Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Landesgesetz zur Änderung des Schulgesetzes und des Privatschulgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/1808 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung – Drucksache 16/2004 –

Ich bitte Frau Hayn um die Berichterstattung.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch Beschluss des Landtags vom 13. Dezember 2012 wurde der Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes und des Privatschulgesetzes an den Ausschuss für Bildung – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen.

Der Ausschuss für Bildung hat den Gesetzentwurf in seiner 15. Sitzung am 10. Januar 2013 beraten, der Rechtsausschuss in seiner 18. Sitzung am 24. Januar 2013.

Die Beschlussempfehlung lautet: Der Gesetzentwurf wird angenommen.

(Vereinzelt Beifall im Hause)

Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abgeordneter Dr. Wilke.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Vorgang um den Westerwälder Lehrer, der vom Oberlandesgericht in Koblenz freigesprochen wurde, hat in unserem Land hohe Wellen geschlagen und schon mehrfach das Parlament beschäftigt.

Ein Ergebnis dieser Diskussion ist dieser Gesetzentwurf, der zur endgültigen Verabschiedung ansteht. Er wird, um auf Frau Klöckners Statistik von heute Morgen zurückzukommen, auch wieder in die Statistik als ein Gesetzentwurf eingehen – das ist jetzt keine große Überraschung; schon nach der ersten Lesung hatte ich das angedeutet –, den wir mittragen. Wir unterstützen dieses Vorhaben.

Ich hatte aber schon bei der ersten Lesung seinerzeit kritisch angefragt, weil wir uns alle der Tatsache bewusst sind, dass es hauptsächlich um eine strafrechtliche Frage geht, die zu lösen ist, was dieser Gesetzentwurf für einen Mehrwert mit sich bringt, warum es ihn braucht, warum dieses Gesetz so geändert werden muss. Ich hatte das auch im Rechtsausschuss bei der Beratung angesprochen.

Die Antworten, die wir darauf bekommen haben, waren nicht wirklich greifbar. Ein wirklicher Fortschritt im Sinne einer Schließung einer Regelungslücke im Schulrecht ergibt sich aus diesem Gesetzentwurf nicht. Von daher handelt es sich doch ein bisschen um Aktionismus, wie ich das schon in der ersten Lesung gesagt hatte. Es ist eher eine symbolische Handlung. Aber auch symbolische Handlungen können wichtig sein. Man kann sie gut finden, muss es aber nicht.

Wir würden dieser Form von gesetzgeberischem Aktionismus unsere Zustimmung dann verweigern und sie nicht mittragen können, wenn sich das Handeln der Landesregierung allein darauf beschränken würde, diesen Weg des Schulrechts zu gehen und alles andere außen vor zu lassen. So aber verhält es sich Gott sei Dank nicht. Deswegen sind wir froh, wie die Entwicklung letztlich gekommen ist, weil – wir können uns noch einmal daran erinnern; das sollten wir an dieser Stelle auch tun – dieser Landtag einstimmig eine Entschließung verabschiedet hat, die von uns seinerzeit initiiert worden ist, in der auch der strafrechtliche Aspekt des Themas sehr stark betont und ein gesetzgeberischer Handlungs

bedarf formuliert worden ist, dem jetzt auf Bundesebene Rechnung getragen wird.

Dann ist da der zweite aus meiner Sicht wichtige Aspekt, den wir unbedingt erwähnen sollten, nämlich die Tatsache, dass auch die Landesregierung, der Justizminister, nach anfänglichem Zögern den Weg gegangen ist, im Rahmen der Justizministerkonferenz Schritte einzuleiten und anzugehen, die zu einer gesetzgeberischen Lösung führen, das Obhutsverhältnis im Strafrecht neu zu bestimmen, damit eben das nicht mehr geschehen kann, was uns allen sehr stark gegen den Strich gegangen ist.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Einen solchen Freispruch wie in Koblenz darf es nicht noch einmal geben. Dazu stellt dieses Gesetz einen Beitrag dag; den müssten wir noch deutlich im Schulrecht herausarbeiten. Dazu ist die Initiative auf Bundesebene eine ganz wichtige Initiative.

