Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

(Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, es ist angemessen, dass wir diese Schweigeminute eingelegt haben und ganz Deutschland der Opfer dieser rechtsterroristischen Taten gedenkt. Es ist auch in einer solchen, manchmal emotional geführten Haushaltsdebatte richtig und wichtig, dass wir das hier auch tun.

Es ist unsere Aufgabe, und zwar die von uns allen, ob wir in der Regierung oder in der Opposition Verantwortung tragen, dass wir gemeinsam für eine Gesellschaft streiten, die heute, morgen und in ferner Zukunft noch so aufgestellt ist, dass sozialer Friede und sozialer Aufstieg möglich sind, gesellschaftlicher Zusammenhalt stabilisiert wird und sich nicht das wiederholt, was wir mitten in Deutschland in der Mitte des letzten Jahrhunderts erleben mussten.

Das bedeutet auch, dass wir als Staat, als Politik insgesamt, handlungsfähig bleiben müssen, auch wenn es manchmal schwierig ist und es manchmal in der Öffentlichkeit heißt: Alle Politiker sind so, und alle sind gleich. Aber egal, ob wir GRÜNE, Rote oder Schwarze die Verantwortung tragen, wir tun es, weil wir Demokraten und Demokratinnen sind und mit unterschiedlichem Blickwinkel das Beste für die Menschen, für die wir verantwortlich sind, wollen. Dazu gehört es, Verantwortung für den Haushalt und für die Finanzen zu tragen, um die Gestaltungsspielräume für künftige Generationen zu erhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was wir heute und morgen debattieren und morgen verabschieden werden, ist der erste rheinland-pfälzische Haushalt, an dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Regierungsverantwortung mitgewirkt haben. Ich sage das aus voller Überzeugung: Dieser Haushalt ist ein großer Erfolg. Dafür danke ich der Landesregierung, dem Koalitionspartner und meinen Kolleginnen und Kollegen aus der GRÜNEN-Fraktion für gute, offene und transparente Haushaltsberatungen mit den richtigen Schwerpunkten und guten Ergebnissen.

Nachhaltig konsolidieren und die richtigen Schwerpunkte setzen, das sind die Maßstäbe, an denen wir uns orientiert haben. Diese Maßstäbe haben wir – das kann ich

voller Überzeugung sagen – sehr gut erfüllt. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir sind angetreten, weil wir nicht nur die Verantwortung für vier Millionen Rheinland-Pfälzerinnen und RheinlandPfälzer, sondern auch für kommende Generationen übernommen haben und übernehmen wollen. Wir sind einen großen Schritt nach vorne gegangen. Der Haushalt bewegt sich eindeutig innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen Grenzen, und wir halten beide Schuldenregeln ein. Das ist schon einmal eine gute Nachricht an sich.

Wir sind einen großen Schritt auf dem Weg vorangekommen, die Neuverschuldung allerspätestens bis zum Jahr 2020 auf null zurückzuführen. Frau Klöckner, die harten Zahlen, die Sie herbeizuzitieren versucht haben, die Sie aber, wenn man einmal nachgerechnet hat, nicht immer ganz richtig verstanden haben, sprechen für sich: Wir haben es geschafft, das Defizit im Haushaltsentwurf für 2012/2013 gegenüber dem Ergebnis von 2011 um über eine dreiviertel Milliarde Euro zu verbessern. Das ist die Realität, das ist ein Erfolg an sich, und das ist die Wahrheit; denn das sind die konkreten Zahlen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Eine verantwortliche Politik bedeutet, auf der einen Seite die Konsolidierung mit Verstand voranzubringen und auf der anderen Seite die richtigen politischen Schwerpunkte für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu setzen. Dies tun wir, und zwar mit einer gerechten und besseren Bildung, einer ökologischen Modernisierung und der gesellschaftlichen Vielfalt. Wir sparen eben nicht an den Kommunen, nicht bei den Schwächeren in unserer Gesellschaft und auch nicht bei den Familien. Das unterscheidet uns von Ihren Vorschlägen, meine Damen und Herren von der CDU.

