Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Fluglärm macht krank, und der Schutz der Gesundheit unserer Bevölkerung ist die Aufgabe von Politik, die Aufgabe des Staates und von uns allen.

Lieber Herr Reichel, ich bin froh, dass wir als Abgeordnete aus Mainz und Rheinhessen fraktionsübergreifend einer Meinung sind, und ich gebe Ihnen recht, dass es richtig

ist, länder- und parteiübergreifende Initiativen zu starten, was das Thema des Schutzes vor Fluglärm angeht, die wir, die rot-grüne Landesregierung, seit vielen Jahren und in vielfältiger Form auch angehen.

Ich wundere mich schon, wenn Sie das, was seitens der rot-grünen Landesregierung gemeinsam mit anderen Bundesländern nun auf den Weg gebracht worden ist, so abtun. Es wäre durchaus ein gemeinsamer Konsens möglich, und das zeigt beispielsweise auch das Engagement von Frau Umweltministerin Höfken im Umweltausschuss des Bundesrates, wo länderübergreifend Mehrheiten gefunden worden sind für das, was wir gemeinsam für unsere Bevölkerung in Mainz und im Rhein-Main-Gebiet schon lange fordern.

Aber es ist die unionsgeführte Bundesregierung, die blockiert und den Schutz vor Fluglärm, den Schutz der Gesundheit der Menschen in dieser Region eben nicht im Blick hat. In Berlin schläft man doch, was das Thema Fluglärm angeht. Warum? – Wahrscheinlich deshalb, weil man in Berlin keinen Fluglärm hat, weil man dort noch nicht einmal einen Flughafen hinbekommt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Die Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht bei der Festsetzung von Flugrouten – das ist im Umweltausschuss des Bundesrates durchgekommen – möchte der Bund nicht. Die Stärkung des aktiven Lärmschutzes beim Thema Fluglärm hat Rheinland-Pfalz im Umweltausschuss des Bundesrates durchgesetzt. Der Bund will diese Forderung nicht. Die Angleichung militärischer Lärmwerte in zivile Fluglärmwerte wurde ebenfalls durchgesetzt, aber auch das hat die unionsgeführte Bundesregierung verhindert. Auch die Stärkung des passiven Lärmschutzes wurde auf rheinland-pfälzische Initiative hin gemeinsam mit den Ländern durchgesetzt, aber auch dies wird von der Bundesregierung blockiert.

Jetzt ist es gelungen, mit Rot-Grün in Rheinland-Pfalz, mit Grün-Rot in Baden-Württemberg und mit Schwarz-Grün in Hessen wesentliche Punkte in einen neuen Gesetzentwurf zu schreiben, der jetzt dem Gesetzentwurf der CDUgeführten Bundesregierung nicht zur Mehrheit verholfen hat. Es ist ausgeführt worden, die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit beim Thema Flugrouten ist gerade in der Region ein sehr wichtiges Thema für die Bevölkerung.

Aber wenn wir alle sagen, Fluglärm macht krank, und der Schutz der Gesundheit ist die Aufgabe von Politik und von staatlichen Stellen, kann es doch nicht richtig sein, dass bisher die zuständigen Behörden, die Deutsche Flugsicherung (DFS), durch die Bundesgesetze überhaupt keine Aufgabe haben, den Lärmschutz bei der Genehmigung von Flughäfen und von Flugrouten zu berücksichtigen. Daran setzt unser Gesetzentwurf ganz entscheidend an. Es geht eben nicht nur darum, unzumutbaren Lärm zu verhindern, sondern auch darum, schon jetzt Genehmigungsverfahren so zu gestalten, dass Fluglärm aktiv minimiert werden muss und die Auswirkungen auf die Bevölkerung schon in den Genehmigungsverfahren reduziert werden müssen. Dies würde, wenn es denn durchkommt, den Men

schen wirklich Ruhe bringen, und dafür wünsche ich mir auch endlich einmal das Engagement der stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden.

