Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

(Zurufe von der CDU)

Da haben wir große weltpolitische Krisen. Die Menschen fliehen aus Syrien. Sie fliehen vor Krieg, vor dem sicheren Tod. Sie sind zu Millionen in den Nachbarländern. Sie sind ohne Perspektive. Sie kommen auch nach Deutschland. Ich bin sehr froh, dass wir sie aufnehmen und ihnen eine neue Heimat geben, aber so etwas in den Raum zu stellen,

(Zurufe von der CDU)

finde ich schon eine ganz infame Unterstellung und auch eine sehr seltsame Herleitung der weltpolitischen Lage zur Situation in Rheinland-Pfalz.

An dieser Stelle möchte ich es noch einmal sagen. Man kann es in diesen Tagen nicht oft genug sagen. Ich bin sehr dankbar, glücklich und froh darüber, dass wir in RheinlandPfalz diese Menschen mit offenen Armen empfangen,

(Glocke des Präsidenten)

willkommen heißen und sich über alle Maßen für die Flüchtlinge im Land engagieren.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, dann haben wir die Aktuellen Stunden abgeschlossen.

Wir begrüßen Gäste, und zwar katholische Frauen aus Frankenthal. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir begrüßen ebenfalls Polizeianwärterinnen und -anwärter der Landespolizeischule Hahn. Seien Sie ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf

Neuwahl der Vertrauensleute und ihrer Vertreterinnen und Vertreter für den Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 16/5255 –

dazu:

Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5610 –

Gemäß der Absprache im Ältestenrat erfolgt die Behandlung ohne Aussprache.

Es gibt einen gemeinsamen Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5610 –. Wer dem gemeinsamen Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Wahlvorschlag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrats der Wiederaufbaukasse Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5555 –

Gemäß Absprache im Ältestenrat erfolgt die Behandlung ohne Aussprache.

Wer dem gemeinsamen Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Wahlvorschlag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Fluchtaufnahme in Rheinland-Pfalz Regierungserklärung der Ministerpräsidentin

dazu:

Asylrecht konsequent umsetzen – Fehlanreize vermeiden Antrag der Fraktion der CDU – Entschließung – – Drucksache 16/5615 –

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kollegen und meine lieben Kolleginnen! In diesen Tagen habe ich viele Menschen getroffen, von denen man gar nicht laut genug

reden und erzählen kann. Dazu gehört beispielsweise eine Frau in Jugenheim, die sich ehrenamtlich als Patin für eine junge Syrerin zur Verfügung stellt und sich um sie kümmert. Ein südpfälzischer Unternehmer ist beispielsweise zu nennen, der einem Flüchtling aus Zentralafrika als Auszubildender in seiner Autowerkstatt eine Perspektive gibt. Ehrenamtliche Helfer und Helferinnen unseres THW und DRK sind zu nennen, die in Idar-Oberstein in zwei Stunden 150 Betten für neu ankommende Flüchtlinge aufbauen.

Es sind Hunderte, Tausende, Zehntausende Menschen allein in unserem Land Rheinland-Pfalz, die Menschen in Not helfen. Es sind engagierte Bürger und Bürgerinnen, tolle Menschen, die nicht lange warten und nicht lange fragen, sondern mithelfen, und zwar unbürokratisch, spontan, mit viel Herz und noch mehr Mitgefühl. Darauf bin ich sehr stolz. Ich bin stolz auf ein Land, in dem solche Menschen leben. Das ist mein Land. Das ist unser Land. Das ist Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke all den helfenden Menschen aus ganzem Herzen für ihr Engagement. Ich denke, das kann ich auch im Namen von uns allen hier im Parlament sagen. RheinlandPfalz beweist durch die Bürger und Bürgerinnen in diesen Tagen seine moralische Stärke und Kraft. Herzlichen Dank auch im Namen der Landesregierung.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wir stehen bei der Aufnahme von Flüchtlingen vor einer Herausforderung, die alles Gewohnte übersteigt. Allein in Rheinland-Pfalz sind seit Beginn dieses Jahres fast 22.000 Menschen angekommen. Täglich werden es mehr. Sie haben einen beschwerlichen Weg auf sich genommen, um Krieg, Gewalt, Not oder auch Perspektivlosigkeit zu entkommen. In Deutschland sind es in diesem Jahr bisher über eine halbe Million.

Menschen, die diese Bilder im Fernsehen sehen, fragen sich und häufig auch mich: Welche Auswirkungen haben diese enormen Flüchtlingszahlen auf unser Land? Was bedeutet das für mich? Wie geht das weiter?

Diese Sorgen und Fragen nehme ich sehr ernst. Ja, die Herausforderung ist enorm. Wir erleben gerade den größten Zuzug von Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben eine große Aufgabe zu bewältigen. Es ist eine schwierige Aufgabe. Es wird auch Enttäuschungen geben, und für manches werden wir mehrere Anläufe brauchen. Aber ich bin überzeugt, wir meistern diese Aufgabe. Wir handeln mit Herz und Verstand. Wir packen, wie die Menschen in unserem Land, mutig und mit Freude an. Wir sehen die Chancen für uns und unsere Gesellschaft.