Dieser erste rot-grüne Haushalt ist nachhaltig, er ist gerecht, aber er ist auch ehrlich. Er ist der sozialökologische Wandel in Zahlen ausgedrückt, und wir als Koalition sind stolz darauf. Der sozialökologische Wandel in Rheinland-Pfalz hat längst begonnen. Wir arbeiten solide und hart an der Zukunft unseres Landes.

Rot-Grün in Rheinland-Pfalz ist ein Erfolgsmodell, und dies wird auch in diesem Haushalt deutlich. Wir sind die Alternative zum schwarz-gelben Dilettantismus in Berlin mit unverantwortlichen Steuergeschenken für Reiche und ansonsten purem Stillstand. Wir wollen die Blaupause sein für unser gemeinsames Ziel, nämlich die Ablösung von Schwarz-Gelb im Jahr 2013 und den überfälligen Machtwechsel im Bund, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir stehen für die Zukunft dieses Landes, und das wird auch in diesem Haushalt deutlich.

Liebe Frau Klöckner, bei Ihnen habe ich mich an die Zeit König Ludwigs II. zurückerinnert gefühlt. Als Sie Zahlen und Zitate aus dem Jahr 2000 gebracht haben, habe ich gedacht: Mein Gott! Wir leben doch im Hier und Jetzt und nicht in der Vergangenheit. Damals waren wir doch beide noch in der Pubertät.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD – Frau Klöckner, CDU: Danke schön, danke schön! Aber leider mussten wir das Geld bezahlen von damals!)

Ich würde mich an Ihrer Stelle dem auch hier und heute verschließen, wenn ich heute Morgen die Zeitung aufschlage und sehe, wie der Kandidat von der CDU bei der Umfrage zur Wahl des Mainzer Oberbürgermeisters abschneidet: 17 %.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Menschen wollen Zukunftskonzepte und nicht die Lethargie von gestern und von vorgestern, Frau Klöckner. Wir stehen für einen neuen Politikstil. Wir sind nicht nur „nah bei de Leut“, wir hören ihnen auch zu und nehmen ihre Sorgen und Meinungen ernst. Wir haben Dutzende Gespräche geführt, von der Einbringung des Haushalts durch die Regierung bis heute zur Debatte und morgen zur Verabschiedung des Haushalts. Wir haben Hunderte von Briefen und E-Mails erhalten, wir haben uns die Argumente daraus angehört und haben auch vieles erklären müssen – das muss man tun, wenn man konsolidiert –, aber wir haben uns auch guten Argumenten offen gezeigt. Dies zeigt auch die große Zahl von 183 Änderungsanträgen zum Haushalt durch die rotgrüne Koalition sowie die knapp 40 Entschließungsanträge. Ich meine, sehr selbstbewusst sagen zu können, wir als Parlament mit der rot-grünen Mehrheit haben den schon sehr guten Haushaltsentwurf der Landesregierung noch ein wenig besser gemacht, und auch das ist eine gute Nachricht am heutigen Tag, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir stellen uns dem Diskurs und sind nicht wie Sie nur überall dagegen. Sie sind gegen die Kommunalreform, gegen die Reform der Katasterämter, gegen die Polizeireform. Sie sind manchmal gegen die Windkraft, einmal für und einmal gegen die Atomkraft, Sie sind gegen die Einsparung bei der Feuerwehr, Sie sind gegen Einsparungen insgesamt, aber auch gegen Mehrausgaben, Sie sind gegen eine höhere Verschuldung und wollen mehr sparen, aber Sie sind auch dagegen, eigene Vorschläge zu präsentieren.