(Julia Klöckner, CDU: Das wurde aber mal Zeit!)

Ich würde mir wünschen, dass Sie endlich die Blockadehaltung der CDU Deutschland aufgibt und bundesweit von der Union endlich die Menschen gerade in der Region vor Fluglärm geschützt werden, am Tag, aber vor allem auch in der Nacht. Dafür könnten Sie sich einsetzen,

(Julia Klöckner, CDU: Genau!)

und Sie könnten etwas für die Menschen in diesem Land tun, wenn Sie endlich einmal Ihren Einfluss auf die CDUgeführte Bundesregierung geltend machen würden und vor allem auf das unionsgeführte Verkehrsministerium.

(Christine Schneider, CDU: Wir haben wenigstens Einfluss!)

Hier sitzt doch die Flughafen-Lobby direkt mit am Tisch. Seien Sie endlich nahe bei den Menschen und nahe bei den Leuten, und sorgen Sie gemeinsam mit uns, gemeinsam mit der rot-grünen Landesregierung, gemeinsam mit Baden-Württemberg und mit Hessen dafür, dass die Menschen im Rhein-Main-Gebiet nachts wieder schlafen können. Schützen Sie die Gesundheit der Menschen in Mainz und in Rheinhessen vor Fluglärm. Dafür sind wir gern bereit, alle an einem Strang zu ziehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich darf zunächst Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 143. Mainzer Landtagsseminar. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren haben wir Besuch von einer Gruppe der AWO, Ortsverein Weierbach. Herzlich willkommen bei uns im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung hat nun der zuständige Minister Herr Lewentz das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle wissen es: Die Verbesserung des Schutzes gegen Fluglärm ist ein zentrales verkehrs- und umweltpolitisches Ziel der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Ich glaube, dies haben wir seit vielen Jahren intensiv unter Beweis gestellt. Vor allem im Umfeld des größten deutschen Verkehrsflughafens, des Rhein-Main-Flughafens in Frankfurt am Main, hat die Lärmbelastung ein Ausmaß erreicht, das

zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der – nein, unserer – betroffenen Bevölkerung führt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bei allen Unterschieden im Einzelnen kann daran auch oder sogar trotz des Ergebnisses der aktuellen Lärmwirkungsstudie NORAH wohl kein Zweifel bestehen.

Eines ist für uns vollkommen klar: Lärm macht krank und – auch das gehört dazu – entwertet Flächen. Das Hauptaugenmerk der Landesregierung ist daher auch auf eine Reduzierung der hohen Lärmbelastung gerichtet, die vom Flughafen Frankfurt am Main ausgeht. Dabei ist nach fester Überzeugung der Landesregierung eine Verbesserung der rechtlichen Grundlagen des Lärmschutzes dringend notwendig, um eine nachhaltige Verbesserung des Schutzniveaus zu ermöglichen, das auch den neuen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung Rechnung trägt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrter Herr Reichel, Sie hätten aus Ihrem Herzen keine Mördergrube machen müssen. Ich glaube, dann hätten Sie in Ihren Ausführungen auch anerkannt, dass wir mit dem von uns in den Bundesrat eingebrachten und dort vorgelegten Antrag natürlich weitergegangen sind und mehr Schutz hätten entwickeln können, als dies jetzt im Verbund mit den beiden anderen Landesregierungen möglich gewesen ist. Dafür haben wir gekämpft, und wir haben diese Dinge – das wissen Sie auch – sehr eng mit den Bürgerinitiativen besprochen.

Wenn man aber das Hauptziel nicht erreicht, also die weitestgehende Wirkung nicht erzielt, dann ist das eine gute Vorlage, die wir jetzt mit den Kollegen aus Hessen, BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz im Bundesrat als eine neue, gemeinsame, überparteiliche Initiative zur Verbesserung des Lärmschutzes eingebracht haben.

