Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Billen, Sie haben gesagt, es geht um ein viel zu ernstes Anliegen. In der Tat geht es um ein sehr ernstes Anliegen; denn morgen früh werden Millionen von Menschen in Deutschland aufstehen und für Dumpinglöhne arbeiten müssen. Millionen von Menschen werden morgen früh aufstehen müssen und werden nicht in der Lage sein, einer würdevollen Arbeit nachzugehen, die bedeutet, dass sie ihr Existenzminimum verdienen. Sie werden gezwungen sein, nach wie vor staatliche Transferleistungen in Anspruch zu nehmen. Einige schämen sich dafür und leben unter Bedingungen, die sich keiner wünschen kann.

Wir haben eine Debatte über ein Anliegen geführt, das für viele Menschen existenziell ist. Sie haben um 16:21 Uhr, vor einer Stunde, eine Presseerklärung herausgegeben, sie würden dem Antrag nicht zustimmen.

(Frau Klöckner, CDU: Natürlich! Das war der Antrag, den Sie eingereicht haben!)

So viel zur Ernsthaftigkeit einer Debatte und zur Bereitschaft, gegenseitig auf Argumente einzugehen.

Herr Rosenbauer hat einige Passagen aus unserem Antrag zitiert. Es hat gesagt, es geht wohl zu weit, dass wir die Landesregierung für das Tariftreuegesetz und einiges andere loben müssen. Dazu habe ich gesagt, das ist nachvollziehbar. Es geht um die zentrale Frage, sich zum Mindestlohn und nicht zur Arbeit der Landesregierung zu positionieren. Das nehmen wir aus dem Antrag heraus, um uns darauf zu konzentrieren.

Bei der Frage, wie man sich bei dieser Zukunftsherausforderung positioniert, stellt es eine Ablenkung dar, auf die rot-grüne Bundesregierung von vor sieben Jahren zu verweisen. Ich hätte mir auch gewünscht – das sage ich mit dem heutigen Erkenntnisstand –, man hätte schon damals mit den bestehenden Möglichkeiten einen gesetzlichen Mindestlohn vereinbart.

Die Millionen Menschen, die morgen aufstehen müssen, müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass seit Jahren über diese Situation von Menschen diskutiert wird. Trotz Entsendegesetz und vieler anderer Aspekte ist es aber bisher nicht gelungen, für diese Menschen würdevolle Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, die in anderen Ländern ermöglicht wurden.

Wir haben alle streitigen Punkte, über die man diskutieren kann, ob es einer Opposition zugemutet werden kann, ihnen zuzustimmen, aus dem Antrag herausgenommen. Das war keine Schwierigkeit, die Rot-Grün hatte. Wir haben null Probleme, dem ursprünglichen Antrag zuzustimmen. Wir haben uns bewusst auf diese Frage konzentriert.

Frau Klöckner, meine Damen und Herren von der CDU, Herr Dr. Weiland, Herr Billen, Sie müssen sich heute dazu bekennen,

(Frau Klöckner, CDU: Das machen wir!)

ob Sie sagen, wir akzeptieren weiter diese Situation von Menschen, oder ob Sie den Mut haben zu sagen, wie Sie ihn auch in anderen Fragen hatten, wir stimmen diesem Antrag zu, um damit auch ein Signal zu setzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dann, wenn sich zunehmend CDU-Landesverbände zu dieser Frage anders positionieren, in Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn bekommen werden, wodurch Perspektiven für Menschen eröffnet werden können.

(Frau Klöckner, CDU: Tarifautonomie!)

Sie haben die Möglichkeit, einen entscheidenden Schritt in diese Richtung zu gehen. Darüber müssen Sie heute abstimmen. Wir werden Sie nicht herauslassen. Es wird gleich eine namentliche Abstimmung geben.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Köbler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In jedem Handbuch für Politikeinsteiger steht: Wenn du eine Frage gestellt bekommst, die schwierig ist und bei der du

nicht genau weißt, wie du dich positionieren musst, rede einfach von etwas ganz anderem.

