Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

Herr Ministerpräsident, Sie sagten eben, wenn die Landkreise noch dazugekommen wären, dann hätte es ein Chaos gegeben. Ich sage ganz klar, das Chaos haben wir auch jetzt schon, und zwar nicht nur an den wenigen Stellen, die hier schon zitiert wurden, sondern an ganz vielen Stellen im Land. Das Schlimme bei der Geschichte ist, da werden auch Menschen gegeneinander ausgespielt. Ich sage, speziell mit dem Stichwort „Bürgerbeteiligung“ stellen wir hier fest, dass man einfach an Grenzen stößt. Den Versuch, wie man das Ganze politisch ausspielen möchte, haben wir eben leider auch erlebt. Herr Köbler, Sie haben die drei Hunsrückdörfer im Landkreis Cochem-Zell angesprochen und gefragt: Wie ging man denn mit denen um?

Ich sage Ihnen, dass es auch einen Brief des Innenministers gibt. Ich zitiere sehr gern. Darin steht: „Zum gegenwärtigen Stand gehe ich davon aus, dass die Belange des Landkreises Cochem-Zell gegen eine solche Umgliederung sprechen und bei einer Abwägung höher als die von den Ortsgemeinden angeführten Aspekte zu gewichten sind“. – Das ist eine Aussage des Innenministers. Diese muss man auch als klare Aussage betrachten.

Deshalb sage ich ganz ehrlich, dass dies nichts anderes als der Versuch ist, die Menschen gegeneinander auszuspielen. Das geht nicht. Wenn wir eine solche Reform ernsthaft machen wollen, und zwar mit den und für die Bürgerinnen und Bürgern, muss man so etwas gemeinsam angehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Papperlapapp!)

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Nein.

Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/1046 – ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Die Gegenprobe! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wer dem Alternativantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1081 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Die Gegenprobe! – Danke. Stimmenthaltun- gen? – Der Alternativantrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Bahnlärm im Mittelrheintal Entlastungsmaßnahmen prüfen – Alternativ- trasse planen Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1082 –

Der Antrag ersetzt den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1052 –.

Für die SPD erteile ich der Frau Kollegin Schmitt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, dass der Lärm nicht nur die Lebensqualität verschlechtert, sondern auch krank macht. Darunter leiden nicht nur Tausende von Menschen im Rhein-Main-Gebiet, weil sie von unerträglichem Fluglärm betroffen sind, sondern auch die Menschen im Mittelrheintal. Sie sind dort Tag und Nacht extremen Lärmpegeln durch Bahnlärm ausgesetzt, der vor allem durch den Güterverkehr verursacht wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser hat in den letzten Jahren massiv zugenommen und wird es auch weiter tun, weil eine der großen europäischen Bahntrassen von der Nordsee bis nach Italien genau dort entlangläuft und sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren so entwickeln wird, dass mehr Verkehr auch auf die Schiene gelegt werden soll. Von daher wird es eine absehbare weitere Zunahme geben.

Da das Maß dort längst schon voll ist, wehren sich immer mehr Menschen völlig zu Recht gegen diesen Lärmterror.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass heute Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiative im Mittelrheintal an der Sitzung teilnehmen. Ich begrüße Herrn Willi Pusch mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern.

(Beifall im Hause)

Herr Pusch, ich darf mich ganz herzlich im Namen der SPD-Fraktion bei Ihnen für die Anregungen bedanken, die Sie uns für den Antrag mit auf den Weg gegeben haben. Diese sind heute hier eingeflossen. Sie haben zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgeschlagen, auf die ich gleich noch zu sprechen komme.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es in den letzten Jahren durch das Engagement der Landesregierung und auch des Parlaments – wir haben bisher vieles gemeinsam getragen – deutliche Verbesserungen gegeben hat, müssen wir trotzdem dringend

handeln. Wir brauchen ein Bündel von kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen, damit sich die Lebenssituation der Menschen verbessert.

Natürlich geht es um die touristische und wirtschaftliche Entwicklung im Mittelrheintal. Das ist im Moment äußerst schwierig und wird behindert. Auch das muss sich ändern.

