Ich möchte sagen, es richtet großen Schaden an, in diesem Zusammenhang die Zahlen zu dramatisieren, unnötig aufzubauschen und – in einigen Bundesländern herrscht Wahlkampf – hier auf dem Rücken der Flüchtlinge Wahlkampf zu betreiben, meine Damen und Herren.
Was die Flüchtlinge, die aus Serbien und Mazedonien zu uns kommen – viele von ihnen Roma und Sinti –, anbelangt, so ist es wichtig – dieser zentralen Forderung kommt Rheinland-Pfalz in vorbildlicher Weise nach –, den Einzelfall zu prüfen, sich jedes Flüchtlings individuell anzunehmen, sorgfältig zu prüfen und erst dann eine Entscheidung zu treffen, und nicht, wie unser Bundesinnenminister Friedrich mit einigen Vorstößen versucht hat, hier über schnelle Rückführungen und sogar über eine Wiedereinführung der Visumspflicht nachzudenken, meine Damen und Herren. Das wäre ein Rückschritt in einem historisch gewachsenen Europa, in dem gerade die Visumsfreiheit eine Errungenschaft ist, die man nicht so einfach aufs Spiel setzen sollte, nur weil man versucht, auf dem Rücken der Menschen ein bisschen Populismus zu betreiben.
Was die Menschen, die gerade aus Serbien und Mazedonien zu uns kommen, brauchen, ist eine europäische Lösung statt Panikmache. Wir müssen uns der Verantwortung stellen, die wir haben. Es gibt vor allem für die Roma leider noch sehr viel Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung in Europa.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde war bereits in der Sitzung des Ausschusses für Integration, Familie, Kinder und Jugend am 20. November 2012 Gegenstand des Berichtsantrags der CDU-Fraktion.
Neben der großen Zahl der Flüchtlinge, die aus Syrien und Afghanistan zu uns kommen und Asyl beantragen, stieg in den letzten Monaten die Zahl der Menschen, die aus Serbien, Mazedonien, Bosnien, Herzegowina und dem Kosovo stammen, sprunghaft an. Im September 2012 nahm im Vergleich zum Vorjahresmonat die Anzahl der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellten Asylanträge um mehr als 60 % zu. Zwei Drittel der Asylsuchenden – so wurde uns von Ihnen berichtet, Frau Ministerin Alt – kamen aus den Balkanstaaten, wenn ich das recht in Erinnerung habe.
Wie wir bei der Beantwortung unseres Berichtsantrags erfahren konnten, mussten in der Aufnahmestelle für Asylsuchende in Trier Wohncontainer aufgestellt werden. Wie Frau Kollegin Spiegel vorhin berichtet hat, werden auch in Ingelheim zusätzliche Unterkünfte für weitere 200 Menschen zur Verfügung gestellt werden müssen.
Wir erkennen ausdrücklich das große Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesministeriums, der nachgeordneten Verwaltungsstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Kirchen und aller weiteren Beteiligten bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung an.
Es ist auch uns sehr wichtig, dass die ankommenden Menschen vor dem Hintergrund des von ihnen Erlebten menschenwürdig behandelt, untergebracht und betreut werden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen wird ein Ausländer als Flüchtling anerkannt, wenn sein Leben oder seine Freiheit in seinem Herkunftsstaat wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
Bei den Zuwanderern aus den Balkanstaaten handelt es sich mehrheitlich um Angehörige der Volksgruppe der Roma. Wenn sie auch in ihrem Heimatland unter schlechtesten wirtschaftlichen Bedingungen leben und unter der Diskriminierung leiden müssen, so werden sie weder aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt noch müssen sie in ihren Herkunftsländern um Leib und Leben fürchten.
