Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

(Beifall bei der CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deswegen ist uns das andere Drittel egal!)

Man kann nicht immer weiter die Mär der Chancengleichheit auspacken.

Das ist eine Mär, die übrigens Sie, Herr Fuhr, im vergangenen Plenum wieder einmal bemüht haben. Da haben Sie uns erzählt, in Rheinland-Pfalz hätten Sie als pädagogische Verbesserung die soziale Gerechtigkeit und die Chancengleichheit eingeführt. Ich frage Sie, wie man eine Chancengleichheit einführt.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU – Baldauf, CDU: Das ist eine gute Frage!)

Das muss man anstreben, ohne Zweifel, aber wie man es einführen kann, weiß ich nicht.

(Frau Klöckner, CDU: Aber dann wird es abge- schafft durch die Einheitsschule!)

Herr Köbler hat nun die Katze aus dem Sack gelassen. Jetzt soll sie kommen die Chancengleichheit mit der Einheitsschule. Für alle das Gleiche ist aber, mit Verlaub gesagt, nicht für alle Kinder das Beste.

(Beifall der CDU)

Da zeigt Professor Dr. Fend in seiner Studie, dass sich die soziale Schere beim längeren gemeinsamen Lernen – er bezieht sich hier auf Klasse 5 und 6 – weiter öffnet und dass der statistische Zusammenhang zwischen Herkunft und Leistung hierbei weiter ansteigt. Professor Dr. Fend sagt – ich zitiere –: Wer sechs Jahre gemeinsames Lernen propagiert, nimmt in Kauf, dass die guten Schüler nicht so viel erreichen, wie es ihren Möglichkeiten entspräche. – Er führt weiter aus: Eltern, die ihre Kinder frühzeitig auf anspruchsvollere Schulen schicken, handelten im Sinne der in den Schulgesetzen allen zugesagten optimalen Förderung also durchaus rational. –

(Zuruf der Abg. Frau Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche, was hier für die Stärksten gilt, das nehme ich auch für die Schwächsten in Anspruch. Da verweise ich zum Beispiel auf das Thema der Förderschulen, die von der Landesregierung immer weiter ausgeblutet werden sollen.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Das ist doch eine Unverschämtheit, die Sie hier verbreiten!)

Dort haben wir individuelle Förderung für die Kinder und Jugendlichen.

Jetzt haben sowohl Herr Kollege Köbler als auch Frau Kollegin Brück geäußert, der Elternwille sei ausschlaggebend. Ich lobe Sie dafür. Die Frage, die wir jetzt natür

lich an Sie stellen, lautet: Wie wollen Sie diese Eltern dann fragen? – Wie haben Sie im Übrigen die Eltern bei der Einführung der Realschule plus gefragt? Aber das ist nun Schnee von gestern.

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir brauchen dringend bessere Bildung, Frau Dickes!)

Wollen Sie eine landesweite Elternbefragung? Ich gebe Ihnen dann nur kurz zu bedenken, wenden Sie Ihren Blick einmal nach Hamburg. Da haben Sie gesehen, wie die Eltern zu einem längeren gemeinsamen Lernen, zur Einheitsschule stehen.

(Zurufe der Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, und Pörksen, SPD)

Sie waren genauso daran beteiligt. Wir haben daraus gelernt. Ich hoffe, Sie tun es auch noch.

(Beifall der CDU – Weitere Zurufe bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Kollegin Brück von der SPD-Fraktion.

(Unruhe im Hause)

Ich bitte, die Lärmkulisse etwas zurückzunehmen. Frau Brück hat das Wort, liege Kolleginnen und Kollegen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dickes, ich muss mich entschuldigen, das sagen zu müssen, aber ich fand, das war kabarettreif, was Sie hier gebracht haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Schmierentheater!)

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wo es an irgendeiner Stelle in diesem Land eine Ideologiediskussion gibt. An einer einzigen Stelle gibt es sie. Da haben Sie recht. Die führen Sie nämlich selbst. Sonst gibt es sie überhaupt nicht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist eine fadenscheinige Diskussion, die Sie hier führen. Das ist ganz fadenscheinig. Ich muss Sie vielleicht daran erinnern, was passiert, wenn man diese fadenscheinige Diskussion führt. Fast genau vor einem Jahr haben wir hier gestanden und auf Antrag der damals im Parlament vertretenen FDP-Fraktion diskutiert, die Verfassung zu ändern und das Gymnasium in der Verfassung zu verankern. Bei der Abstimmung war dann übrigens kaum einer da. Alle mussten hereingerufen werden, als es soweit war. Wo das hinführt, wenn man

versucht, eine solche Diskussion, die es in der Bevölkerung bei den Eltern überhaupt nicht gibt, mit der Brechstange zu führen, das sieht man jetzt an diesem Parlament. Die FDP ist auf jeden Fall nicht mehr drin. Vielleicht müssen wir uns insofern Gedanken und Sorgen um die Opposition in diesem Hause machen.