Oberstes Ziel unserer Bemühungen ist und bleibt gerade aus Kapazitätsgründen der Bau einer Alternativstrecke für den Güterverkehr, weil die jetzige Strecke, egal welche Lösungen wir uns einfallen lassen, die zunehmenden Verkehre nicht weiter aufnehmen kann. Irgendwann haben wir einen Stau durch das komplette Mittelrheintal. Das kann keine Lösung sein.

Deshalb fordern wir gemeinsam – ich bin froh – den Bund auf, schnellstmöglich alle notwendigen Schritte einzuleiten, damit diese Alternativstrecke in den nächsten Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird. Wir können im Interesse der Menschen keine weiteren Verzögerungen dulden. Ohnehin braucht das ganze Projekt noch einige Jahre, bis es umgesetzt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bis dahin brauchen wir Maßnahmen, die sofort greifen. Ich will stichwortartig nur wenige nennen. Ich hatte eben schon die Reduzierung der Geschwindigkeit angesprochen. Wir brauchen aber auch einen Maßnahmenplan gegen Erschütterungen. Auch das ist ein Thema. Wir brauchen die Prüfung alternativer Routen sozusagen als Umleitung für einen Teil des Verkehrs, aber vor allem ein effektives Umrüstprogramm für Güterwagen mit einem lärmabhängigen Trassenpreissystem, das auch tatsächlich funktioniert.

Ich sage Ihnen, das, was der Bund bisher im Alleingang gemacht hat, greift so nicht, weil die Technik noch gar nicht vorhanden ist. Ich glaube, von daher wäre der Bund gut beraten, wenn er die Vorschläge von Rheinland-Pfalz aufgreifen würde, die wir über den Bundesrat gemacht haben und jetzt noch einmal mit der IlgmannStudie untermauert haben.

Ich darf, auch wenn er nicht da ist, dem Kollegen Bracht noch einmal mit auf den Weg geben, dass sich das Geld, das Rheinland-Pfalz dafür ausgegeben hat, aus unserer Sicht durchaus gelohnt hat.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass wir uns heute mit einem gemeinsamen Antrag zusammengefunden haben. Die CDU hat gestern den von uns erarbeiteten Antrag mit wenigen kleinen Veränderungen mitgetragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das freut mich, weil ich auch auf Sie setze, dass Sie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz im Bund mit vertreten. Hier haben wir es nicht leicht. Ich denke, das wäre ein guter Zug.

Herr Kollege Dötsch, ich erlebe jetzt zum fünften Mal die Absetzung der Lärmproblematik und auch unserer An

träge von der Fachberatung im zuständigen Ausschuss. Das kann nicht sein. Es wäre schön, wenn Sie mitwirken würden, dass das endlich adäquat auf die Tagesordnung gesetzt wird. Im Übrigen bedanke ich mich für Ihr Interesse. Den zweiten Part übernimmt zu gegebener Zeit Herr Kollege Michael Hüttner.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dötsch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bahnlärm ist zu einer Geißel geworden, unter der die Menschen im Rheintal und auch im Moseltal in Rheinland-Pfalz in besonderer Weise und wesentlich mehr als in anderen Regionen Deutschlands leiden. Der Bahnlärm im Rhein- und Moseltal schadet der Gesundheit der Menschen, weil dieser Lärm dort sehr intensiv ist. Er mindert den Wohnwert und die Lebensqualität in einem, wie ich denke, unerträglichen Maß.

Deshalb war und ist es ein gutes und starkes Zeichen, dass wir uns in diesem Landtag darin einig sind und auch in der Vergangenheit einig waren, den Menschen in diesen Tälern zu helfen, dass der Bahnlärm nicht weiter zunehmen darf. Es muss alles getan werden, damit der Bahnlärm abnimmt. Es ist gut, dass bei diesem für die Menschen in Rheinland-Pfalz so wichtigen Thema auch in den vergangenen sechs Jahren alle in diesem Haus stattgefundenen Abstimmungen einstimmig waren und die gestellten Anträge einstimmig auf den Weg gebracht wurden, egal von welcher Fraktion diese Anträge kamen und initiiert worden sind.

Es ging immer darum, eine möglichst starke politische Komponente in die Diskussion mit den Bürgerinitiativen und mit den Menschen aus der Region einzubringen, die sich auch für die Dinge einsetzen. Dadurch ist es uns gemeinsam gelungen, dieses Thema ebenfalls in Berlin auf die Tagesordnung zu bringen. Dies ist auch beim heutigen Antrag der Fall, in dem natürlich viele Dinge, die in der Vergangenheit bereits diskutiert worden sind, wiederholt werden, aber dies ist gut, wichtig und richtig so.

