Protokoll der Sitzung vom 08.12.2011

Des Weiteren fordern Sie eine Gesamtkonzeption von Polizei und Verfassungsschutz zur Bekämpfung von insbesondere rechtsradikaler Gewalt. – Das ist doch eine schiere Selbstverständlichkeit. Glauben Sie eigentlich, dass Verfassungsschutz und Polizei nicht zusammenarbeiten? Aber natürlich muss dies im Rahmen des gesetzlich Zulässigen sein. Wir wollen das schon abgegrenzt haben und möchten kein Kuddelmuddel entstehen lassen.

(Glocke des Präsidenten)

Sie fordern eine stärkere Überprüfung im Internet. Auch das geschieht bereits. Zur gemeinsamen Verbunddatei wissen Sie auch, dass Herr Innenminister Lewentz dazu Stellung bezogen hat.

Ich möchte noch einen Punkt zum Schluss nennen, den wir mit Ihnen teilen, aber offensichtlich die FDP nicht. Wir wollen keine Zusammenlegung von Verfassungsschutzbehörden. Aber darüber müssen Sie mit der FDP reden. Die FDP will aus 16 Verfassungsschutzbehörden vier machen. Sprechen Sie mit der FDP, mit uns brauchen Sie über diese Frage überhaupt nicht zu reden. Das wollen wir nämlich gar nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Besucher im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen. Ich begrüße Wahlkampfhelferinnen und Wahlkampfhelfer im Wahlkreis Bad Neuenahr-Ahrweiler. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren heiße ich die VdK-Ortsgruppe aus Steinfeld bei uns willkommen.

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen, dass Sie sehr viel Interesse an unseren Beratungen haben. Wir beraten gerade ein ausgesprochen wichtiges Thema. Das haben Sie sich gut ausgesucht.

Ich erteile nun Frau Kollegin Raue von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank. Das Thema „Verfassungsschutz“ ist ein ernstes Thema. Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu einer wehrhaften Demokratie, und wehrhaft müssen wir sein angesichts der Bedrohungen, denen wir nicht erst in letzter Zeit, sondern immer wieder begegnen müssen. Erst gestern haben wir in einer Gedenkminute unsere Solidarität mit den Opfern rechtsterroristischer Straftäter zum Ausdruck gebracht.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben immer wieder breite Bündnisse gegen den Rechtsextremismus, gegen Faschismus und gegen menschenverachtende Ideologien gefordert. Oft wurde uns in diesem Zusammenhang der Vorwurf gemacht, auf dem linken Auge blind zu sein. Wenn nun ausgerechnet von uns im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf angemahnt wird, auf Aktionismus zu verzichten und zunächst langsam und gründlich zu prüfen, dann sollte dies auf Gehör stoßen, meine Damen und Herren.

Leider ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Landesverfassungsgesetzes das Einzige, was man uneingeschränkt unterschreiben kann, der erste Satz in der Begründung:

„Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden bedarf der umfassenden parlamentarischen Kontrolle.“ – Wohl wahr!

Aber bereits die folgende Feststellung, die derzeitige Regelung der Berichtspflicht werde diesen Anforderungen nicht ausreichend gerecht, ist eine leere Behauptung. Nun kann man immer sagen: Besser eine starke Behauptung als ein schwaches Argument. –

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dennoch möchte ich Sie fragen: Ist das denn tatsächlich so? In welchen Punkten genügt denn die Berichtspflicht nicht? – Ich würde gern wissen, in welchen Bereichen Sie dies konkret monieren und mit welchen Maßnahmen Sie dort gegensteuern möchten. Ist eine größere Häufigkeit der Berichterstattung tatsächlich das geeignete Mittel, um eine größere parlamentarische Kontrolle zu erreichen, meine Damen und Herren?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Ihr Vorschlag für einen Gesetzentwurf ist sehr kurz gesprungen. Allein dadurch, dass Sie die Tagungsfrequenz der Parlamentarischen Kontrollkommission erhöhen wollen, erreichen Sie keine bessere Kontrolle des Verfassungsschutzes. Die Kontrolle des Verfassungsschutzes ist nicht nur eine Bringschuld, meine Damen und Herren. Verfassungsschutzkontrolle ist nicht bequem, man kann sie sich aber bequem machen.

In der letzten Legislaturperiode hat die Parlamentarische Kontrollkommission ausschließlich auf Initiative des

zuständigen Ministers in den gesetzlich vorgeschriebenen Intervallen getagt und informiert. In dieser noch sehr kurzen Periode hat es bereits eine erste Sondersitzung der PKK gegeben. Ich habe meine Rechte als Mitglied dieser Kommission wahrgenommen und um eine zusätzliche Berichterstattung gebeten. – Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, das geht auch so, und zwar ganz ohne zusätzliches Gesetz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Überhaupt nicht beschäftigt sich der vorliegende Gesetzentwurf mit einer Bewertung der Befugnisse, die die Parlamentarische Kontrollkommission hat. Ein Unterrichtungs- oder ein Akteneinsichtsrecht, ist das ausreichend? Sind weitergehende Befugnisse denkbar?

