Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Entschließung – – Drucksache 16/6024 –
Die Grundredezeit beträgt 60 Minuten je Fraktion. Ich erteile zunächst dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Wansch, das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen, wie soeben von Herrn Präsidenten Mertes dargelegt, vor der abschließenden Beratung des Haushalts 2016, des letzten Haushalts in dieser Wahlperiode. Ihnen allen liegt die Drucksache 16/5880 mit der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses vor.
Die hinter uns liegenden Haushaltsberatungen waren sehr arbeitsintensiv, aber auch sehr effizient. Phasenweise fanden die Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses täglich, manchmal auch ganztägig statt. Bei allen unterschiedlichen politischen Bewertungen in der Sache fanden die Beratungen in einer sachorientierten und konstruktiven Atmosphäre statt. Hierfür möchte ich mich bei allen Beteiligten recht herzlich bedanken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Dreiklang aus Konsolidierung, der Bewältigung aktueller Herausforderungen und der Verfolgung politischer Schwerpunkte für die Zukunftsfähigkeit des Landes hat die laufenden Haushaltsberatungen geprägt. Wie bereits in den zurückliegenden beiden Doppelhaushalten, steht auch der aktuelle Haushalt im Zeichen der Schuldenbremse. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist ein übergeordnetes Ziel, das noch in der letzten Legislaturperiode mit den Stimmen aller im Landtag vertretenen Fraktionen in die Landesverfassung aufgenommen wurde.
Der Haushalt 2016 steht insoweit in einer Linie mit den vergangenen beiden Doppelhaushalten und den künftigen Haushalten.
Die zweite Herausforderung sind die vielen schutzsuchenden Menschen, die sich in den vergangenen Monaten auf den Weg nach Europa, nach Deutschland und damit auch nach Rheinland-Pfalz gemacht haben. Es ist die Verpflichtung aller Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen, sich dieser gewaltigen Aufgabe zu stellen und der humanitären Verantwortung gemeinsam mit den vielen engagierten Helferinnen und Helfern gerecht zu werden. Für das Land Rheinland-Pfalz müssen mit dem Landeshaus
halt die notwendigen finanziellen Mittel zur Bewältigung dieser Anforderungen bereitgestellt werden.
Hinzu kommen nach den furchtbaren Anschlägen in Paris neue Herausforderungen im Bereich der Inneren Sicherheit. Daneben muss der Haushalt schließlich die notwendigen politischen Schwerpunkte für die Zukunft unseres Landes setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist die originäre Aufgabe dieses Parlaments, innerhalb des beschriebenen Zieldreiecks einen angemessenen Ausgleich zu finden: Ausgabenkürzungen dort vorzunehmen, wo es politisch vertretbar erscheint, dabei aber auch den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden und die notwendigen Investitionen in die Zukunft unseres Landes vorzunehmen. Dies ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Einfache Antworten gibt es nicht, Kompromisse, auch schmerzhafte, mühsam errungene Kompromisse sind unausweichlich. Sie sind Kennzeichen verantwortlicher Politik, sie sind das Kennzeichen der parlamentarischen Demokratie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen Unterschieden in der politischen Bewertung ist es mir ein besonderes Anliegen, anlässlich der heutigen abschließenden Haushaltsberatungen diese Gemeinsamkeit der demokratischen Parteien zu betonen; denn wir erleben in Europa, aber auch in Deutschland ein Wiedererstarken des politischen Populismus und Extremismus. Dies geht einher mit einer Verächtlichmachung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Repräsentanten. Die parlamentarische Demokratie mag manchmal schwerfällig und wenig glanzvoll erscheinen; aber sie ist die einzige uns bekannte Regierungsform freier Menschen in einer freien Gesellschaft.
Wir alle als frei gewählte Abgeordnete sind an vorderster Stelle dazu berufen, dieses Fundament unserer Freiheit zu verteidigen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mit der heutigen Aussprache werden die Fraktionen die aus ihrer Sicht wichtigen Aspekte des Haushalts 2016 hervorheben. Ich werde auf die Diskussionen im Haushalts- und Finanzausschuss sowie die unterschiedlichen Bewertungen des Regierungsentwurfs nur exemplarisch und in der gebotenen Kürze eingehen.
