Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

Herr Kollege Hering hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Klöckner hat einiges bezüglich der Positionierung des Landes Rheinland-Pfalz zum Konnexitätsprinzip auf der Bundesebene und zu den unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen durcheinandergeworfen. Wir haben dazu eine klare Position. Wir setzen uns dafür ein, dass im Bund endlich das Konnexitätsprinzip eingeführt wird, aber wir wehren uns gegen direkte Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen. Dafür gibt es auch gute und nachvollziehbare Gründe.

Sie haben aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz zitiert. Dort wird ausgeführt, dass aufgrund von Entscheidungen des Bundes die Soziallasten der Kommunen dramatisch gestiegen sind, dass aber aufgrund der Verfassungsregelungen in Rheinland-Pfalz nicht der Bund dafür haften muss, sondern die Länder die Garantie dafür abgeben müssen, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen erhalten bleibt. Das heißt auf gut Deutsch: In Berlin wird Politik bestellt, aber die Musik muss das Land bezahlen. – Das kann nicht sein; das hält kein Landeshaushalt aus. Deshalb benötigen wir klare Verhältnisse. Wir wollen wie im Land das Konnexitätsprinzip, damit klar ist, wenn neue Belastungen auf der Bundesebene beschlossen werden, muss der Bund auch dafür sorgen, dass die finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden.

Da aber die Länder die Garantiefunktion übernehmen und viel näher an den Kommunen dran sind, ist es sinnvoll, dass die direkten Finanzbeziehungen zwischen den Kommunen und den übergeordneten Gebietskörperschaften auf die Länder beschränkt sind, damit die Mittel sachgemäß dort eingesetzt werden können, wo sie den Kommunen direkt helfen.

Wenn Sie Solidarität in Europa benennen und das mit einer Reihe von Ressentiments belegen, ist das eine Solidarität, die keine wahre und richtige Solidarität ist. Wir benötigen momentan ein klares Bekenntnis zu Europa, die bei den Menschen in Europa als klare Solidarität ankommt und erkannt wird. Nur dann werden wir Europa stärken. Europa benötigt das klare Signal.

Eines muss uns auch gewiss sein: Die Risiken, dass es zu einer sehr großen Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa kommt, sind derzeit dem Grunde nach größer, als wir sie im Jahr 2008 hatten. Deshalb muss mit diesen Fragen sehr verantwortungsvoll umgegangen wer

den, nämlich so, wie mit diesen Fragen umgegangen wird.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie anmerken, es gäbe eine Reihe von Einkommensmillionären, die in Griechenland keine Steuern zahlen, ist das der Beleg für das Argument, dass wir das brauchen, was Sozialdemokraten und GRÜNE schon sehr lange gefordert haben, nämlich dass der Webfehler in der Europäischen Währungsunion behoben wird, sich nur auf eine Währungs- und Wirtschaftsunion zu konzentrieren. Für ein starkes Europa, das für Krisen gefestigt ist, brauchen wir eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik in Europa.

Das ist die Grundlage dafür, Krisen zukünftig in Europa zu verhindern.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dann ist klar, dass kein Dumping um den Wettbewerb niedriger Steuersätze betrieben wird, es in Europa keinen Wettbewerb um Dumpinglöhne gibt, sondern wir ein Europa haben, das Lebensverhältnisse angleicht. Klar ist, dass wir auch eine Sozialklausel haben wollen, damit die Rahmenbedingungen für die Menschen ständig verbessert werden. Dann werden wir Menschen von Europa begeistern. Es muss endlich klar sein, dass wir von einem Europa Abstand nehmen müssen, das bei der Strategie nur auf Wettbewerb setzt. Das ist die Ursache für die Krise, die wir momentan haben. Von einer solchen Grundhaltung – davon bin ich überzeugt – sind Sie noch sehr weit entfernt.

Ich hoffe, dass das, was durch die Wahlen in Frankreich ausgelöst worden ist, was in Deutschland durch die Opposition, durch SPD und GRÜNE, an Diskussionen ausgelöst worden ist, einen Diskussionsprozess in Deutschland und in Europa in Gang setzt, welches Europa wir wirklich wollen. Dazu wollen wir mit der Debatte einen Beitrag leisten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, sind wir am Ende des ersten Themas unserer Aktuellen Stunde.