Ebenso wenig befassen Sie sich mit der Frage, welche Aufgaben und Rechte die Verfassungsschutzbehörden haben. Wenn wir das Thema „Verfassungsschutzgesetz“ angehen, gehören selbstverständlich auch diese Befugnisse – die allgemeinen wie die besonderen und die speziellen Einzelfallbefugnisse – dazu. Auf jeden Fall gehören die §§ 9 bis 10 c auf den Prüfstand. Sind die Vorschriften zur Datenerhebung, zur Speicherung und zur Übermittlung noch adäquat?

Herr Schneiders, Sie haben ausgeführt, mit Ihrem Antrag der Bedrohung durch extremistische Tendenzen entgegenwirken und Regelungen für einen wirksamen Verfassungsschutz treffen zu wollen. Das wollen wir auch. Mit all diesen Fragen beschäftigt sich aber Ihr Gesetzentwurf gerade nicht. Stattdessen enthält er trotz all seiner Kürze und Lückenhaftigkeit mit seiner für § 21 Abs. 1 vorgeschlagenen Ergänzung einer Berichtspflicht über sonstige relevante Vorgänge auch noch eine überflüssige Deklaration. Diese Berichtspflicht ist im geltenden Landesverfassungsgesetz bereits enthalten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ihr Gesetzentwurf ist also eine Initiative, aber keine gute und keine ausreichende Initiative. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass daraus ein Gesetzentwurf wird, der den gegenwärtigen Zustand wirklich erfasst und effektiv verbessert. Wir schließen uns daher dem Antrag an, beides – den Gesetzentwurf wie auch den Antrag – an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen, um dann mit Ruhe und Sorgfalt ein Gesetz zu erarbeiten, das beides ist: eine Initiative – sinnvoll und gut.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Frau Staatssekretärin Heike Raab das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zeitgleich zu unseren Beratungen heute tagt auf der

gegenüberliegenden Rheinseite in Wiesbaden die Innenministerkonferenz. Herr Innenminister Roger Lewentz, der Bundesinnenminister und alle anderen Innenminister der Länder nehmen an diesen Beratungen teil. In diesen Beratungen wie auch auf der Tagesordnung der Vorkonferenz der Staatssekretäre, an der ich vergangene Woche teilnahm, stehen selbstverständlich auch die Bekämpfung von Terrorismus, und zwar von islamistischem, aber natürlich insbesondere auch von rechtem Terrorismus, sowie die Beratungen über ein NPD-Verbot im Mittelpunkt.

Gestern haben wir uns in diesem Hohen Hause über die Gemeinsamkeiten und die Grundwerte verständigt und haben eine inhaltlich intensive Debatte geführt. Wir sind gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums ausdrücklich dankbar dafür, mit welcher Geschlossenheit auch der rheinland-pfälzische Landtag in der Resolution „Erschütterung über Ausmaß rechtsextremer und terroristischer Gewalt – Konsequentes Handeln in Rheinland-Pfalz“ den Grundkonsens deutlich gemacht hat. Das war richtig und wichtig. Ob dies allerdings für den vorliegenden Antrag und den Gesetzentwurf, der vonseiten der CDU-Fraktion eingebracht worden ist, gilt, darf hinterfragt werden.

Gestatten Sie mir deshalb bitte drei Bemerkungen, bevor ich zu Antrag und Gesetzentwurf der CDU-Fraktion Stellung beziehe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Polizei, Herr Minister Roger Lewentz, Herr Kollege Staatssekretär Häfner und ich sind angesichts des Geschehens zutiefst betroffen. Aber, meine Damen und Herren, wir sind auch zugleich hoch motiviert, unseren Teil dazu beizutragen, dass die Tatumstände zügig restlos aufgeklärt und alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Arbeit der Sicherheitsbehörden weiter zu verbessern.

Dass wir dies regelmäßig tun, zeigte sich auch in der PKK-Sitzung gestern. Herr Abgeordneter Pörksen hat darauf hingewiesen, dass wir heute in einer Pressemeldung deutlich gemacht haben, dass dieser benannte Wohlleben auch die Internetseite des „Aktionsbüros „Rhein-Neckar“ mitgestaltet hat. Wir legen offen. Sofern es uns an jeder Stelle möglich ist, kommen wir gerne diesen Aufklärungs- und Berichtspflichten nach.