Die Bundesregierung – das möchte ich ausdrücklich noch einmal betonen – ist auf diesem wichtigen Feld bislang leider weitgehend untätig geblieben. Herr Reichel, wenn Sie Initiativen der Bundesregierung kennen, wäre es schön, wenn Sie sie uns nennen. Mir sind sie nicht bekannt. Ich möchte auch ausdrücklich sagen, dass eine stärkere Gewichtung des Lärmschutzes gegenüber den Kapazitätsund damit natürlich auch den wirtschaftlichen Interessen der Flughafenbetreiber durchgesetzt werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle drei Landesregierungen haben in den letzten Tagen entsprechende Kabinettsbeschlüsse gefasst, um über den Bundesrat eine notwendige Änderung luftverkehrsrechtlicher Regelungen auf den Weg zu bringen. Der Gesetzesantrag soll in der Plenarsitzung des Bundesrates am 27. November 2015 vorgestellt werden. Die Gesetzesinitiative umfasst die drei Bereiche Fluglärmschutz, Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Festlegung von Flugrouten und striktere Regelungen für die Ausübung von Kunstflug.

Zunächst zum Fluglärmschutz. Wichtigstes Anliegen der Gesetzesänderung ist es, Luftfahrtbehörden und Flugsicherungsorganisationen zu verpflichten – ich betone noch einmal, zu verpflichten –, den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm insgesamt stärker zu berücksichtigen. Ein ganz zentrales Ziel ist es, dass der Fluglärm generell reduziert wird und nicht lediglich auf die Vermeidung von unzumut

barem Fluglärm hingewirkt wird. Es ist unser Anspruch, dass der Fluglärm generell reduziert wird.

Mit der Gesetzesinitiative soll daher eine deutliche Aufwertung des Fluglärmschutzes gegenüber wirtschaftlichen Belangen erfolgen. Im Zweifel muss auch der Lärmschutz Vorrang haben.

Insbesondere bei der Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren – und zwar sowohl bei den Anflügen als auch bei den Abflügen der Flugzeuge – ist der Fluglärm verstärkt zu gewichten. Herr Hüttner hat dies entsprechend ausgeführt. Dies gilt aber auch bei der konkreten Abwicklung des Flugverkehrs im Alltagsbereich und der Genehmigung der Flugsicherungsorganisationen, von den festgelegten Flugrouten abweichen zu dürfen. Das Stichwort in diesem Zusammenhang lautet Flugverkehrskontrollfreigaben. In besonderem Maße soll dabei auf die Nachtruhe der Bevölkerung Rücksicht genommen werden. Im Ergebnis müssen sich die Deutsche Flugsicherung GmbH und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung in erheblich stärkerem Maße mit dem Schutz der Menschen vor Fluglärm befassen, als dies bisher der Fall ist.

Ich komme zum zweiten Schwerpunkt, nämlich der Initiative der Öffentlichkeitsbeteiligung. Bei neuen oder wesentlich geänderten Flugrouten haben die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner bislang keine Möglichkeit, sich in das Verfahren einzubringen. Eine Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger findet nach derzeitiger Rechtslage nicht statt. Dies ist nicht mehr zeitgemäß und daher auch nicht länger akzeptabel.

Mit dem Gesetzesantrag soll deshalb eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Festlegung und wesentlichen Änderung von Flugverfahren eingeführt werden. Dazu sollen die Öffentlichkeit, betroffene Gemeinden und Träger öffentlicher Belange die Arbeit der Fluglärmkommission als Beratungsorgane ergänzen. Wie das konkrete Beteiligungsverfahren aussieht, ist zu einem späteren Zeitpunkt im Detail noch festzulegen. Auf jeden Fall soll sichergestellt werden, dass die betroffenen Gemeinden, Träger öffentlicher Belange und Bürgerinnen und Bürger am Beteiligungsprozess angemessen partizipieren können. Bürgerinnen und Bürger aus Mainz und Rheinhessen könnten sich insoweit zukünftig bei wesentlichen Änderungen der Flugverfahren am Flughafen Frankfurt/Main besser einbringen und damit auch Gehör finden.