(Frau Klöckner, CDU: Das Buch hast du aber intensiv gelesen!)

Mir ist es auf jeden Fall bekannt, dass auch in Rheinland-Pfalz Schwangere in den Schuldienst eingestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen.

(Unruhe im Hause – Billen, CDU: Zuhören ist eine Kunst!)

Wir haben den Antrag verändert. Während wir debattiert und Argumente ausgetauscht haben, waren Sie damit beschäftigt, Pressemitteilungen zu schreiben. Wir sind auf Sie zugegangen und sind auf Sie eingegangen. Wir haben die Punkte, zu denen wir inhaltlich stehen, bei denen wir aber verstehen können, dass Sie bei denen nicht mitgehen können, aus dem Antrag herausgenommen. Es geht nur noch um die Frage – Herr Billen, hören Sie genau zu –, ob der Landtag von Rheinland-Pfalz dafür ist, dass sich die Landesregierung auf der Bundesebene für einen gesetzlichen Mindestlohn – es ist kein Betrag enthalten – einsetzt. Ja oder nein? Gleich kann jeder einzelne von Ihnen Farbe bekennen.

Ich möchte noch auf einen Aspekt hinweisen. Es geht – Herr Kollege Hering hat das schon erwähnt – um eine wichtige Frage für jede betroffene Arbeitnehmerin und jeden betroffenen Arbeitnehmer, sodass eine Entscheidung nicht lange aufgeschoben werden kann. Wir haben die Chance, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Die Mehrheit der Länder würde einen gesetzlichen Mindestlohn nicht blockieren. Wir haben drei Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag, die sagen, dass sie für einen gesetzlichen Mindestlohn sind. Wenn ich die Abgeordneten der Union, die sich mehr und mehr dafür aussprechen, und – Frau Ministerin Ahnen hat darauf hingewiesen – die Mitglieder der CDASozialausschüsse hinzuzähle, gibt es offensichtlich auch in der Bundesrepublik Deutschland derzeit eine parlamentarische Mehrheit für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Die CDU in Rheinland-Pfalz muss dem nicht länger im Weg stehen. Geben Sie sich einfach einen Ruck.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Klöckner, CDU: Das machen wir nachher bei den Lehrern!)

Meine Damen und Herren, die Abstimmungsfolge ist wie folgt, wenn ich den Hinweis des Fraktionsvorsitzenden der SPD richtig interpretiert habe: Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag ab. Sofern dieser eine Mehrheit findet, haben wir einen geänderten Antrag. Dann muss der Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt werden. Danach wird die namentliche Abstimmung durchgeführt. – Haben Sie das Verfahren verstanden? – Wunderbar.

Ich lasse über den Änderungsantrag – Drucksache 16/339 – abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen! Die Gegenprobe! – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden.

Frau Kollegin, Sie haben zur Geschäftsordnung das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die antragstellenden Fraktionen beantragen namentliche Abstimmung.

(Bracht, CDU: Endlich!)

Meine Damen und Herren, dieser Antrag wird wie folgt umgesetzt: In der Schublade eines jeden Abgeordneten befindet sich ein kleiner Umschlag mit einer grüner Stimmkarte, die Ja bedeutet, mit einer rosa Stimmkarte, die Nein bedeutet, und mit einer braunen Stimmkarte, die Enthaltung bedeutet. Die Abgeordneten werden gebeten zu prüfen, ob ihr Name auf der Rückseite der Stimmkarten steht. Die amtierenden Schriftführer sammeln dann mit den Abstimmungsurnen die Stimmkarten am Platz der Abgeordneten ein.