Auch Ministerpräsident Beck hat in der gestrigen Debatte deutlich gemacht, dass Verfassungsschutz und Polizei in Rheinland-Pfalz eng, vertrauensvoll und sehr intensiv zusammenarbeiten.

Diese Arbeit macht in Rheinland-Pfalz nicht vor den Landesgrenzen halt. Nein, wir kooperieren in dieser Frage gerne und intensiv auch mit den benachbarten Bundesländern und bundesweit.

Herr Abgeordneter Schneiders, Sie haben eben einen effektiv arbeitenden Verfassungsschutz angemahnt. Ich darf Ihnen sagen, wir haben einen effektiv arbeitenden Verfassungsschutz. Ich bin Herrn Abgeordneten Pörksen dankbar für die Dankesworte, die er auch in Rich

tung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums zum Ausdruck gebracht hat.

(Frau Klöckner, CDU: Das habe ich gestern auch gemacht! Das kam gestern von uns auch!)

Rechtsextremismus war und ist ein Beobachtungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes. Die gewonnenen Erkenntnisse haben wiederholt dafür Sorge getragen, dass Gefahren rechtzeitig erkannt und eingeschätzt werden konnten. Polizeiliche Gefahrenlagen konnten dadurch bewältigt und Straftaten verhindert werden. Durch eine offensive Präventionsarbeit wurden zudem über Jahre hinweg Zehntausende Menschen erreicht.

Unsere ganz konsequente Strategie gegen Rechtsradikalismus baut auf drei Säulen auf: der umfassenden Prävention, konsequenter Repression, null Toleranz gegen Intoleranz und Hilfen für Menschen, die den Ausstieg suchen. – Wir dürfen auch sagen, Rechtsextremisten können sich in Rheinland-Pfalz nicht etablieren. Zivilcourage, Zusammenhalt der Bevölkerung – das alles steht zusammen. Dafür sind wir dem rheinlandpfälzischen Landtag für die Unterstützung außerordentlich dankbar.

Rheinland-Pfalz ist im unteren Drittel der Belastungsrangliste aufzufinden.

Was nun die Forderungen der CDU-Fraktion an die Landesregierung anbelangt, so darf ich hier Folgendes feststellen, was Minister Lewentz auch öffentlich getan hat:

Zu Punkt 1: Verfassungsschutz und Polizei aller Länder sind intensiv damit befasst, mögliche Verbindungen der terroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ und ihrer Helfer zu ermitteln. Selbstverständlich werden und haben wir auch unverzüglich damit begonnen, anlassbezogen Akten zu überprüfen. Wir haben zahlreiche Lagen durchgeführt, selbstverständlich an den zahlreichen Telefonschaltkonferenzen von Bund und Ländern teilgenommen, eng mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem BKA, den Landesbehörden von Verfassungsschutz und Polizei kooperiert.

Zu Punkt 2: Die Lageorientierte Sonderorganisation (LOS). Selbstverständlich hat der Verfassungsschutz bereits mit einem Verbindungsbeamten unsererseits im Bundesamt für Verfassungsschutz an den Sitzungen teilgenommen. Das Bundeskriminalamt hat Länderpolizeien um persönliche Unterstützung gebeten, und die Polizei des Landes hat bereits jetzt vier Beamte entsandt.

Zu Punkt 3: Neonazispektrum. Der Verfassungsschutz hat im Verbund Maßnahmen ergriffen, um zeitnah festzustellen, wenn einzelne Rechtsextremisten ihren Aufenthalt ändern oder die Gefahr eines Abtauchens besteht.

Zu Punkt 4: Gewaltbereite Rechtsextremisten. Insbesondere die Strukturen – wir haben erfreulicherweise im Bund-Länder-Vergleich eine niedrige Zahl von gewaltbereiten Rechtsextremisten aus dem Neonazispektrum – werden fortlaufend überprüft. Das hat für den Verfas

sungsschutz in unserem Land seit jeher Priorität. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz beteiligt sich deshalb auch gerne und intensiv immer an bundesweit abgestimmten Maßnahmen.

Zu Punkt 5: Die Beteiligung der Sicherheitsbehörden des Landes und die Entwicklung neuer Zusammenarbeitsmöglichkeiten. Da sind wir dankenswerterweise eng über die ganzen Arbeitskreise der Innenministerkonferenz, aber auch darüber hinaus eingebunden. Selbstverständlich beteiligen wir uns an der Bund-LänderArbeitsgruppe.

Zu Punkt 6: Ja, wir haben in Rheinland-Pfalz auch frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um extremistische und strafrechtlich relevante Inhalte im Internet systematisch aufzuklären und – sofern es nötig war – Ermittlungen der Strafverfolgung einzuleiten.