Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Lemke das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Steinbach hat gerade gesagt, er sei sehr gespannt darauf, wie die Landesregierung das umsetzt, was Sie in diesem Antrag auch fordern. Ich möchte Ihnen auch gleich sagen, wie wir das umsetzen wollen, was schon angedacht, was sozusagen schon in Arbeit ist und sich schon im letzten halben Jahr durch Eigeninitiative getan hat.

Es gab schon ein Projekt, das gemeinsam mit der Landeszentrale für Umweltaufklärung auf die Reise gebracht worden ist, um die Gründung von Energiegenossenschaften voranzubringen. Dieses Projekt hat sich im letzten Jahr so richtig entfalten können. Es wurden zehn Energiegenossenschaften gegründet, unter anderem auch, weil es ausgebildete Projektentwickler gibt, die aus dem Projekt hervorgegangen sind, die es initiieren und begleiten konnten.

Projektentwickler ist vielleicht etwas ganz Gutes im Zusammenhang mit Energiegenossenschaften, weil die Bürger es mit vielfältigen neuen Rechtsgrundlagen zu tun haben, mit denen sie sich befassen müssen. Nicht jeder Bürger ist ein Unternehmer, wird er aber Genosse, kann das ganz schnell so sein. Dann muss man sich natürlich etwas eindenken.

Das wird jetzt begleitet. In Ihrem Antrag wird zudem unter III die Landesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Verantwortlichen in den Genossenschaften einen Leitfaden zu erstellen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Das Ministerium für Wirtschaft hat eine Arbeitsgruppe mit bestehenden Energiegenossenschaften in Rheinland-Pfalz gegründet. Konkret arbeitet in dieser AG die Arbeitsgemeinschaft Bürger-Energiegenossenschaften, so der Name dieser AG. Ziele dieser Landesarbeitsgemeinschaft sind die Vernetzung der Genossenschaften, deren Interessenvertretung und die Öffentlichkeitsarbeit.

Bisher sind in der Arbeitsgemeinschaft vertreten die eegon – Eifel Energiegenossenschaft eG, die Energie

genossenschaft Kirchspiel Anhausen eG, Energiegenossenschaft der Lokalen Agenda 21 Trier eG, HunsrückSonne Kastellaun eG, pro regionale energie eG, die SolarBürgerGenossenschaft eG, die SolarRegion RengsdorferLAND eG, die Bürgergenossenschaft Rheinhessen eG, SOLIX Energie aus Bürgerhand Rheinhessen eG i.G., Südeifel Strom eG, UrStrom BürgerEnergieGenossenschaft Mainz eG, WaWiSo RheinWesterwald eG i.G. und Netzwerk „ENERGIEWENDE JETZT“ eG.

Das ist eine ganz gute Anzahl Energiegenossenschaften. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Zahl der Energiegenossenschaften noch vergrößert, genau wie das mit Ihrem Antrag und den Initiativen angeregt ist.

Bei der diesjährigen Rheinland-Pfalz-Ausstellung in Mainz und dem Rheinland-Pfalz-Tag in Ingelheim soll den Genossenschaften zudem eine Möglichkeit zur Vorstellung ihrer Aktivitäten gegeben werden. Zur Information der Bevölkerung wurden bereits die Mitarbeiter der Energieagentur zum Thema „Energiegenossenschaften“ geschult, auch in jüngster Zeit. Sie können nun Interessenten fundierte Informationen geben. Dies wird weiter ausgebaut. Eine Broschüre zum Thema ist in Vorbereitung.

Sie sehen, wir nehmen Ihre Anträge äußerst ernst. Ich bin auch sehr froh über diesen guten Gedanken.

Vielleicht noch ein Wort zu Herrn Baldauf, weil das Thema auch in Berlin bzw. in Brüssel eine große Rolle spielt. Das Drei-Säulen-Bankenmodell besitzt mit dieser Genossenschaftssäule, dieser dritten Säule, eine ganz wichtige und wesentliche Säule. Die Eigenkapitaldiskussion zu Basel III, die wir im Zusammenhang mit Sparkassen führen, haben wir auch, was die Genossenschaftsbanken betrifft, extrem im Sinn. Deswegen ist die Initiative der UN im Jahr der Genossenschaft eine ganz wichtige, damit wir diese dritte Säule auch erhalten und sie uns nicht kaputtgeht.

Ich denke, da ziehen wir alle am selben Ende des Seiles.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag – Drucksache 16/829 –. Wer dem Antrag zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen! – Vielen Dank. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zu Punkt 16 der Tagesordnung:

Heimerziehung 50er und 60er Jahre: Leid und Unrecht anerkennen und den Opfern helfen Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/799 –

dazu: Zeitnahe Umsetzung der Empfehlungen des „Runden Tisches Heimerziehung 50er und 60er Jahre“ in Rheinland-Pfalz Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/824 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Bröskamp das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Zuallererst möchte ich ein Zitat aus dem Buch „Schläge im Namen des Herrn“ aus dem Jahr 2006 vorlesen:

„Vor einiger Zeit habe ich einen Film gesehen, der von ehemaligen Heimkindern handelte. Ein Mann sagte zu seiner Schwester, ‚Weine nicht, es ist ja vorbei…‘ Es war ein liebevoller Trost, aber leider wird es nie vorbei sein. Elke Meister, von 1960 bis 1964 bei den ‚Barmherzigen Schwestern‘ im Vincenzheim, Dortmund.“

Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft, das die Wahrung der Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, ein Recht auf körperliche Unversehrtheit garantiert, die weder durch Freiheitsberaubung noch durch Nötigung oder Körperverletzung verletzt werden darf. Es verbietet Zwangsarbeit, gibt uns ein Recht auf freie Berufswahl und das Recht auf Religionsfreiheit.

Eltern darf nicht ohne ausreichende Begründung das Kind weggenommen werden. Darüber, dass das Kindeswohl nicht gefährdet wird, hat die staatliche Gemeinschaft zu wachen.

Der Abschlussbericht des „Runden Tisches Heimerziehung“ kommt aber zu dem Ergebnis, dass bis in die 70er-Jahre sehr vielen Kindern und Jugendlichen diese elementaren Grundrechte verwehrt gewesen sind, wenn sie in einem Heim in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen sind. Das waren zwischen 1945 und 1975 immerhin 700.000 bis 800.000 junge Menschen, in Rheinland-Pfalz zwischen 35.000 und 40.000.

Ich möchte des Weiteren noch ein Zitat aus dem Vorwort dieses Buches hinzufügen. Ich habe mich selbst in meinem Hauptstudium Pädagogik seit der Veröffentlichung des Buches damit beschäftigt. Ich war damals über die Berichterstattung schon sehr geschockt. Seitdem hat mich dieses Problem nicht wirklich losgelassen. Deswegen war es mir heute ganz besonders wichtig, dazu zu sprechen.

Ich zitiere aus dem Vorwort:

„Wer in die Heime kam, war selten ein Waisenkind oder Krimineller. Es waren meist nichtige Gründe, die sie zur Einweisung in die Erziehungsanstalten führten – Gründe, die ein gesellschaftliches Kartell bestimmte, zu dem Jugendbehörden, Gerichte, Lehrer, Nachbarn, Eltern und vor allem die damals noch einflussreichen Kirchen gehörten.

Sie legten fest, was gut und böse war, wer brav und wer ungezogen war und ab wann ein Mädchen als ‚sexuell verwahrlost‘ zu gelten hatte. Sie verkündeten als eine Art Naturgesetz, dass die uneheliche Geburt eine Schande sei.

‚Wenn du nicht brav bist, kommst du ins Heim!‘ Diese Drohbotschaft bekamen damals Millionen junge Menschen zu hören. Am Ende wurden einige Hundertausend Kinder und Jugendliche tatsächlich hinter den Mauern der staatlichen und kirchlichen Erziehungsanstalten zu dramatischen Verlierern des deutschen Wirtschaftswunders. Für sie fiel eine schwere Tür ins Schloss, hinter der sie die ganz anderen, die dunklen fünfziger Jahre erlebten.“

Heute stellen wir uns diesen Ungeheuerlichkeiten und erkennen an, dass Kinder und Jugendliche auch in Rheinland-Pfalz in Heimen missachtet, misshandelt, missbraucht und ausgebeutet wurden. Sie waren schutzlos der Willkür ausgeliefert. Es waren inakzeptable Menschenrechtsverletzungen. Heute können wir nur noch dafür sorgen, dass innerhalb unserer Möglichkeiten alles getan wird, um Folgeschäden zumindest abzumildern und den Betroffenen unterstützend und helfend zur Seite zu stehen, damit die Vergangenheit persönlich aufgearbeitet werden kann und eine Erinnerungskultur erarbeitet wird, die hilft, so ein Unrecht nie wieder entstehen zu lassen.

Außerdem sind wir gefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche, die der Jugendhilfe anvertraut sind, sich in Zukunft nie wieder entrechtet und ausgeliefert fühlen werden. Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, dass heute die Bedingungen der Kinder- und Jugendhilfe deutlich besser sind als damals. Insbesondere vor dem Hintergrund der schrecklichen Vergangenheit ist eine kritische Auseinandersetzung und weitere Entwicklung heute dringend geboten.

Die Vorschläge zur Prävention und Zukunftsgestaltung, die im Abschlussbericht des „Runden Tisches Heimerziehung“ hierzu genannt werden, sind eine gute Grundlage dazu. Die ehemaligen Heimkinder bitte ich, das Hilfsangebot anzunehmen und den weiteren Weg gemeinsam zu gehen. Die Kritik ehemaliger Heimkinder an dem Fonds ist mir bekannt, und ich nehme sie persönlich auch sehr ernst. Es ist mir wichtig, dies zu betonen.

Wir möchten – das haben wir so beschlossen – diesen Antrag gern an den zuständigen Ausschuss zur weiteren Beratung überweisen, und wir möchten darüber hinaus vorschlagen, dazu eine Anhörung durchzuführen. Das Thema ist für uns alle viel zu wichtig, und deswegen beantragen wir die Ausschussüberweisung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Kollegin Huth-Haage das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen durch die Diskussion in den vergangenen Monaten und Jahren über die schlimmen Schicksale und das große Leiden von ehemaligen Heimkindern. Auch durch die Beratung und Veröffentlichung der Ergebnisse des „Runden Tisches Heimerziehung“ ist es einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Wir wissen, dass an Kindern, die insbesondere in der Zeit von 1949 bis 1975 in Heimen untergebracht wurden, großes Unrecht begangen wurde. Viele dieser ehemaligen Heimkinder sind bis heute traumatisiert, und viele sind fürs Leben gezeichnet. Wir müssen als Landespolitiker die Verantwortung dafür übernehmen.

Meine Damen und Herren, es gab damals auch Verhaltensweisen, die wir heute selbstverständlich missbilligen würden, die aber damals in Heimen, in Schulen, aber auch in Familien pädagogische Praxis waren, und – meine Damen und Herren, auch das gehört zu einem differenzierten Bild dazu – es gab auch Erziehungsheime, in denen Kinder und Jugendliche fürsorglich und umsichtig erzogen und versorgt wurden. Ich glaube, es ist auch wichtig zu sagen, dass man nicht alle Heime und auch nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine Ecke stellen sollte. Dies gehört auch zu einer differenzierten Aufarbeitung dazu.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, mit all diesen schwierigen Themenfeldern hat sich der „Runde Tisch Heimerziehung“ befasst, und ich glaube, die Kollegen in Berlin haben eine gute Arbeit geleistet. Es ist intensiv beraten worden, und es gab in Berlin auch mehrere Anhörungen. Ich glaube, dort ist fraktionsübergreifend gut zusammengearbeitet worden.

Es war allen klar, dass man die betroffenen Menschen finanziell entschädigen muss, und es ging um die Frage, wie man dies tun kann: Es stand die pauschale Entschädigung im Raum – dies wäre sicherlich schwierig gewesen; denn allein die Anwesenheit in einem Heim hätte dann schon einen Rechtsanspruch begründet und wäre einem Unrecht gleichgekommen –, und es stand eine individuelle Entschädigung im Raum, wobei es aber sicherlich schwierig ist, über so viele Jahre hinweg Ereignisse und Geschehnisse zu rekonstruieren. Daher glaube ich, man hat eine gute Lösung gefunden. Man will dazu kommen zu versuchen, bei denjenigen die Folgen zumindest finanziell wiedergutzumachen, bei denen sie noch heute erkennbar sind. Für diese Menschen ist ein Fonds aufgelegt worden in Höhe von

120 Millionen Euro für rehabilitative Maßnahmen, aber auch für die Kompensation bei Rentenkürzungen durch eine nur eingeschränkte Berufstätigkeit.

Aber ganz wichtig ist auch, es geht um die Prävention, und es geht um die aktuelle Heimerziehung. Frau Ministerin, Sie haben einen Vorschlag gemacht, was den Beirat angeht, dem auch wir sehr positiv gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren, wir haben einen eigenen Antrag eingebracht, da uns ein Aspekt besonders wichtig war, auf den wir einen Fokus legen wollten und der uns bei Ihnen ein wenig zu kurz kam. Uns ist wichtig, dass wir eine zeitnahe Umsetzung hinbekommen; denn die Menschen, denen Unrecht widerfahren ist und die so gelitten haben, haben auch ein Recht darauf, dass die Entschädigung zügig gezahlt wird. Frau Ministerin, wir müssen klar sagen, andere Bundesländer sind in diesem Bereich schon weiter. Da waren andere Bundesländer schneller. Deshalb unterstützen wir selbstverständlich die Anhörung, aber wir müssen auch auf die Zeit schauen, damit die Menschen nicht noch länger warten müssen.

Ansonsten freuen wir uns auf konstruktive Beratungen im Ausschuss.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Sahler-Fesel das Wort.