Protokoll der Sitzung vom 08.12.2011

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Schreiner, ich bin auch stolz darauf, sagen zu können, dass wir GRÜNE die einzige politische Kraft sind, die schon immer und auf allen Ebenen gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens gekämpft hat.

(Zuruf von der CDU: Reichel!)

Herr Reichel hat auch immer gegen den Ausbau gekämpft. Da haben Sie vollkommen recht. Ich bin aber stolz darauf, dass wir zum Beispiel einen OB-Kandidaten haben, der schon gegen die Startbahn West gekämpft hat. Ihr OB-Kandidat ist vor allem dadurch aufgefallen, dass er eine stadtnahe Gesellschaft fast in die Insolvenz geführt hat.

(Vereinzelt Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Mit der Inbetriebnahme der Nordwestlandebahn am 21. Oktober hat sich die Zahl der An- und Abflüge über der Rhein-Main-Region um 50 % erhöht. Auch mit den neuen Flugrouten ist es zu einer Verlärmung der Region gekommen, durch die viele, viele Menschen um ihre Ruhe gebracht werden und die dafür gesorgt hat, dass viele, viele Menschen bei der Großdemonstration, an der wir alle teilgenommen haben, auf die Straße gegangen sind. Jetzt sind es immer wieder viele Hunderte – zuletzt Tausende – jeden Montag am Frankfurter Flughafen.

Es ist gut, dass wir im rheinland-pfälzischen Landtag die Positionen dieser Menschen unterstützen. Es ist auch gut, dass der Protest erfolgt ist und jetzt neue Bewegung in die Sache gekommen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir müssen auch konstatieren, wer die politische Verantwortung für das hat, was wir jetzt hier erleben, für die Verlärmung der Region durch die Flugbewegungen. Es ist ganz klar die schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen unter dem alten Ministerpräsidenten Robert Koch, die uns hier alle an der Nase herumgeführt hat.

(Ministerpräsident Beck: Roland!)

Roland Koch, danke.

Deswegen ist es ein Affront. So wird er auch von den Menschen hier empfunden.

Herr Schreiner hat es ja gesagt, ich komme aus der Region. Wenn die Bundeskanzlerin als erstes diesen Anflug macht und auf dieser Landebahn landet und für

die Belange der Menschen in dieser Region keinerlei Fingerspitzengefühl, Worte und Taten hat, dann kann ich nur sagen, nein, Bundeskanzlerin Angela Merkel ist seit diesem Tag nicht mehr die Kanzlerin der Menschen hier in der Rhein-Main-Region, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das war sie auch vorher nicht!)

Kollege Hering hat es ausgeführt, wir begrüßen ausdrücklich die Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs für das Nachtflugverbot Rhein-Main. Ich sage aber, was nützt eine Gerichtsentscheidung, wenn sie nicht eingehalten wird? Ich bin selbst Betroffener. Es gab seitdem keine Nacht, in der es keine Flüge gab.

Es hilft mir auch herzlich wenig, wenn die DFS jetzt die Flüge vorher schon jeden Tag ankündigt. Wir brauchen nachts Ruhe, und zwar konsequente Ruhe. Deswegen hoffen wir nicht nur auf Leipzig, sondern wir brauchen endlich bundesgesetzliche Regelungen, um ein Nachtflugverbot hier in der Region und in anderen betroffenen Regionen wirklich durchsetzen zu können, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vor dem Hintergrund begrüße ich zum einen, dass wir das Fluglärmmonitoring Rheinland-Pfalz ein Stück weit selbst in die Hand genommen haben, sowie die Aktivitäten der Umweltministerin, um auch die sozusagen gefühlte Belastung auf eine objektive Grundlage zu stellen, und zum anderen, dass der Innenminister einen erneuten Anlauf unternimmt, im Bundesrat für bessere Regelungen einzutreten.

Es ist bemerkenswert, dass sich Herr Posch aus Hessen dem offenbar anschließt. Aber ich verstehe auch die Skepsis der Bürgerinitiativen, der Bürgerinnen und Bürger in dieser Region. Sie sind von Hessen schon einmal belogen worden. Deswegen werden die Menschen hier ganz genau hinschauen, ob es Hessen jetzt ernst meint.

Ich sage auch, beim Thema des Ruhebedürfnisses und der Regelung von Fluglärm darf nicht der Langsamste das Tempo bestimmen, da müssen wir und Hessen mitziehen, damit es Mehrheiten gibt. Das hilft den Menschen dann wirklich nachhaltig. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es geht um klare gesetzliche Regelungen, was den Fluglärm betrifft. Es geht darüber hinaus darum, der Sicherung des Nachtruhebedürfnisses die zweite Priorität zu geben. Es geht auch um die Umsetzung von EURichtlinien, die Entsprechendes einfordern.

Es geht vor allem um eine bundesweit gesetzlich geregelte Nachtruhe, auch was den Fluglärm betrifft. Eine Mediationsnacht reicht uns nicht. Wir haben alle keinen

Mediationsschlaf. Die Nacht geht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr. In dieser Nacht wollen wir alle unsere Ruhe haben. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Es muss aufhören, dass die Profitinteressen Einzelner vor das Gemeinwohl gestellt werden. Zum Gemeinwohl gehört ganz elementar das Ruhebedürfnis der Menschen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Herr Staatssekretär Häfner das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Fluglärm über Rheinhessen und Mainz hat nach Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest im Oktober dieses Jahres ein Ausmaß angenommen, das von der betroffenen Bevölkerung nicht mehr akzeptiert wird.

