenn die CDU das so kritisiert und für das Land einen schlechteren Länderfinanzausgleich möchte, dann soll sie das sagen.

Nur, eines ist das sicher nicht: Es wäre – da bin ich wieder bei Herrn Licht – nicht gut für dieses Land. –

(Beifall der SPD)

Im Übrigen gab es sozusagen fast eine Lehrstunde unseres neuen Finanzstaatssekretärs an den Herrn Kollegen Bracht über die Zusammenhänge des Finanzausgleichs und was wir finanzieren oder nicht finanzieren. Deshalb möchte ich der Einfachheit halber auf das Protokoll der Sitzung verweisen und jetzt nicht noch einmal wiederholen,

(Pörksen, SPD: Schade!)

warum Belastungen ungleich verteilt sind, warum wir beispielsweise für Forschungsinstitute bei den Hochschulen nicht die Fördermittel erhalten wie BadenWürttemberg oder Bayern, welche Tradition dort hintendran steht und was man vielleicht bei Mitteln mitrechnen muss, die unter den Ländern und zwischen Bund und Land transferiert werden, um zu sehen, ob etwas gerecht oder nicht gerecht ist. Viel mehr möchte ich zu der Diskussion um den Länderfinanzausgleich – von der CDU angezettelt – nicht sagen.

Nur eines: Wenn wir beitragsfreie Kindertagesstätten gemacht und das ausgebaut haben, „Bildung von Anfang an“ vorbildlich für die Bundesrepublik gestalten und weiter nach vorne bringen, dann ist das eine Frage der politischen Priorität. Diese Priorität ist – bundesweit anerkannt – in Rheinland-Pfalz richtig gesetzt. Das hat die Landesregierung gemacht, hat es mit unserer Unterstützung und teilweise sogar mit Ihrer umgesetzt. Manchmal fordern Sie noch viel mehr an Ausgaben bei dem, was wir dort gemacht haben.

(Beifall der SPD – Pörksen, SPD: Genau!)

Ich hatte in meiner schriftlichen Ausfertigung der Rede, die verteilt wurde – es gilt hier immer das gesprochene Wort –, schon stehen: Was sind denn die Sparkonzepte der CDU? Es gibt sie nicht. – Manchmal hat man doch prognostische Fähigkeiten, wenn man in eine solche Debatte geht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der SPD)

Was man in dieser Hinsicht hört, ist unzusammenhängend, unsystematisch, ohne Plan und Ziel und auf Augenblickseffekte orientiert. Der Pensionsfonds setzt auf Kontinuität der Vorsorge. Die CDU möchte ihn immer abschaffen, weil sie sagt, das sei nicht sinnvoll. Ich möchte die Diskussion nicht wiederholen.

In der Vergangenheit wurden von Ihnen Stellenstreichungen in einem Ausmaß vorgeschlagen, das nicht zu realisieren gewesen wäre. Sie hatten im letzten Haushalt den Vorschlag gemacht, dafür Lehrer einzustellen. Also entlassen wir beispielsweise bei der ADD 400 Leute, und am nächsten Tag haben wir 400 Lehrerinnen und Lehrer dafür. Sie sind schon lange der Praktik des Regierens entwöhnt. Da fehlt es auch am Handwerk, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man solche Vorschläge macht.

Es wird hier in dem Haushaltsentwurf ein realistischer Vorschlag gemacht, eben auch bei den Ministerien Personal einzusparen, 200 Stellen bis 2013 mit kwVermerk, das ist durchaus ehrgeizig. Wir werden uns anschauen, ob da vielleicht noch ein wenig mehr geht, ob das machbar ist. Aber auch das wird Knirschen nach sich ziehen.