Aus Sicht der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sichert der vorgelegte Haushalt 2016 trotz der noch nie dagewesenen Zuwanderung von Flüchtlingen den Konsolidierungspfad mit dem realistischen Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2020. Zugleich setzt er die aus Sicht der regierungstragenden Fraktionen notwendigen politischen Schwerpunkte, etwa bei den Kommunen, der Bildung und Wissenschaft, der Energiewende sowie dem Umwelt- und Naturschutz, der Verkehrsinfrastruktur, dem öffentlichen Nahverkehr, der Inneren Sicherheit, der sozialen Wohnraumförderung oder dem Breitbandausbau.
Die Fraktion der CDU kritisierte, dass trotz steigender Steuereinnahmen der aktuelle Haushalt nicht ohne neue Schulden auskomme. Die Einsparanstrengungen seien
nicht ausreichend. Die Herausforderungen, die durch die Bewältigung der Zuwanderung von Flüchtlingen entstanden seien, könnten nicht als Grund für die Neuverschuldung angeführt werden.
Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verwiesen im Gegenzug darauf, dass seit 2011 bereits eine erhebliche Zurückführung des strukturellen Defizits erreicht und die Finanzplanung sogar übertroffen worden sei. Im Übrigen stünden den Steuermehreinnahmen auch gestiegene Ausgabeverpflichtungen insbesondere im Personalbereich gegenüber.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Haushaltsund Finanzausschuss lagen nach elf Sitzungen am Ende insgesamt 369 Änderungsanträge der Fraktionen vor, darunter 79 gemeinsame Anträge aller Fraktionen. Die 119 Anträge der Fraktion der CDU fanden keine Mehrheit. Angenommen wurden 171 Anträge mit der Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dabei wurden die Änderungsanträge zum Einzelplan 02, die den Bereich Rundfunk betreffen, einstimmig beschlossen.
Einstimmig angenommen wurden auch die Änderungsanträge aller drei Fraktionen, die im Wesentlichen den Landtag, das Thema der Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung sowie die Anpassung an die Steuerschätzung betreffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Sache der Fraktionen, die jeweils aus ihrer Sicht bedeutsamen Punkte zu den von ihnen eingebrachten Änderungsanträgen darzustellen. In meiner Eigenschaft als Berichterstatter möchte ich den Beratungen insoweit nicht vorgreifen. Lassen Sie mich deshalb lediglich summarisch auf die beantragten und beschlossenen Änderungen eingehen. Die Fraktion der CDU schlug Nettoeinsparungen in Höhe von rund 400 Millionen Euro vor, etwa durch die Streichung der Energieagentur und der Friedensakademie sowie der Entwicklungsagentur und des Bürgerbüros der Staatskanzlei. Weitere Kürzungsvorschläge betrafen den Nationalpark sowie das Wohngeld.
Die Schaffung einer Personalvermittlungsstelle – PVS genannt – sollte über Personaleinsparungen rund 65 Millionen Euro Ersparnis bringen. Die Kürzungsvorschläge enthielten zudem globale Minderausgaben in Höhe von insgesamt 188 Millionen Euro, darunter 70 Millionen Euro im Bereich der Wasserwirtschaft.
Zusätzliche Mittel wurden beispielsweise für Justiz, für Polizei, für 600 neue Lehrkräfte sowie den Straßenbau gefordert. Die Einführung von Kita-Gebühren sollte 47,6 Millionen Euro bringen, die jedoch direkt in diesem Bereich wieder verausgabt werden sollten.
Auf Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurden beispielsweise Änderungen des Haushaltsplans im Bereich der Versorgung und Integration von Flüchtlingen beschlossen. Hierzu zählt auch die Schaffung von neuen Projekten im Integrationsbereich über den gesamten Haushalt hinweg.
sche Koordinatorinnen und Koordinatoren an Realschulen plus geschaffen, um den Bereich der individuellen Förderung zu stärken. Die Mittel bei der Sprachförderung sowie den Deutschintensivkursen wurden gesteigert, die Grundförderung der Weiterbildungsträger wurde gestärkt.
Im Bereich der Inneren Sicherheit kam es zur Schaffung zusätzlicher Stellen in der Justiz sowie im Polizeibereich.
Hier wurden unter anderem 15 neue Tarifstellen für die sogenannten Ermittlungsgruppen Migration geschaffen, die in den Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende aufenthaltsrechtliche Verstöße bearbeiten und gezielte Präventionsmaßnahmen durchführen sollten.
