Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

99,99 % aller in den Schulen Tätigen – das möchte ich auch einmal an der Stelle betonen – war das bisher auch in jeder Hinsicht bewusst. Es sind also nur ganz vereinzelte Ausreißerfälle gewesen, die uns Kummer bereitet haben.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Kummer – das hat sich bei der Diskussion sehr schnell herausgestellt – war vor allen Dingen ein strafrechtlicher und kein schulrechtlicher. Sie haben das ausgeführt, Frau Ministerin.

Deswegen war es von Anfang an Position der CDU, den Fokus auf das Strafrechtliche zu legen. Unzählige Berichtsanträge, hauptsächlich im Rechtsausschuss, aber auch im Bildungsausschuss und der erste Entschließungsantrag, den wir im April hier eingebracht haben und der dann eingemündet ist in den gemeinsamen Entschließungsantrag, den Sie vorhin zu Recht erwähnt haben, haben aus unserer Sicht vor allem eines verdeutlichen sollen: Im Strafrecht besteht Handlungsbedarf.

Deshalb freue ich mich mit Ihnen gemeinsam darüber, dass auf der Justizministerkonferenz die Dinge in Bewegung geraten sind. Ich darf an dieser Stelle betonen, das ist auch ein Stück weit unser Verdienst als CDU.

(Beifall bei der CDU)

Schulrechtlich – das ist hier auch klar geworden – können wir bei dieser Problematik, was ein Obhutsverhältnis ist, wenig helfen; denn egal, was wir in das Schulrecht hineinschreiben, die Strafgerichte haben ausschließlich das Strafgesetz anzuwenden und sind leider an das Schulrecht nicht gebunden. Man kann das bedauern, aber es ist Fakt.

Das ist ein bisschen das Dilemma dieses Gesetzentwurfs. Es ist eigentlich ein Thema, über das man in Harmonie reden kann. Aber einige kritische Bemerkungen seien mir dennoch gestattet.

Frau Ministerin, dass Sie in einem Dilemma stecken, wird ein bisschen an der Gesetzesbegründung auf Seite 5 unten deutlich. Ich zitiere das jetzt einmal: „Auch nach

der Überprüfung sind Gesetzeslücken weder im Schul- noch im Dienstrecht erkennbar.“

Das ist ein bisschen Ihr Problem. Erst im Frühjahr haben Sie im Bildungsausschuss verdeutlicht, dass Sie von der Gesetzeslage im Strafrecht ziemlich überrascht waren, obwohl eigentlich die Rechtsprechung des BGH, die eine entscheidende Rolle spielt, schon seit den 60erJahren so ist, wie sie ist.

Jetzt legen Sie einen Gesetzentwurf vor, dessen Bedarf nicht so richtig mit Händen zu greifen ist. Wenn Sie zu den Menschen draußen ehrlich sind, dann müssen Sie zugestehen, dass ein bisschen Aktionismus nach dem Motto „Hauptsache etwas gemacht“ im Spiel ist.

Wenn es aber nur Aktionismus wäre, dann wäre klar, die CDU könnte das nicht gutheißen und mittragen. Gott sei Dank ist es nicht so; denn wenn man sich einmal die Dinge genauer betrachtet, dann sehen auch wir in diesem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, einen Mehrwert.

(Ramsauer, SPD: Was reden Sie denn da! Was soll denn das?)

Herr Ramsauer, schön, dass ich von Ihnen einen Zwischenruf kassiere. Das ist immer ein gutes Zeichen, dass man die richtigen Dinge sagt.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Sie waren schon immer neben der Spur! – Pörksen, SPD Deshalb schweige ich ja!)

Jetzt kommt noch Herr Pörksen, jetzt wird es noch viel besser.

Es ist erstens die präzise Charakterisierung, was eigentlich das Schulverhältnis ausmacht. Das sehe ich als einen ganz wichtigen Fortschritt in dem Gesetzentwurf, weshalb wir das als CDU-Fraktion unterstützen und begrüßen.

Zweitens ist es die unmissverständliche Ansage, dass für sexuelle Beziehungen zwischen Lehrkräften oder anderen Beschäftigten in der Schule und Schülerinnen und Schülern null Toleranz besteht.

(Beifall der CDU)

Das wiederum trägt der besonderen Bedeutung, die die sexuelle Selbstbestimmung für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen hat, in besonderem Maße Rechnung. Wer gegen diesen Konsens verstößt, hat harte disziplinarische Sanktionen zu erwarten. Das ist die richtige und die wichtige Kernbotschaft dieses Gesetzentwurfs. Diese Grundtendenz heißen wir gut. Details können wir gern noch in den Ausschüssen beraten.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank.

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Brück das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Ende letzten Jahres ein Lehrer vom Oberlandesgericht Koblenz vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen freigesprochen wurde, obwohl er eine Beziehung zu einer damals 14-jährigen Schülerin hatte, waren wir alle entsetzt und geschockt. Dieses Urteil hatte eine breite Debatte ausgelöst. Nach der Auffassung des Gerichts bestand in diesem Fall kein Obhutsverhältnis, weil der Lehrer nicht in der Klasse des Mädchens unterrichtete, also kein Klassen- oder Fachlehrer war.

Es ist sowohl bei den Fraktionen des Landtags als auch bei der Landesregierung immer ein großes Anliegen gewesen und wird es auch bleiben, Schülerinnen und Schüler, also Schutzbefohlene, wirklich wirksam vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Deshalb haben Ministerin Doris Ahnen und Minister Jochen Hartloff unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils die Initiative ergriffen. Beide haben die Thematik in die Kultusminister- bzw. in die Justizministerkonferenz gebracht, um weitere Möglichkeiten des besseren Schutzes per gesetzlicher Regelung, sei es in schulgesetzlicher oder strafgesetzlicher Art, zu prüfen.

Im Landtag haben wir – das ist schon erwähnt – Ende August einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu diesem Thema beraten und beschlossen, um Wege zu finden, wie wir Schutzbefohlene noch besser vor sexuellen Übergriffen schützen können.

Für uns alle ist es selbstverständlich, dass sexuelle Handlungen zwischen Lehrkräften und Schülern nicht geduldet werden und dienstrechtlich geahndet werden müssen und bisher in der Regel zur Entfernung aus dem Dienst geführt haben und das in Zukunft auch so sein wird, denke ich.

Eine Gesetzeslücke im Schulgesetz war bisher nicht erkennbar. Jetzt soll dazu über den Gesetzentwurf der Landesregierung im Schulgesetz eine eindeutige Klarstellung erfolgen. Jetzt wird zweifelsfrei verdeutlicht, was wir alle für selbstverständlich halten und so auch selbstverständlich sein muss: Alle Schülerinnen und alle Schüler stehen in einem Obhutsverhältnis zu allen Lehrkräften und zu allem sonstigen Personal einer Schule, seien es Vertretungslehrkräfte, pädagogische Fachkräfte oder sonstige Personen, die in einer Schule arbeiten. –

Es ist für uns alle sicherlich selbstverständlich, dass sexuelle Kontakte zwischen Schülern, Lehrern oder sonstigem Personal mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag einer Schule unvereinbar sind und absolut unzulässig sein müssen.

Diese Regelung hat vor allem einen präventiven Charakter. Die Klarstellung muss allen an Schulen beteiligten

Personen ins Bewusstsein dringen. Unabhängig davon hat die Schulaufsicht auch heute schon bei allen Fällen von sexuellen Handlungen zwischen Lehrkräften und Schülern ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Diese Fälle sind auch alle dienstrechtlich geahndet worden und führten in der Regel zu der Entfernung aus dem Dienst.

Wie gesagt, das Schulgesetz wird nun noch einmal besonders deklaratorisch ausgestaltet, und es wird explizit erwähnt, dass der gegenseitige Respekt, die Achtung, das Vertrauen und der verantwortungsvolle Umgang mit Nähe und Disziplin festgeschrieben werden. Dies war für uns alle selbstverständlich und wird nun auch textlich im Schulgesetz klargestellt. Ich denke, damit tragen wir bei der schulgesetzlichen Regelung eine besondere Verantwortung und werden dieser Verantwortung auch noch deutlicher gerecht, als wir dies bisher schon angenommen haben.

Die Änderung im Privatschulgesetz mit der notwendigen Prüfung der persönlichen Eignung von Lehrkräften wird auch noch einmal explizit im Gesetz festgeschrieben, so wie es bisher auch schon in der gängigen Praxis durchgeführt wurde.

Unabhängig davon – das ist von Herrn Kollegen Dr. Wilke und Frau Staatsministerin Ahnen schon erwähnt worden – bleibt die strafrechtliche Bewertung und Gesetzgebung, die von den Justizministern weiter bearbeitet wird, und ich bin mir sicher, dass damit ebenso verantwortungsvoll auch weiterhin umgegangen wird. Wir begrüßen diese Gesetzesänderung der Landesregierung im Schulgesetz, die zu einer Klarstellung dieses besonderen Schulverhältnisses, dieses besonderen Obhutsverhältnisses, führt und die den präventiven Charakter hat, der sich in der gesamten Schulgemeinschaft im Unterbewusstsein festsetzen muss. So wollen wir mit dafür Sorge tragen, dass Schülerinnen und Schüler noch besser vor sexuellem Missbrauch in der Schule geschützt werden, und damit werden wir unserer besonderen Verantwortung gerecht.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Ratter das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu beschönigen gibt es nichts: Sexueller Missbrauch ist in unserer Gesellschaft insgesamt nach wie vor ein Thema. Nicht erst die Studie des Deutschen Jugendinstituts in München vom Juli 2011 belegt diese erschreckende Botschaft. Dort stehen nicht nur Heime und Internate im Fokus, sondern auch Schulen wurden befragt, und das Ergebnis lässt darauf schließen, dass in jeder zweiten Einrichtung zumindest Verdachtsfälle von Tatbeständen

sexuellen Missbrauchs bekannt geworden sind. Die Daten, die auf den Angaben von 1.800 Schulleitungen und Lehrerinnen basieren, lassen keinen anderen Schluss zu als den der bis im vergangenen Jahr amtierenden Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten Christine Bergmann: Missbrauch ist nicht ein Thema der Vergangenheit.

Studien wie die des DJI belegen aber auch, dass die meisten Übergriffe im häuslichen Umfeld stattfinden und die Täter allzu oft aus dem familiären Umfeld stammen. Weiter werden häufig Jugendliche – nicht selten Mitschüler – zu Tätern, und die Hintergründe von Missbrauchsfällen sind nicht immer sexuell motiviert; die Opfer wiederum sind in der Mehrheit Mädchen.

Unstrittig ist, dass nur in seltenen Fällen Lehrpersonen übergriffig werden; aber unabhängig von der Zahl der festgestellten sexuellen Missbrauchs- und Verdachtsfälle im schulischen Obhutsverhältnis sind wir uns alle in diesem Hause einig, dass jeder einzelne einer zu viel ist.

Wir wissen alle, dass sexuelle Beziehungen zwischen Lehrerinnen und Schülerinnen unabhängig von strafrechtlich relevanten Vorgängen im Lichte eines bestehenden Obhutsverhältnisses nach dem Dienstrecht zu beurteilen sind. Dazu bestanden und bestehen zum jetzigen Zeitpunkt bereits hinreichende Regelungen, die zumindest bei gravierenden Verletzungen der Dienstpflicht im Zusammenhang mit Minderjährigen in der Regel zu einer Entfernung der Lehrkraft aus dem Schuldienst führen.

Dennoch halten wir den vorgelegten Gesetzentwurf für sinnvoll, trägt er doch zur Bewusstseinsbildung – das wurde bereits mehrfach genannt – von allen Mitgliedern der Schulfamilie insgesamt für das Thema bei. Insofern ist es aus unserer Sicht zu begrüßen, dass die Hinzufügung des § 1 Abs. 5 den verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz an hervorgehobener Stelle, gleich einer Präambel, betont. Die neue Formulierung des § 3 Abs. 2 beinhaltet keine Änderung in der Sache, sondern verweist auf eine Regelung in § 4 des Gesetzes zu Kooperation und Information im Kinderschutz.

§ 25 wird im Sinne des soeben zitierten § 1 präzisiert, und in Bezug auf die persönliche Eignung – dies hat Frau Kollegin Brück bereits ausgeführt – im Privatschulgesetz wird gleichgestellt, dass ein Genehmigungsvorbehalt seitens der Aufsichtsbehörde gegenüber einer Lehrperson geltend zu machen ist, wenn schwerwiegende Tatsachen einer unterrichtlichen oder erzieherischen Tätigkeit entgegenstehen. Hierin kommt deutlich zum Ausdruck, dass sich der Schulträger über einen derartigen Vorbehalt nicht hinwegsetzen kann.

(Unruhe im Hause)

Unbeschadet dieser Wirkung wird zu klären sein, inwieweit es zusätzlicher Gesetzesänderungen bedarf – Frau Staatsministerin Ahnen hat darauf hingewiesen –, um insbesondere – das ist noch ein weiterer Tatbestand – erreichen zu können, dass trotz einschlägiger Tatbe

stände eine Wiedereinstellung als Lehrkraft in anderen Kontexten lückenlos ausgeschlossen werden kann.

(Unruhe im Hause)