Ich weiß, auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird genau diesen Weg gehen wollen, sodass es nur noch wenige restliche Zweifel zu beseitigen gilt. Wenn wir das auf Bundesebene noch schaffen, denke ich, sind wir einen sehr guten Weg gegangen und haben aus diesem unglücklichen Fall noch das Allerbeste gemacht.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Brück.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Diskussion im DezemberPlenum und im letzten Bildungsausschuss freue ich mich, dass wir dieser wichtigen Schulgesetzänderung heute einvernehmlich über die Fraktionsgrenzen hinweg zustimmen werden.

Ich denke, dieses Thema eignet sich auch nicht zum politischen Streit oder für Polemik in der Diskussion. Einen gemeinsamen Antrag haben wir bereits im August beschlossen. Das ist auch gut so.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich denke, dass diese Gesetzesänderung heute ein gutes Signal an die Eltern, an die Schülerinnen und Schüler und an die Schulen ist. Wir machen damit einmal mehr deutlich, dass es uns ein großes Anliegen ist, Schülerinnen und Schüler, also uns anvertraute Schutzbefohlene, wirklich wirksam vor sexuellem Missbrauch zu schützen.

Deshalb ist das kein Aktionismus, sondern ein wirkliches Anliegen und eine wirkliche Klarstellung, Herr Kollege Wilke; denn wir müssen alle Maßnahmen nutzen und ergreifen, die geeignet sind, Schülerinnen und Schüler

noch wirksamer vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Bei sexuellen Kontakten in der Schule darf es keine Toleranz geben. Deshalb ist es gut, dass wir heute diese Änderung auf den Weg bringen. Das ist uns Auftrag und Verpflichtung zugleich.

Es wird im Schulgesetz jetzt geregelt, dass der gegenseitige Respekt, die gegenseitige Achtung, das gegenseitige Vertrauen und der verantwortungsvolle Umgang mit Nähe und Distanz im Schulgesetz festgeschrieben werden. Wir sind uns sicher, dass diese Änderung als präventive Maßnahme noch einmal das Bewusstsein aller an Schule beteiligten Personen in besonderer Weise schärft und damit auch im Schulgesetz zweifelsfrei verdeutlicht wird, dass alle Schülerinnen und Schüler in einem Obhutsverhältnis zu allen Lehrkräften und allen an Schule beteiligten Personen stehen.

(Beifall der SPD und bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es war uns immer selbstverständlich, dass es so ist und sexuelle Kontakte zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften und sonstigem Personal in Schulen mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag einer Schule unvereinbar und unzulässig sind. Jetzt wird das noch einmal klargestellt. Damit werden wir uns diesem Rechtsempfinden selbst bewusst, wie es nach diesem überraschenden Urteil aus Koblenz als notwendig angesehen wurde. Wir stellen das noch einmal ganz deutlich klar. Das ist uns sehr wichtig.

Ich möchte festhalten, dass bereits auch in der Vergangenheit alles getan worden ist, um Schülerinnen und Schüler vor sexuellen Übergriffe zu schützen und, wenn tatsächlich ein Vorfall gewesen ist, die Schulaufsicht auch heute schon unmittelbar gehandelt und in allen Fällen sexuelle Handlungen zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schüler als Verletzung der Dienstpflicht disziplinarisch geahndet hat. Das führte in der Regel zur Entfernung aus dem Dienst.

Darüber hinaus wird im Privatschulgesetz die notwendige Prüfung der persönlichen Eignung von Lehrkräften explizit ins Gesetz geschrieben. Das war bisher in der Praxis schon der Fall, jetzt ist es noch einmal schriftlich verdeutlicht.

Über die strafrechtliche Bewertung und Gesetzgebung werden sich die Justizminister beraten.

Ich möchte noch einmal klarstellen, dass es unsere beiden Minister waren, Bildungsministerin Doris Ahnen und Justizminister Jochen Hartloff, die unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils aus Koblenz initiativ geworden sind und die Problematik in der jeweiligen Ministerkonferenz thematisiert haben, um weitreichendere Möglichkeiten eines gesetzlichen Schutzes zu prüfen. Dafür können wir dankbar sein.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns nun diese Schulgesetz- und Privatschulgesetzänderung beschließen, die das Obhutsverhältnis und die persönliche Eignung klar definiert. Damit wollen

wir unserer Verantwortung gerecht werden, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz noch besser vor sexuellem Missbrauch in der Schule geschützt werden. Diese Gesetzesänderung ist ein gutes Signal für unsere Schulen im Land.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ratter das Wort.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ja, auch wir stimmen diesem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Schulgesetzes und des Privatschulgesetzes zu. Er findet bei allen Fraktionen im Haus seine Zustimmung; denn wir sind uns einig, dass die angestrebten Änderungen eine klare Akzentuierung setzen und ein richtiger Schritt sind, eine Sensibilisierung in den Kollegien für die Thematik des sexuellen Missbrauchs an Schulen herbeizuführen.

Das Schulgesetz steckt meiner Auffassung nach bisher schon den Rahmen für den verantwortungsvollen Umgang von Lehrkräften mit Schülerinnen und Schülern ab, allerdings kann nicht über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2012 hinweggesehen werden. Das Vorliegen eines Obhutsverhältnisses wird dort deutlich enger aufgefasst, als dies im Sinne eines respektvollen Umgangs aller Mitglieder der Schulfamilie miteinander sinnvoll erscheint.

Es ist deshalb auch uns GRÜNEN ein Anliegen, die Formulierungen zum Obhutsverhältnis in den Schulen zu präzisieren; denn Übergriffigkeit verbietet sich in jedem Fall, und nicht nur dort, wo eine direkte Verbindung durch Klassen- oder Fachlehrerinnen und -lehrer vorliegt. Übergriffigkeit verbietet sich an allen Schulen, und alle Menschen, die sich um Kinder und Jugendliche im Auftrag von Schulträgern und Land kümmern, haben sich an das geltende Schulrecht zu halten und sind im Falle eines Verstoßes dienst- und strafrechtlich zu belangen.

Sexuelle Gewalt an Schulen ist in Deutschland ein weitgehend unerforschtes Feld. Sie können das heute in einer Zeitschrift über Kinder- und Jugendrecht nachlesen, die in Ihrem Postfach liegt. Dies gilt nicht nur für rechtswidrige Beziehungen zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern. Neben der Studie des Deutschen Jugendinstituts e.V., das 2011 Daten zu sexueller Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen erhoben hat – ich habe in der ersten Lesung darauf hingewiesen –, gibt es bislang nur wenig gesicherte Erkenntnisse zu diesem Thema.

Schülerinnenbefragungen von Baier et al. 2009 sowie Allroggen et al. 2012 zeigen uns exemplarisch auf, dass in diesem Bereich noch ein gewisser Bedarf besteht. Umso wichtiger ist es, das Thema ins Bewusstsein aller an der Schule Beteiligten zu rücken. Bettina Brück hat schon darauf hingewiesen.

Insgesamt darf nicht unterschätzt werden, welche Bedeutung für die Prävention der gelebten Praxis an den Schulen zukommt: dem Schulklima, das Respekt im Umgang miteinander pflegt, dem Leitbild, das die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen ebenso ernst nimmt wie ihre fachliche Qualifizierung, dem Schulprogramm, das – pädagogisch begründet – präventive Arbeit auch gegen sexuelle Gewalt beinhaltet: Theaterprogramme, Courage-Programme und Ähnliches mehr.

Ich bin davon überzeugt, dass ein Klima der Achtsamkeit, eine Verständigung über klare Regeln im Umgang miteinander und das offene Gespräch mit Schülerinnen, Eltern und Lehrerinnen mehr bewirken als jede Änderung des Schulrechts. Darin sind wir uns wahrscheinlich auch alle einig. Dennoch begrüße ich insbesondere die Hinzufügung des bereits erwähnten § 1 Abs. 5, der den verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz an hervorgehobener Stelle, einer Präambel gleich, betont. Diese Formulierung zeigt den richtigen Weg, und deshalb unterstützen wir auch den vorliegenden Gesetzentwurf unbeschadet aller weiteren Initiativen und Maßnahmen, die wir in Verbindung mit der Thematik noch angehen werden. Ich denke, dafür kann man noch einiges tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Beckmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Bei den bisherigen Beratungen zum Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes und zum Privatschulgesetz hat sich erfreulicherweise gezeigt, dass es in dieser sensiblen Frage eine große Übereinstimmung über alle Fraktionen hinweg gibt. Schülerinnen und Schüler noch besser vor sexuellem Missbrauch zu schützen, ist unser gemeinsames Anliegen, und ich danke Ihnen schon jetzt dafür, dass Sie alle angekündigt haben, den Gesetzentwurf unterstützen zu wollen. Ich bin mir auch ganz sicher, dass dies in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen wird.