Im Bereich Soziales wurde die spezialisierte ambulante Palliativversorgung gestärkt. Sie erhielt einen eigenen Titel mit 250.000 Euro.
Weitere Maßnahmen betrafen die Förderung der Netzwerke im Bereich der Umwelttechnik, insbesondere den Aufbau des Netzwerks Ecoliance Rheinland-Pfalz sowie die Stärkung des Projektes InnoStart. Zusätzliche Mittel flossen in die Prävention und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, in verschiedene Sportund Fanprojekte, sowie in das Eine-Welt-PromotorInnenProgramm des Entwicklungspolitischen Landesnetzwerks ELAN. Ferner wurde die Finanzierung der Landwirtschaftskammer gestärkt. Insgesamt senken die im Haushalts- und Finanzausschuss angenommenen Deckblätter die Nettokreditaufnahme um 21,7 Millionen Euro gegenüber dem Regierungsentwurf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich meinen Bericht mit Worten des Dankes schließen. Die täglichen – in der Regel langen – Sitzungen waren für alle Beteiligten oft eine Herausforderung. Mein Dank gilt deshalb den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien, der Fraktionen und der Landtagsverwaltung. Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitgliedern des Haushaltsund Finanzausschusses sowie bei den Mitgliedern der Fachausschüsse für ihre sachlichen und konstruktiven Beratungen in kollegialer Atmosphäre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushaltsund Finanzausschuss empfiehlt Ihnen mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Entwurf des Landeshaushaltsgesetzes 2016 anzunehmen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Grundsatzaussprache über das Landeshaushaltsgesetz 2016 und zur
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, herzlichen Dank für die Glückwünsche. Wie könnte man sich einen solchen Tag auch anders vorstellen als mit Ihnen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Flüchtlingskrise und ihre Folgen prägen das Ende des ablaufenden Jahres 2015. Herr Kollege Wansch hat soeben in seiner Rede deutlich gemacht, unter welchen Eindrücken, aber vor allen Dingen auch Realitäten diese Haushaltsdebatte gestanden hat und Entscheidungen getroffen werden mussten.
Es ist ein einschneidendes Jahr, und als es begann, ahnten wir alle zusammen nicht, wie dicht und schnell in den kommenden Monaten Gewalt und Terror an uns heranrücken würden, wie viele Menschen zu uns fliehen, dass Bundeswehrsoldaten wieder in einen gefährlichen Einsatz müssen und Europa in einen harten Belastungstest rutscht.
2015, das ist ein Jahr – so schreibt „DIE ZEIT“ –, in dem sich Fundamente verschoben haben. Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wohlstand, all das waren gewohnte Selbstverständlichkeiten noch zu Jahresbeginn. Doch wir haben in diesem Jahr erfahren, wie rasch diese Selbstverständlichkeiten abhanden kommen können, und anderes trat dann noch hinzu; denn auch das prägte das Jahr 2015: die Erfahrung der breiten Solidarität mit Flüchtlingen und ein unglaubliches Engagement der Menschen in Deutschland und gerade auch hier bei uns in Rheinland-Pfalz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Hilfsbereitschaft und der Gemeinsinn unserer Bürgerinnen und Bürger sind nach wie vor überwältigend. Wir stehen mitten in Prozessen, die auf absehbare Zeit nicht beendet sein werden. Terror, Flüchtlinge, Vertreibung, Armut, Klimawandel, das sind keine Themen, die morgen wieder von der Tagesordnung verschwunden sein werden – Flucht, das wird ein zentrales Jahrhundertproblem sein.
Wir realisieren immer deutlicher diese neuen Entwicklungen, die prägen, aber auch das Miteinander verändern. Ein einfaches Zurück wird es nicht geben, und unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger: mehr Nationalitäten, mehr Religionen und andere kulturelle Bräuche.
Dies hat Auswirkungen auf unseren Staat und unsere Gesellschaft, übrigens auch Auswirkungen auf die Aufgaben. Das bringt wiederum neue Fragen mit sich: Verändert sich zusehends auch die Rolle des Staates? Was müssen und können die staatlichen Ebenen leisten? Was können wir davon bezahlen, bzw. wie wollen wir das bezahlen?