Eine rechtliche Anerkennung eines Asylgrundes ist für diese Staatsangehörigen daher nahezu ausgeschlossen. Laut des Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge liegt die sogenannte Schutzquote für Asylbewerber aus diesen Ländern bei 0,2 %. So entsteht die absurde Situation, dass offenkundig ungerechtfertigte
Anträge die Asylsysteme blockieren, während die Menschen aus Syrien oder Afghanistan, die dringend Schutz bedürfen, unter der langen Verfahrensdauer leiden müssen. (Beifall der CDU)
Belgien, Schweden und Deutschland gelten als die Hauptzuwanderungsstaaten innerhalb Europas. In allen drei Staaten erstrecken sich die Asylverfahren über Monate und sogar über Jahre hin. Im Gegensatz dazu dauert ein Asylverfahren in Frankreich im Durchschnitt 12 Tage und in der Schweiz lediglich zwei Tage.
Durch die lange Verfahrensdauer in Belgien, Schweden und Deutschland werden Anreize geschaffen, für eine längere Zeit dem Elend und der Not im Heimatland zu entkommen.
Angesichts des Zustroms von Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien hat Bundesinnenminister Friedrich angeregt, die Verfahrensdauer bei Asylverfahren zu beschleunigen.
Zudem haben die EU-Innen- und Justizminister im Oktober in Luxemburg über weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Asylmissbrauchs debattiert. So wurden die Regierungen von Serbien und Mazedonien – beides Beitrittskandidaten der EU, Herr Pörksen – aufgefordert, die Lebensbedingungen der Menschen im eigenen Land zu verbessern – dies gilt insbesondere für den Zugang zu Arbeit, Bildung und Gesundheitsversorgung – sowie potentielle Migranten generell schon in den Herkunftsländern besser aufzuklären, um falschen Hoffnungen zu begegnen, nämlich dass das Recht auf Asyl nicht dazu da ist, um in Deutschland zu arbeiten und damit seine wirtschaftliche Situation zu verbessern.
Um den Zuzug von Asylbewerbern vor allem aus Serbien und Mazedonien zu begrenzen, appellieren wir an die Landesregierung, offenkundigen Asylmissbrauch nicht aus falsch verstandener Humanität heraus zu tolerieren, sondern vielmehr dazu beizutragen, die Bemühungen von Herrn Bundesinnenminister Friedrich und der EUKommission zur Begrenzung des Zustroms von Asylsuchenden aus den Westbalkanstaaten zu unterstützen. Dies sind wir all jenen bei uns um Asyl nachsuchenden Menschen schuldig, die vor den Konflikten in ihren Heimatländern auf der Flucht sind,
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns völlig darin einig, dass die Gewährung von Asyl ein zentrales und unveräußerliches Recht zur Sicherung von Leib, Leben, Freiheit und Menschenwürde verfolgter Menschen ist. Darin sind wir uns in diesem Hohen Hause mit Sicherheit auch fraktionsübergreifend absolut einig.
Herr Kessel, ich muss Ihnen sagen, die ersten dreieinhalb Minuten Ihrer Rede unterschreibe ich direkt. Ich war sehr begeistert über die sachliche Auseinandersetzung mit dieser Aktuellen Stunde.
Leider sind Sie aber in den letzten eineinhalb Minuten doch wieder in den allgemeinen Sprachgebrauch abtendiert, der auch einiges zerstört hat. Ich werde es gleich noch genauer darstellen.
Es ist richtig, dass die Zahl der Asylsuchenden in den letzten Monaten stark angestiegen ist und aktuell über der Zahl liegt, die wir üblicherweise in den Wintermonaten haben. Es ist auch richtig, dass mit gut 40 % Serbien und Mazedonien zu den zugangsstärksten Herkunftsländern gehören und viele der Erstantragsteller zu der ethnischen Gruppe der Roma gehören. Es handelt sich – auch darin sind wir uns völlig einig – überwiegend um Armutsmigration, deren Ursache in der desolaten und auch teils diskriminierenden Lebensverhältnisse der Menschen in ihren Heimatländern liegt.