(Pörksen, SPD: Ich mache mir da keine Sorgen!)

Die Diskussion, die hier geführt wird, wird von den Medien, aber vor allen Dingen von der CDU-Fraktion vollkommen aufgebauscht und zugespitzt. Es ist eine Diskussion, die es vor allen Dingen bei den Betroffenen überhaupt nicht gibt. Es gibt sie nicht in den Schulen, und es gibt sie nicht bei den Eltern.

Ich empfehle Ihnen die Stellungnahmen – – –

(Bracht, CDU: Aber die GRÜNEN führen sie! – Frau Klöckner, CDU: DIE GRÜNEN – – –)

Dazu komme ich gleich, liebe Frau Kollegin Klöckner. Ich empfehle Ihnen die Stellungnahme des Landeselternbeirates zu längerem gemeinsamen Lernen. Da werden vielleicht dem einen oder anderen unter Ihnen noch erhellende Neuigkeiten und Erkenntnisse zu Ohren kommen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: Das ist denen doch völlig egal!)

Wenn Sie sagen, wir sollen die Schulen in Ruhe lassen – ich vermute, das haben Sie schon Ihrem Spezialisten, den Sie eingeladen hatten, dem Bildungsminister von Sachsen, gesagt – kann ich Ihnen zu dem, was da im Moment los ist, die Zeitungsartikel von dieser Woche empfehlen, was in Dresden im Moment los ist. Auch diese Diskussion haben wir nicht in Rheinland-Pfalz.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Frau Klöckner, CDU: Also Sachsen finden Sie schlecht als Bildungsland!)

Wir haben Ruhe an der Schulfront in Rheinland-Pfalz. Diese Ruhe ist auch begründet im Koalitionsvertrag.

(Baldauf, CDU: Deshalb!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir haben einen Koalitionsvertrag.

(Fuhr, SPD: Den werdet Ihr nie schreiben!)

Dieser Koalitionsvertrag enthält deutliche Aussagen zum längeren gemeinsamen Lernen und deutliche Aussagen zu den dafür notwendigen weiteren Schritten zur Umsetzung der Schulstrukturreform.

(Frau Klöckner, CDU: Was halten Sie denn von der Einheitsschule?)

Wir brauchen Chancengleichheit nicht erst herzustellen in diesem Land, wir haben sie längst hergestellt mit all

den Maßnahmen und Initiativen, über die wir viele Male hier in diesem Parlament gesprochen haben.

(Beifall bei der SPD)

Chancengleichheit ist Fakt in der Bildung im Land Rheinland-Pfalz. Gerade gestern haben wir einen weiteren Punkt gesetzt, die kostenfreie Schülerbeförderung.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau! – Ramsauer, SPD: Gegen den Widerstand der CDU!)

Dabei ist der Elternwille in der Tat ein wichtiger Maßstab für das weitere Handeln. Das steht auch so in unserem Koalitionsvertrag drin. In dem Koalitionsvertrag steht, wir wollen längeres gemeinsames Lernen verstärkt ermöglichen, wo es vor Ort gewünscht wird. Da kommen wir einmal zu dem Punkt, wo es vor Ort gewünscht wird. Scharenweise beantragen CDU-Verbandsbürgermeister und CDU-Landräte Integrierte Gesamtschulen und Realschulen plus. Ich denke, dass die nicht allein auf die Idee gekommen sind, sondern in ihren kommunalen Parlamenten auch darüber diskutiert haben und die allermeisten von Ihnen in diesen kommunalen Parlamenten drin sitzen und die Beschlüsse mitgetragen haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da muss ich mich wirklich fragen: Ist das alles hohles Geschwätz, oder reden Sie vor Ort anders, als Sie hier reden? – Irgendeine Diskussionsgrundlage müssen Sie dafür ja haben.