Mainz und Rheinhessen sind dabei in besonderer Weise betroffen. Durch die neuen Anflugrouten werden zusätzliche Stadtteile von Mainz, wie etwa die südliche Oberstadt, betroffen. Der Stadtteil Weisenau liegt nunmehr zwischen zwei Einflugschneisen und wird bei OstwindWetterlagen vom Lärm der anfliegenden Maschinen sozusagen parallel und damit stereo beschallt.

Auch über Rheinhessen wird insbesondere beim südlichen Gegenanflug – das räumt inzwischen auch die DFS ein – deutlich niedriger geflogen. Auch dort ist es damit deutlich lauter geworden.

Das war der Anflug. Beim Abflug stellen die trotz des Widerstandes des Landes vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung leider genehmigten Südüberfliegungen eine weitere Belastung insbesondere für Nackenheim, Laubenheim und Weisenau dar. Diese Orte werden damit bereits jetzt beim südlichen Gegenanflug und zugleich beim Abflug und damit leider an 365 Tagen im Jahr überflogen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Sobald eine neue Navigationsanlage bei Nauheim installiert ist, werden auch die schweren Flugzeuge in niedrigerer Höhe über diese Stadtteile fliegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Belastbarkeit der Bevölkerung im Mainzer Raum und in Rheinhessen ist damit auch vor dem Hintergrund möglicher gesundheitlicher Gefährdungen schon jetzt überschritten.

Die Deutsche Flugsicherung orientiert sich bei der Gestaltung von Flugrouten, die sich, wie Sie wissen, im Übrigen in der Praxis – es gibt derzeit Messungen – schon jetzt deutlich von dem unterscheiden, was nachrichtlich im Planfeststellungsverfahren erwähnt ist – das ist auch ein Punkt für das Klageverfahren, zu dem ich gleich noch komme –, an gesetzlichen Vorgaben.

Danach ist es derzeit Aufgabe der Flugsicherung, den Flugverkehr sicher, geordnet und flüssig zu gestalten. Praktisch heißt das, dass nach der Sicherheit wirtschaftlichen Interessen Vorrang eingeräumt wird. Das ist also derzeit die Reihenfolge: Sicherheit – wirtschaftliche Interessen.

Dies wollen wir zugunsten des Lärmschutzes ändern. Ich bin allen Vorrednern sehr dankbar, dass, wie auch bei anderen Themen, was den Fluglärm anbelangt, in diesem Haus eine große Übereinstimmung herrscht.

Die Landesregierung hält es deshalb für eine Entlastung der Bevölkerung für zwingend notwendig, dass dem Lärmschutz ein neues Gewicht und damit Vorrang vor einer vollen Ausnutzung der Kapazitäten und damit den wirtschaftlichen Interessen zukommt. Das heißt im Ergebnis eine andere Reihenfolge: Sicherheit – Lärmschutz – wirtschaftliche Interessen. Das ist im Kern das Ziel der Initiative.

Um dem Lärmschutz zu mehr Geltung zu verhelfen, verfolgt die Landesregierung gesetzliche Änderungen, und zwar stufenweise. In der ersten Stufe soll erreicht werden, dass bei der Erarbeitung von Flugrouten und auch im praktischen Flugbetrieb der Fluglärm künftig ein weitaus größeres Gewicht erhält.

Es ist angesprochen worden: Auch die hessische Landesregierung hat nach den massiven und anhaltenden Protesten der Bevölkerung wohl erkannt, dass es hier Änderungen geben muss.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Nach einem Gespräch zwischen Herrn Minister Lewentz und Herrn Minister Posch hat sich das Land Hessen zu einer gemeinsamen Initiative mit dem Land RheinlandPfalz in dieser Frage bereit erklärt.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Durchgerungen!)

Fraktionsvorsitzender Hering hat darauf hingewiesen, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir begrüßen ihn ausdrücklich.

Lassen Sie mich kurz auf die Hintergründe dieser Initiative eingehen: Die Landesregierung hatte bereits im März 2011 einen ersten Gesetzesantrag in den Bundesrat zur Verbesserung des Lärmschutzes in der Nacht eingebracht. Ziel dieser Initiative ist es, bei der Festlegung von Verfahren zur Abwicklung des Luftverkehrs nach der Sicherheit dem nächtlichen Lärmschutz Priorität vor allen anderen Belangen einzuräumen. Ich habe es eben erwähnt.

Während der Antrag im Bundesrat vom Umweltausschuss und vom Gesundheitsausschuss befürwortet

wurde, hat eine Vorabstimmung im federführenden Verkehrsausschuss ergeben, dass keine Zustimmung für den rheinland-pfälzischen Antrag zu erzielen gewesen wäre. Der Antrag steht deshalb zum Wiederaufruf an.

Herr Abgeordneter Schreiner, Sie haben es angesprochen: Dass Bremen Vertagung beantragt hat, geschah im Einklang mit uns. Wir wollten durch dieses Verfahren verhindern, dass der Antrag abgelehnt wird. Es war also keine Frage A- oder B-Länder, sondern das hängt damit zusammen, dass es derzeit im Verkehrsausschuss an keiner Stelle eine Mehrheit gibt.

(Hering, SPD: Wegen der CDU-Länder!)