Nein, man muss sich der Diskussion, man muss sich dem Diskurs offen stellen und die Argumente austauschen. Nur so schafft man wieder Lust auf Demokratie in unserem Land, nur so schafft man auch Transparenz, und nur so – darin bin ich mir sicher – schafft man Verständnis für einen manchmal schwierigen Weg der Haushaltskonsolidierung. In diesem Land sind immer mehr Menschen bereit, einen solchen nachhaltigen Kurs

mitzutragen; denn sie wollen ihren Kindern und Kindeskindern keine griechischen Verhältnisse hinterlassen. Die Menschen in diesem Land sind schon viel weiter, als Sie denken, liebe Frau Klöckner und meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Zukunftsprojekt dieser Landesregierung ist die Energiewende. Wir werden Rheinland-Pfalz fit machen für neue Energien. Erforderlich dafür ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV ist mittlerweile auf den Weg gebracht, und wir werden morgen noch darüber sprechen.

Unsere Ziele sind ambitioniert: 100 % erneuerbare Energien im Strombereich bis 2030. – Aber diese Ziele sind realistisch, sie sind nicht utopisch. Wir haben erkannt, dass wir jetzt umsteuern müssen; denn jetzt ist die richtige Gelegenheit dafür, und jetzt haben wir die Akzeptanz in der Bevölkerung. Deswegen werden wir massiv und vordringlich den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen. Es ist auch eine Lehre aus Fukushima: Es reicht nicht aus, nur den Atomausstieg zu verkünden, nein, wir müssen auch konsequent in die Energiewende einsteigen, auch wenn es einmal weh tut. Dies unterscheidet Rot-Grün fundamental von Schwarz-Gelb in Berlin, die sich nur gegenseitig blockieren, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist eine Impulswirkung für unsere Wirtschaft, für die Kommunen, für die Unternehmen sowie für die Handwerkerinnen und Handwerker. Sie wissen, dass es nicht reicht, nur die erneuerbaren Energien auszubauen, sondern es geht auch darum, die Netze zu erweitern und die Speicherkapazitäten entsprechend auszubauen, und dazu muss in die entsprechende Forschung investiert werden. Wir haben als Koalition mit einem Änderungsantrag deutlich gemacht, es muss vordringlich auch in die entsprechende Energieberatung und Energieeffizienz investiert werden. Hierfür können wir einen siebenstelligen Betrag zur Verfügung stellen; denn wir wissen, die beste Energie, der günstigste Strom ist der Strom, der überhaupt nicht verbraucht wird, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

So ist die ökologische Modernisierung unseres Landes auch die Wirtschaftspolitik von morgen; denn sie löst Innovationen aus. Sie schafft neue und sichert bestehende Arbeitsplätze, die zukunftsfähig sind. Ökologische Modernisierung und Bildung gehören dabei zusammen, und deshalb haben wir als Koalitionsfraktionen auch die entsprechende überbetriebliche Aus- und Weiterbildung bei den Handwerkskammern mit einem sechsstelligen Betrag gesichert. Wir wissen, wir brauchen die Fachkräfte für die ökologische Modernisierung unserer Wirtschaft und für die Wertschöpfung der Zukunft in RheinlandPfalz. Das ist eine gute Botschaft für die Arbeitsplätze

und für die Wirtschaft in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Zukunftsfaktor Nummer 1 ist die Bildung. Frau Klöckner, dass die Ökologie und die Bildung zusammengehören, wird deutlich bei dem Thema „kostenfreie Schülerbeförderung“, das Sie heute mit so viel Polemik abgekanzelt haben. Wenn bisher die Schülerbeförderung in die Realschule plus kostenfrei war, und wenn nun – wie in den beiden Wahlprogrammen von SPD wie auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angekündigt – eine kostenlose Schülerbeförderung für alle Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden soll, ist dies ein Beitrag für eine gerechtere Familienpolitik, weil damit die Familien entlastet werden.