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Impulse der Rio + 20-Nachhaltigkeitskonferenz für Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1325 –

Herr Kollege Hartenfels hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste! Wir kommen nahtlos von einem dramatischen Thema, das wichtige Thema der Finanzkrise, zu einem anderen wichtigen Thema, der ökologischen Krise, die wir bewältigen müssen, um diesen Globus in dieser Schönheit, wie er sich im Moment präsentiert, dauerhaft zu erhalten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass heute die Rio + 20-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro beginnt. Da war es für uns nahe liegend, dass auch dieses Parlament das Augenmerk auf diese Konferenz richtet, weil wir die Themen, die dort verhandelt werden, nur global gemeinsam und auch nur annähernd werden lösen können. Deswegen wollen wir diese Aktuelle Stunde nutzen, um in zweierlei Hinsicht Bilanz zu ziehen.

Zum einen: Wo steht unsere Welt 20 Jahre nach dem Erdgipfel in Rio 1992? Wo stehen wir bezogen auf die Klimaproblematik? Wo stehen wir bezogen auf die Teilung dieser Welt in Arm und Reich, und wo stehen wir im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung – der nachhaltigen Lebensführung, sage ich einmal, um das weit zu greifen – nach 20 Jahren bezogen auf 1992?

Natürlich ist es uns wichtig, ein Augenmerk darauf zu legen, was die Impulse sind, die von Rheinland-Pfalz ausgehen können, um diese Themen hier vor Ort in eine Richtung zu bringen, dass dieser Planet davon profitieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um es gleich vorweg zu sagen, es mangelt dieser Welt nicht an Reichtum, und es mangelt dieser Welt auch nicht an guten Lösungskonzepten, aber es mangelt dieser Welt an Verbindlichkeit,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hürter, SPD)

an der Verbindlichkeit, Regeln und Vereinbarungen zu treffen mit der Ausformulierung konkreter globaler Ziele.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund empfinden wir es als schallende Ohrfeige, dass die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, es tatsächlich nicht schafft, diesen Gipfel zu besuchen, um ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen insbesondere für die kommenden Generationen. Es ist eine schallende Ohrfeige bezogen auf die zukünftigen Generationen. Es zeigt, dass Frau Merkel die Dramatik, die dort verhandelt wird, der Lebensfragen, die wir dort zu entscheiden haben, überhaupt nicht erkannt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Lassen Sie mich das an wenigen Eckdaten aufzeigen. Beginnen wir zum einen mit dem dramatischen Anstieg der Erdbevölkerung, der die Begrenztheit dieses Planeten noch einmal vor Augen führt.

1992 haben wir von 5,5 Milliarden Erdenbürgerinnen gesprochen. Heute sind wir bei 7 Milliarden Erdenbürgerinnen. Das ist ein Anstieg von 30 %. Im Jahr 2050 sind wir bei 9 Milliarden Menschen. Das zeigt, dass wir enger zusammenrücken müssen und diese Thematik nur global gelöst werden kann.

Es zeigt weiterhin, dass wir schon heute als Menschheit Ressourcen verbrauchen, als hätten wir 1,5 Globusse zur Verfügung. Im Jahr 2030 werden wir in unserem Verbrauch so weit sein, dass wir so tun, als hätten wir zwei Globusse, zwei Erden zur Verfügung. Dies geschieht vor dem Hintergrund – da sind wir wieder bei dem Thema „Arm und Reich auf dieser Welt“ –, dass 20 % der Menschheit – da gehören wir hier dazu – über 70 % dieser Ressourcen verfügen und verbrauchen.