Auch die SPD-Fraktion nimmt die unbestreitbaren Probleme ernst, betrachtet aber die Fakten nüchtern, und dazu fordere ich auch Sie auf; denn auch wir wissen, dass aufgrund der hohen Zahl der Asylbewerber eine hohe Belastung auch finanzieller Art auf unserem Land und seinen Kommunen liegt. Dazu muss man ehrlicherweise auch ein Wort sagen.
Wir haben aktuell wieder einmal ein Bundesgesetz vorliegen, in dem bundestypisch davon ausgegangen wird, dass sich die Kosten das Land und die Kommunen teilen. Aber ich sage ganz klar: Mit uns ist ein Absenken der Beiträge, die das Verfassungsgericht erst im Sommer dieses Jahres hochgesetzt hat, nicht zu machen, um damit eventuell Asylbewerber abzuschrecken. Das sage ich ganz deutlich.
Aber es ist auch falsch, die Zahlen zu dramatisieren. Das passiert leider immer wieder sehr gern, und es passiert bundesweit, besonders vonseiten der CDU. Frau Kollegin Spiegel hat schon darauf hingewiesen: Wir sind weit entfernt von den Zahlen Anfang der 90erJahre.
Des Weiteren richtet die öffentliche Dramatisierung insbesondere durch Herrn Bundesinnenminister Friedrich großen Schaden an; denn wenn man mit einem Begriff wie „Asylmissbrauch“ agiert, den ein anderer Minister sogar noch dadurch verstärkt hat, dass er von „100 % Asylmissbrauch“ gesprochen hat, schürt man Daseinsängste. Man bedient auch gewisse Wählergruppen und riskiert, das gesamte Asylsystem in Misskredit zu bringen. Das ist das große Problem dabei.
Ich stimme Ihnen darin zu, dass aus dieser Gruppe die meisten keinen Anspruch auf Asyl haben, aber dennoch wurden einzelne Fälle anerkannt. Wenn man allein bis September 23 Personen aus Serbien und Mazedonien Asyl gewährt hat, so sind dies 23 Einzelschicksale, wobei jedes einzelne Schicksal zählt. Herr Kessel, ich widerspreche Ihnen ganz bewusst: Die Verfahrensdauer ist durch eine Personalaufstockung schon von drei Monaten auf sechs Wochen in der Erstantragstellung gesenkt worden, aber es gehört natürlich eine ordentliche Prüfung dazu. Wir haben in Deutschland das Glück, dass auch Rechtsmittel eingelegt werden können.
Wer also eine lange Verfahrensdauer beklagt, der muss sich gleichzeitig überlegen, wie der Rechtsanspruch aussieht und welche Rechtsmittel wir Gott sei Dank in unserem deutschen Lande einlegen dürfen.
Wirksame Maßnahmen gegen Armutsmigration können nicht im Schließen von Grenzen und im Aussetzen der Visumsfreiheit liegen, sondern nur in einer Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunftsländern. Es gilt, die Fluchtursachen und eben nicht die Menschen zu bekämpfen, und dies ist uns ganz wichtig.
Zur Situation in Rheinland-Pfalz habe ich mir in der letzten Woche persönlich ein Bild in der Aufnahmeeinrichtung in Trier gemacht und kann ganz klar feststellen, die ursprüngliche Zahl von 700 Unterzubringenden ist überschritten worden. Die Leitung und das Personal haben die Situation sehr gut im Griff mit dem Aufstellen von zusätzlichen Containern. Darüber hinaus richtet die Landesregierung aktuell die ehemalige Aufnahmeeinrichtung in Ingelheim für die Aufnahme wieder her. Mit dieser Außengruppe könnte die AfA in Trier sehr gut umgehen.
Ich möchte in dieser Runde noch zum Abschluss sagen, es sind allein 180 Kinder in der Aufnahmeeinrichtung in Trier, an die man auch einmal denken sollte und die mit ihren Eltern und mit den anderen hervorragend betreut werden.