Zum dritten Bereich, den Kunstflug, muss ich keine weiteren Ausführungen mehr machen. Herr Kollege Hüttner hat auch mit Blick auf die Heimat von Heiko Sippel alles dazu gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der gemeinsame Gesetzesvorstoß der drei Länder wird nach meiner festen Überzeugung den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm durch eine generell stärkere Gewichtung des Fluglärms nachhaltig verbessern können. Er behält zugleich aber auch die Sicherheitsbelange und die praktischen Erfordernisse der Luftverkehrsbranche im Blick. Der jetzt in den Bundesrat eingebrachte überparteiliche Gesetzentwurf verdient daher die Unterstützung auch der anderen Bundesländer und besonders die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen im Bundestag. Dafür werden wir in

den nächsten Wochen intensiv werben.

Ich hoffe, dass wir am 27. November im Bundesrat erfolgreich sein werden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Klomann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, schon im Jahr 1972 hat der hessische Verkehrswegeplan davor gewarnt, dass eine Expansion des Frankfurter Flughafens unverträglich sei mit der Umgebung, in der er liegt. Leider wurde diesen Bedenken in den darauffolgenden Jahrzehnten nie wirklich Rechnung getragen. Statt einer deutschlandweit gesteuerten Weiterentwicklung der Flughafenlandschaft gibt es Wettbewerb unter Flughäfen und damit eine ungezügelte Ausbauorgie. Die Interessen der Menschen, die rund um den Flughafen wohnen, und dabei insbesondere diejenigen, die unterhalb einer Flugroute leben, sind durch diesen Ausbau ignoriert worden. Darüber hinaus ist der vorhandene Fluglärm ungleich verteilt und die Festsetzung von Flugrouten äußerst intransparent.

Der Gesetzesantrag, der nun auf Initiative von RheinlandPfalz in den Bundesrat eingebracht wird, kann dem Abhilfe schaffen, und es wäre auch höchste Zeit dafür; denn jede verkehrspolitische Maßnahme im Schienenverkehr oder auch im Straßenverkehr bezieht mehr Menschen in den Entscheidungsprozess mit ein, als dies bei Flugrouten der Fall ist.

Dieser Gesetzesantrag wird weiß Gott nicht alle Probleme lösen, die wir mit dem Frankfurter Flughafen haben; aber er ist ein wesentlicher Baustein beim Kampf für bessere Bedingungen im Rhein-Main-Gebiet. Es ist wichtig, dass wir westlich des Rheins bei der Frage des Flughafenausbaus den Kopf auch nie in den Sand stecken, dass wir nicht nachlassen, dieses Thema auch bei uns in Rheinhessen zum Thema zu machen und alles dafür tun, dass Fluglärm reduziert wird.

Als Vorbild sollten wir uns dabei immer die vielen Menschen vor Augen halten, die in Bürgerinitiativen aktiv sind, die vielen Menschen, die seit nunmehr fünf Jahren jeden Montag zum Terminal 1 fahren, um zu protestieren und zu demonstrieren. Es ist diese Hartnäckigkeit dieser Menschen, niemals aufzugeben und immer weiterzumachen, die auch wir uns in diesem Landtag auf unsere Fahnen schreiben sollten. Daher richte ich auch die Bitte an die Landesregierung: Werden Sie jenseits dieser Bundesratsinitiative nicht müde, auch weiterhin die Interessen der Menschen in Rheinhessen zu vertreten, auch um präventiv tätig zu werden; denn wer weiß, ob die Fraport nicht noch weitere Ausbaupläne in der Schublade hat.

(Glocke des Präsidenten)