Letztlich zeigen allein diese wenigen Eckdaten, dass wir seit 1992 leider nicht die bedrohlichen Klimagase haben stabilisieren oder nach unten absenken können. Nein, im Gegenteil, wir haben seit 1992 40 % zugelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das empfinde ich als beschämend für die industrialisierten Gesellschaften dieses Globusses, und damit sind wir gemeint.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Kommen wir zu den Beispielen, wie man in RheinlandPfalz einen kleinen Beitrag leisten kann, dieses Steuer herumzureißen. Fangen wir mit dem Thema „Biodiversität“ an. Es ist überfällig, dass in Rheinland-Pfalz ein Nationalpark ausgewiesen wird. Wir sind eines der reichsten Länder dieser Welt, und wir scheinen uns nicht leisten zu können, 1 % unserer Waldfläche als zusammenhängendes Gebiet für die Artenvielfalt und den Artenschutz zur Verfügung zu stellen. Es kann wirklich nicht wahr sein, dass wir diesen Schritt nicht vollziehen. Insofern bin ich froh, dass wir als rot-grüne Koalition ein eindeutiges Zeichen setzen und diesen Nationalpark ausweisen wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ein anderes Beispiel, Schutz der naturwürdigen Grundlagen, Stichwort „Lebensmittel Nummer 1“, das Wasser. Mit dem Wassercent führen wir ein Mittel ein, um den Naturgütern einen ökologischen Preis zu geben, das Verursacherprinzip zu implementieren und gleichzeitig eine Planungssicherheit und Investitionssicherheit über die Abgabe mit ihrer Lenkungswirkung herzustellen,

(Glocke des Präsidenten)

damit dieses Naturgut nachhaltig weiterhin gesichert werden kann.

Die weiteren Ausführungen werde ich in der zweiten Runde machen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sippel, SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Reichel von der CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute parallel zum UN-Gipfel in Rio auch im rheinlandpfälzischen Landtag über das Thema „Nachhaltigkeit Rio + 20“ diskutieren, so stellen wir fest, dass bei der Frage, ob die damalige Umweltkonferenz überhaupt erfolgreich war und was sie gebracht hat, eine Antwort nicht ganz leicht zu finden ist. Auf den ersten Blick können wir bei einer kritischen Betrachtung fragen: Warum hat es bis zur Verabschiedung wichtiger Dokumente so lange gedauert? Warum wurden die Zielvorgaben beim Fortgang der Verhandlungen und den Nachfolgekonferenzen weiter nach oben geschraubt oder unverbindlicher, und warum schreitet der Klimawandel trotz aller Bemühungen immer weiter voran? –

Aber der zweite, ein optimistischer Blick auf die damalige Umweltkonferenz zeigt, sie hat in einem ersten Schritt dazu beigetragen, dass weltweit überhaupt ein Bewusstsein dafür entstand, dass es dringend erforderlich ist, gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklung zu kämpfen und zu handeln; denn unsere Ressourcen sind endlich, und Handlungsvorgaben sind notwendig, damit die drängenden globalen Probleme gelöst werden können.

Meine Damen und Herren, Deutschland steht im Vergleich zu anderen Ländern im Umweltschutz weit vorne und zeigt beispielhaft, dass auch ein prosperierendes Industrieland, das weltweit im Wettbewerb steht, umweltpolitisch zu hohen Standards verpflichtet werden kann.

Der ehemalige rheinland-pfälzische Umweltminister und spätere Bundesumweltminister Professor Töpfer hat bereits früh einen sensiblen Umgang mit der Umwelt angemahnt und ist bis heute ein wichtiger Impulsgeber für den Umweltschutz. Wir haben ihn vor wenigen Wochen hier im Plenarsaal erneut hören dürfen.

Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben; denn gerade die Nach-Rio-Konferenzen zeigen, dass viele Interessengruppen – vielleicht zu viele – ihren Einfluss auf die einzelnen Staaten geltend machen. Wirtschaftliche Interessen stehen also häufig im Vordergrund. Damit werden neue Probleme sichtbar.

Nahrungsmittel werden zur Spritproduktion verwendet und sorgen damit für Verteuerung und Verknappung von Grundnahrungsmitteln, und dies führt in Teilen der Weltbevölkerung zu Armut und verstärkt die Unterernährung. Die Überfischung und Vermüllung der Meere entziehen der Tier- und Pflanzenwelt die Lebensgrundlage.

Weitere dramatische Folgen sind absehbar, wenn im Jahr 2050 voraussichtlich 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben.