Viele von Ihnen sind etwas geworden in der SPD; viele sind etwas geworden durch die SPD. Wir kommen alle aus Parteien und wissen, dass Parteien ihre eigenen Regeln haben.
Es darf aber nicht wegen einer ungeklärten Führungsfrage in einer Partei zur Handlungsunfähigkeit im Parlament kommen.
Allein schon weil die Nachfolgefrage in der SPD nicht geklärt ist, glauben Sie, den Ministerpräsidenten im Amt noch stützen zu müssen.
Kritische Stimmen sind bei Ihnen, wie man mitbekommt, nicht erlaubt. Reflexartig wird alles, was die Regierung sagt und macht, von Ihnen blind verteidigt. Wie kann es sein, dass zur gleichen Zeit alle das Gleiche denken und sagen? So etwas macht mir persönlich Angst.
Das ist kein Zeichen von Stärke, sondern das ist ein Zeichen von Schwäche und fehlendem Mut. Wenn Regierung und Fraktion immer in allen Fragen einer Meinung sind, fehlt das Korrektiv, fehlt die Kontrollfunktion, fehlt die Unabhängigkeit.
Man kann viel über die christlich-liberale Koalition in Berlin sagen, über die verschiedenen Stimmen, über die Abweichler.
Bei Abweichlern gibt es zusätzlichen Abstimmungsbedarf, und es gibt Häme des politischen Gegners, aber genau das ist doch das Wesen der Demokratie und einer offenen Gesellschaft. Regierungen, die wissen, dass ihre eigenen Fraktionen nicht automatisch alles abnicken, gehen vorsichtiger und bedachter vor. Genau das ist für unser Land und die Bürgerinnen und Bürger dienlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Diskussionen bringen einen Staat, eine Regierung doch nicht ins Wanken. Diskurs bringt neue, wichtige Facetten zutage.
Das ist das Prinzip der offenen Gesellschaft. So mancher Diskurs in Ihren Reihen hätte zu einem Hinterfragen der Alleingänge von Herrn Beck und Herrn Professor Deubel führen müssen. Stattdessen haben Sie alles mit Mehrheiten abgenickt und die Nachfragen und das Nachhaken der Opposition behindert. Die SPD-Fraktion hat sich so verhalten, als sei jeder von Ihnen selbst Regierungsmitglied und nicht Parlamentarier. Das ist ein erheblicher Unterschied. Wer sich nicht als kritischer Parlamentarier begreift, wird zu sehr pflegeleicht für die Regierung.
Wer pflegeleicht für die Regierung ist, glaubt auch alles. Der hat sein gesundes Misstrauen gegen lähmenden Gehorsam eingetauscht. Der schadet dem Parlamentarismus, und der schadet auch unserem Land.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie haben nur einen Sitz mehr als die CDU-Fraktion. Das ist der Wählerwille. Die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN haben über 20 Sitze weniger als die CDU-Fraktion. Das ist auch der Wählerwille.
Wir alle sind mit einem Auftrag – ob Opposition oder Regierungsfraktion – ins Parlament gewählt worden. Wir haben das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler bekommen. Wir sind mit treuhänderischen Möglichkeiten ausgestattet worden. Hieraus folgt auch Verantwortlichkeit.
Unser parlamentarisches Regierungssystem ist dadurch gekennzeichnet, dass die Regierung in ihrer Entstehung und in ihrem Bestand, in ihrer Amtsdauer, in ihrer Amtsführung und in ihrer demokratischen Legitimation vom Landtag, dem Parlament, abhängig ist und nicht umgekehrt. Sie verhalten sich so, als sei Ihr Sitzen hier von dieser Regierung abhängig. Es ist umgekehrt. Das ist wichtig für den Parlamentarismus in diesem Land.
Parlamentarische Kontrolle ist unsere Hauptaufgabe. Parlamentarische Kontrolle ist Aufgabe des gesamten Parlaments. Sie ist nicht nur Sache der Opposition, sondern sie obliegt auch der Mehrheit im Parlament.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, wann aber haben Sie nachweislich die Regierung kontrolliert und mit unangenehmen, aber angebrachten Fragen konfrontiert? Stattdessen beschimpfen Sie uns als Opposition, die Ihre Aufgabe mitmachen muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, nehmen Sie Ihre Verantwortung überhaupt noch wahr? Werden Sie Ihren vor der Wahl gesetzten eigenen Ansprüchen gerecht?
Was bedeutet für Sie denn Nachhaltigkeit in der Frage der Glaubwürdigkeit? Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik des Herrn Ministerpräsidenten?
Wie schnell hat Ihre frühere Spitzenkandidatin und heutige Ministerin Lemke ihre Position gewechselt und Sie als Parlamentarier damit ebenso in einen Haltungswechsel gezwungen? Warum lassen Sie sich das überhaupt gefallen? Nur um an der Macht zu bleiben?
Mir liegt eine E-Mail von Frau Ministerin Lemke im Zusammenhang mit dem Nürburgring an eine Bürgerin vor. Datiert auf den 8. Dezember 2010 heißt es dort: „Liebe Frau“ – X, – „ich habe gerade (…) telefoniert und ihm deutlich gemacht, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Beschwerdewelle beim EU-Kommissar ganz gut wäre. Schreiben Sie Briefe – zuhauf! Organisieren Sie einen mittleren Aufstand (…). Der Druck entsteht durch die Masse an Zuschriften. Gruß, Eveline Lemke.“
Frau Lemke, Sie sind jetzt für die EU-Beihilfen zuständig. Sie haben das Ganze ins Rollen gebracht, beschimpfen aber die EU, die das aufnimmt, was Sie ins Rollen gebracht haben, auf einer Pressekonferenz.
Frau Lemke, aufschlussreich sind auch Ihre Kontakte aus den Jahren 2009 und 2010 zu einem weiteren Bürger.
Dem haben Sie damals Folgendes geschrieben: „Wie wäre es, wollen Sie nicht heute mal wieder eine Anzeige gegen Herrn Richter und Herrn Nuss-Kaltenborn und gegen Herrn Lippelt wg. Insolvenzverschleppung bei der CST loslassen????“
Um diesen Bürger im weiteren Verlauf bei der Stange zu halten, haben Sie diesem Bürger dann weiter geschrieben – Zitat –: „Herr Dr. Hund [damals Leiter der für den Nürburgringkomplex zuständigen Staatsanwaltschaft Koblenz] hat sich über Sie auch fürchterlich aufgeregt. (…) Aus meiner Sicht geht es nur gemeinsam und wir brauchen immer mehr Akteure… Gruß, Eveline Lemke“
Als der Bürger nachfragte, worüber sich der Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz Ihnen gegenüber aufgeregt habe, haben Sie noch einmal nachgelegt – Zitat –: „Der Hund hat sich bei mir aufgeregt. Betrachten Sie es als Ehre! Gruß Eveline Lemke“
Frau Lemke, mir liegt eine eidesstattliche Versicherung dieses Bürgers vor. Darin hat er auch mit Ihnen geführte Telefonate beschrieben. Ich darf zitieren: „Beim 2. Telefonat sprachen wir darüber – und waren uns auch einig –, dass das gesamte Verhalten der verantwortlichen Personen aus der Landesregierung bezüglich der schon Jahre anhaltenden skrupellosen Verschwendung von Steuergeldern so nicht weiter hinnehmbar sei, und diese so Frau Lemke, nichts in einer Landesregierung zu suchen hätten.“
Zu dem Umstand, dass Deubel und Kühl alles gewusst und nichts verhindert haben (…), sagte Frau Lemke: ‚Deubel und Kühl gehören vor den Kadi‘.