Es ist aber auch ein Anreiz zu einer ökologischen Mobilitätswahl; denn damit wird doch gerade der Bus und die Bahn finanziert und eben nicht der Mercedes 500, mit dem die Eltern ihr Kind bis vor die Realschule oder vor das Gymnasium fahren. Das ist eine Lenkungswirkung und ein gutes Signal gerade für die ländlichen Regionen in Rheinland-Pfalz. Eine kostenfreie Teilhabe an der Bildung beinhaltet auch, dass es nicht an den Kosten für den Verkehrsweg scheitern kann, ob ein Kind die Schule A oder die Schule B besucht. So bringen wir ökologische Vernunft und soziale Gerechtigkeit zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe der Abg. Frau Klöckner und Frau Kohnle-Gros, CDU)

Weil Bildung und Kinder unsere Zukunft sind, setzen wir weiterhin auf ein qualitativ hohes Niveau beim Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen und von Krippenplätzen. Wir optimieren da, wo es Optimierungsbedarf gibt, im Sinne von Familien, gerade auch im Sinne von Alleinerziehenden, meistens Frauen mit Kindern. Deswegen werden wir das Kita Plus-Programm auf den Weg bringen, indem wir Kitas zu Familienzentren mit sozialpädagogischer Kompetenz ausbauen werden, und zwar gerade dort, wo das soziale Umfeld vielleicht etwas schwieriger als anderswo ist.

Das ist auch ein gutes Beispiel gerechter und zielgenauer Haushaltspolitik. Nicht der Rasenmäher oder die Gießkanne sind die Instrumente der Wahl, sondern der gezielte Einsatz von Mitteln für die sozial Schwachen, für die Kinder und für die Familien. So geht Gerechtigkeit auch im Haushalt, meine Damen und Herren!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir werden in Zukunft so viele Lehrerinnen und Lehrer – gemessen an der Schülerzahl – haben wie noch nie zuvor in Rheinland-Pfalz. Auch das ist die ehrliche Botschaft, wenn wir über Bildungspolitik sprechen.

Natürlich werden wir einen Teil der sogenannten demografischen Rendite auch zur Konsolidierung bei den

Lehrerinnen und Lehrern mit einstellen. Das haben wir aber ehrlich gesagt, und diesen Weg gehen wir. Wir werden trotzdem die Klassenmesszahlen absenken können und so mehr Bildungsqualität garantieren, auch in Zeiten knapper Kassen. Das fällt nicht schwer. Aber das ist es uns wert, und das sollten Sie auch einmal anerkennen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ja, wir haben auch ein zentrales Wahlversprechen in Sachen Gebührenfreiheit erfüllt. Wenn man Gebührenfreiheit ernst meint, dann gilt es vom Kindergarten bis zum Abschluss in der Hochschule. Dann sollten wir gerade in Zeiten, in denen andere Länder die Studiengebühren wieder abgeschafft haben – Frau Klöckner, ich weiß gar nicht, wie Ihre Position heute zu Studiengebühren ist, sie ist wahrscheinlich jeden Tag ein bisschen anders –, das zentrale Versprechen umsetzen, was wir getan haben. Es ist nicht mehr notwendig. Wir haben die Hochschulen anderweitig gut ausgestattet. Wir brauchen auch diejenigen, die neben dem Studium noch arbeiten, vielleicht auch diejenigen, die vielleicht etwas länger brauchen.

Wir brauchen gut ausgebildete Menschen in unserem Land. Das ist auch eine Frage von Bildungsgerechtigkeit und von ökonomischer Zukunftsfähigkeit. Deswegen haben wir die Gebührenfreiheit an den Hochschulen erweitert und die Studienkonten abgeschafft, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gute Haushaltspolitik ist das, was wir anzubieten haben, außerdem ehrliche Arbeit. Eine gute Haushaltspolitik ist kein Selbstzweck. Denn nur, wer die Haushaltspolitik ernst nimmt – das vermisse ich bei den Kolleginnen und Kollegen bei der CDU, deswegen ist Frau Klöckner jetzt schon wieder nicht im Saal –,

(Frau Klöckner, CDU: Herr Köbler, gucken Sie doch einmal!)

kann eine vernünftige Grundlage schaffen, den Spielraum für politische Investitionen für die Zukunft auch zu schaffen und zu erhalten.