Es ist eine Aufgabe an unsere gesamte Gesellschaft. Aber ich versichere Ihnen, keiner wird weniger haben, weil wir Menschen in Not helfen, wenn es um Job und Arbeit geht, wenn es um Wohnen und Leben geht, wenn es um Bildung und soziale Gerechtigkeit geht. Wir unterstützen alle, die es dabei schwerer haben als andere, gezielt und in großer Solidarität.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns zusammenstehen. Lassen Sie uns die notwendigen Entscheidungen gemeinsam treffen. Lassen Sie uns unser Land gemeinsam formen und Chancen ergreifen. Wir haben das Herz, wir haben die Kraft und die Voraussetzungen dazu.

Meine sehr verehrten Herren, meine sehr verehrten Damen, die Bilder, die wir jeden Abend im Fernsehen sehen, sind entsetzlich. Bilder aus Ungarn, Serbien, Griechenland müssen engagierten Europäern und Europäerinnen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Das Schicksal des ertrunkenen dreijährigen syrischen Jungen ist zum Synonym dafür geworden, dass Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht große Gefahren auf sich nehmen und viele auf ihrem Weg zu uns sterben.

Viele ältere Menschen erzählen mir, dass durch diese Bilder bei ihnen Erinnerungen wach werden. Sie erinnern sich, dass unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen kamen, weit mehr Menschen als heute. Sie flohen damals, weil Deutschland Europa mit Mord, Krieg und Elend überzogen hatte. Ich weiß, in der Geschichte ist nichts vergleichbar. Aber war es nicht so, dass unser damaliges Westdeutschland anfangs fast überfordert war von so vielen Flüchtlingen? War es aber nicht so, dass Deutschland diese Situation gut bewältigt hat, und zwar wirtschaftlich wie gesellschaftlich?

Unser Land hat damals Offenheit gelernt, manchmal mühsam, manchmal hat es gedauert, aber die Solidarität war überwältigend damals wie heute. Mal ehrlich: Ist es nicht genau diese über Jahrzehnte erlebte Vielfalt, die uns, gepaart mit Kompetenz, Kreativität, viel Herz und Tatkraft, heute auch so stark macht? Sicher, es gibt mehr kulturelle Unterschiede, aber unser Land ist auch viel internationaler als vor 70 Jahren.

Immer wenn ich mich mit älteren Menschen darüber unterhalte, merke ich, wie sehr sich unsere deutsche Geschichte in unserem gemeinsamen Gedächtnis eingeprägt hat. Sie ist so etwas geworden wie kollektive Erfahrung. Wer jetzt trotzdem denkt, damals kamen Deutsche oder Deutschstämmige, dem sage ich: Erinnern wir uns an die Lehren, die wir gemeinsam gezogen haben nach der Katastrophe des Faschismus, der Zerstörung und des Kriegs, den Deutschland über Europa und die Welt gebracht hat. Wir haben nicht nur Probleme bewältigt, sondern wir haben auch neue Ziele entwickelt. Das „Nie wieder“ hat uns geleitet, zunächst in sehr kleinen Schritten, später mutiger, schließlich konsequent. Diese Perspektive war, ist und bleibt aus meiner Sicht die einzige, nämlich Europa.

Ich war in meinem Leben nie der Mensch, der immer nur Probleme oder Rückschläge gesehen hat. Ich sehe Herausforderungen. Ich sehe aber auch Perspektiven, sogar Chancen. Jetzt und heute ist sicher die menschenwürdige Aufnahme unsere drängendste Herausforderung.

Ich denke weiter über Sprache lernen, über Anpacken dürfen, über Heimat finden für die, die bleiben dürfen – mitten unter uns anderen Rheinland-Pfälzern und RheinlandPfälzerinnen. Diese Menschen werden in unserem Land

mit unserer Hilfe eine neue Heimat und eine neue Zukunft finden.

Ich danke allen, die in diesen Wochen im Auftrag des Landes, in unseren Behörden und Verwaltungen, so hervorragende, engagierte Arbeit leisten. Die grandiose Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung ist das eine, aber die Hauptverantwortung und Hauptlast – oft buchstäblich Tag und Nacht – liegt bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Aufnahmeeinrichtungen, bei den extrem belasteten Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen in den Ämtern, bei den Polizisten und Polizistinnen, bei den Verantwortlichen im kommunalen Bereich, bei den Bürgermeistern und Landräten. Ich nenne natürlich auch das DRK, die Johanniter, den ASB, die Malteser, das THW oder die Feuerwehr und neuerdings auch die Soldaten und Soldatinnen. Sie alle arbeiten rund um die Uhr, und sie zeigen ein sehr freundliches und hilfsbereites Bild von unserem Land.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da draußen sind leider auch Populisten, Rechte, Rattenfänger. Sie schüren Ängste. Deshalb sind wir glasklar: null Toleranz gegenüber Hetzern und Brandstiftern, null Toleranz gegenüber Gewalttätern und Menschenhassern. Die Regeln und Gesetze in unserem Land gelten selbstverständlich für alle, und zwar gleichermaßen. Der Innenminister und unsere Ordnungskräfte haben meine volle Unterstützung, diese durchzusetzen.