Eine Reihe von notwendigen Maßnahmen, die seitens der CDU bereits seit Langem gefordert wurden, hat dieses Haus zusammen mit den politisch berechtigten Forderungen der Menschen und der Bürgerinitiativen in Berlin auf die Tagesordnung gebracht. Dies habe ich bereits zuvor betont. Trotz allem, was noch zu tun ist, haben wir auch Erfolge erzielt, auf die man meiner Meinung nach bewusst hinweisen kann.

Seit 2009 wurden verschiedene Schallschutz- und Schallvermeidungsmaßnahmen im Mittelrheintal eingerichtet und umgesetzt. 13 innovative Technologien wur

den im Rahmen des Konjunkturprogramms II bundesweit im Rahmen von 88 Einzelprojekten auf ihre Praxistauglichkeit hin getestet. Wenn sich innovative Ideen im Test bewähren, können sie auch im Mittelrheintal eingesetzt werden und zu einer Verbesserung der Situation führen.

Am 9. Dezember 2012 soll das lärmabhängige Trassenpreissystem eingeführt werden. Die Vorbereitungen dazu sind in vollem Gange. Man liegt auf der Bundesebene im Zeitplan. Noch in der ersten Hälfte dieses Jahres beginnt die Umrüstung von Bestandfahrzeugen für den Güterverkehr mit sogenannten Flüsterbremsen.

Trotz dieser zum Teil positiven Signale ist es richtig, heute die Forderungen noch einmal zu formulieren und ihnen entsprechenden Nachdruck zu verleihen.

Frau Schmitt, es gehört aus meiner Sicht zur Ehrlichkeit und Redlichkeit auch gegenüber den Menschen im Mittelrheintal hinzu, dass wir keine falschen Hoffnungen wecken. Deshalb will ich deutlich sagen, dass es nach dem jetzigen Kenntnisstand schwierig sein wird, eine Tempobeschränkung aus Lärmschutzgründen anzuordnen.

Die Verkehrsunternehmen haben einen Anspruch auf diskriminierungsfreie Bereitstellung der Infrastruktur. In diesem Bereich ist die Situation anders als im Straßenverkehr. Deshalb sind die Politiker in Berlin gefordert, nach Wegen zu suchen, um eine solche Maßnahme umsetzen zu können.

An diesem Punkt wird aber noch ein anderes Kernproblem des Gütertransports deutlich. Wenn es möglich wäre, die Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren, bedeutet dies, dass wir eine Reduzierung der Güterzüge insgesamt in diesem Tal und damit auch eine Reduzierung der Transportkapazitäten hätten.

(Frau Schmitt, SPD: Das ist gewollt!)

Derzeit haben wir dazu keine Alternative auf der Schiene. Das bedeutet, dass automatisch dieses Gütervolumen auf die Straße umgelenkt und dort transportiert werden müsste. Hier haben wir es mit zwei gegenläufige Zielen zu tun. Wir wollen einerseits den Gütertransport auf der Schiene, aber wir wollen andererseits natürlich auch den Schutz der Anwohner in den Flusstälern. Gerade deswegen und nicht nur deswegen brauchen wir dringend die Ausweichstrecke.

Wir müssen nicht nur die Menschen vom Bahnlärm entlasten, sondern wir brauchen auch dringend zusätzliche Transportkapazitäten, um den prognostizierten Gütertransportzuwachs bewältigen zu können. Frau Schmitt, Sie haben diesen Punkt angesprochen. Das ist nur über die Alternativstrecke möglich.

Schon heute kommt es aufgrund des Güterverkehrsaufkommens im Mittelrheintal zu Verzögerungen bei den Personenzügen. Wir brauchen aber auch einen funktionierenden Personennahverkehr im Mittelrheintal, weil dies ebenfalls für die dortige Infrastruktur wichtig ist.

(Beifall der CDU)

Natürlich bedeutet der Bau einer Alternativstrecke und die Entlastung des Mittelrheintals nicht automatisch, dass wir künftig ein bahnloses Rheintal haben werden. Wir brauchen weiter diese Infrastrukturmaßnahme im Rheintal.