Die Ministerinnen und Minister, die Abgeordnete sind, aber auch der Präsident, der Abgeordneter ist, müssen jetzt zu ihren Plätzen eilen. Ich bitte daher Frau Kollegin Klamm, den Vorsitz zu übernehmen, wenn sie ihre Stimme abgegeben hat; denn wenn niemand den Vorsitz übernimmt, ist die Sitzung unterbrochen. – Haben Sie das verstanden? – Gut, dann bitte ich die Schriftführer, an den Plätzen vorbeizugehen und die Stimmkarten einzusammeln. Grün = Ja, rosa = Nein, braun = Enthaltung.

(Die Schriftführer sammeln die Stimmkarten ein – Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz – Präsident Mertes gibt seine Stimmkarte ab und über- nimmt wieder den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, sind alle Stimmkarten abgegeben? – Ich sehe keinen Widerspruch, dann unterbreche ich die Sitzung zur Auszählung.

(Die Stimmen werden ausgezählt)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich wieder Ihre Aufmerksamkeit erringen dürfte.

Die namentliche Abstimmung hat ergeben, dass 95 Stimmen abgegeben wurden und 95 Stimmen gültig sind. 58 Abgeordnete haben für den Antrag gestimmt, 37 dagegen. Enthaltungen liegen nicht vor.

Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/310 – unter der Berücksichtigung der beschlossenen Änderungen angenommen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

Für eine verlässliche Einstellungspolitik im rheinland-pfälzischen Schuldienst Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/312 –

Wer spricht? – Frau Kollegin Schneid, bitte schön, Sie haben das Wort. Die Grundredezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Der Antrag ist vom Thema her schon gestreift worden. Die als Ausnahme angedachten Vertretungsverträge wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgeweitet. Das hat zur Folge, dass vollständig ausgebildete Lehrkräfte über Jahre hinweg in Kurzzeitverträgen angestellt sind. Eine Familienplanung ist schlecht möglich; denn wer würde sich für eigene Kinder entscheiden, wenn er nach dem Schuljahr nicht mehr weiß, ob er eine neue Anstellung und einen neuen Vertrag bekommt?

Lassen Sie mich hier zwei Beispiele aus den vielen Briefen, die uns erreicht haben, herausgreifen. Ich gehe davon aus, dass die Thematik sowieso bekannt ist.

Ich zitiere: Seit 2005 bin ich Lehrerin mit befristeten Vertretungsverträgen. Ich war betraut mit Fachunterricht, mit Klassenleitung und zuletzt auch mit Klassenleitung einer Integrationsklasse. Mein Vertrag ist befristet bis 16.09.2011. –

In diesem Fall sind es sechs Jahre Vertretungsverträge, in einem anderen Beispiel sind es acht Jahre Beschäftigung im Schuldienst in 18 maßnahmebefristeten Arbeitsverträgen. 18 aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge: Ich denke, das ist unzumutbar.

(Beifall der CDU – Frau Klöckner, CDU: Ich dachte, das gibt es nicht!)

Wir alle bzw. unsere Gesellschaft wünscht und fordert, dass unsere Jugendlichen zu verantwortungsbewussten verlässlichen Menschen heranwachsen, die in ihrem Leben Ziele haben, sowohl berufliche als auch familiäre Ziele, und die diese Ziele auch verwirklichen wollen, das heißt ganz kurz gesagt, die ihr Leben in die Hand nehmen möchten. Dafür brauchen sie gute Bedingungen und verlässliche Partner.

(Beifall der CDU)

Also muss gerade hier Rheinland-Pfalz als Arbeitgeber ein verlässlicher Partner sein. Deshalb fordern wir, schrittweise die Mittel für Vertretungsverträge zurückzufahren und aufkommensneutral zugunsten einer Ausweitung des Vertretungspools einzusetzen und dort den Vertretungslehrern sichere Arbeitsplätze zu geben, Perspektiven für die individuelle Zukunftsplanung zu bieten und gleichzeitig dem anfallenden Vertretungsbedarf gerecht zu werden.