Protokoll der Sitzung vom 08.03.2013

Für die Landesregierung erteile ich Arbeitsminister Schweitzer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal ein Wort des Dankes an die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richten, die sozusagen zum Abschluss des dreitägigen Plenums, in denen wir uns gesehen und miteinander geredet haben, noch einmal den Fokus auf eine ganz besondere sozialpolitische und arbeitsmarktpolitische Situation richten, die auch gestern schon eine Rolle gespielt hat. Es ist sicherlich kein Zufall, dass wir uns heute am Weltfrauentag mit der Frage von Flexibilität und Sicherheit am Arbeitsmarkt beschäftigen können.

Zu den Zahlen ist schon etwas gesagt worden. Wir haben heute tatsächlich die Situation, dass wir in Deutschland weit über 7 Millionen Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der geringfügigen Beschäftigung finden, sogenannte Minijobs. Es ist so, dass wir in Rheinland-Pfalz davon ausgehen müssen, dass wir rund 370.000 Beschäftigungsverhältnisse dieser Art haben. Das ist die Zahl von September 2012, die ich als jüngste Zahl gefunden habe.

Wenn man sich anschaut, in welchen Bereichen der Wirtschaft diese Jobs entstanden sind, dann gibt es schon eine wertende Aussage. Von diesen 370.000 Beschäftigungsverhältnissen, die wir in Rheinland-Pfalz haben, sind über 350.000 dem gewerblichen Bereich zuzuordnen. Es sind gerade einmal 16.000, die wir im Bereich der Privathaushalte finden.

Liebe Frau Thelen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich sage das mit den Privathaushalten deshalb, weil Sie natürlich auf den gewünschten Effekt damals bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes abgestellt haben, dass man durch die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse Schwarzarbeit verhindern möge. Wir alle wissen natürlich nicht aus der eigenen persönlichen Erfahrung, aber vielleicht kennt man jemand, von dem man weiß, dass es so war, dass viele Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zur Unterstützung bei den Dingen des täglichen Lebens oftmals schwarz organisiert waren.

Wenn wir 16.000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Rheinland-Pfalz haben, dann kann man vielleicht davon ausgehen, dass so manches bisherige Schwarzarbeitsverhältnis tatsächlich sein Ende gefunden hat. Aber das würde bei diesen Effekten doch bei Weitem nicht rechtfertigen, dass wir diese andere Zahl zur Kenntnis nehmen müssen, nämlich die hohe Zahl von insbesondere weiblichen Arbeitsplätzen, die dort neu entstanden sind, wo andere klassische Normalarbeitsverhältnisse reduziert wurden.

Meine Damen und Herren, genau das ist die Problematik, dass wir eine Verlagerung der klassischen Normalarbeitsverhältnisse weg von diesen abgesicherten Arbeitsverhältnissen und von diesen Möglichkeiten, tatsächlich auch eine Erwerbsbiografie zu begründen, die Chancen beinhalten, hin zu diesen unsicheren Tätigkeiten haben.

Liebe Frau Thelen, Sie haben Ihren Antrag sehr frühlingshaft formuliert. Er atmet einen gewissen Optimismus, den ich leider nicht teilen kann.

Sie haben auch Zahlen genannt. Sie haben selbst recherchiert, wie Sie gesagt haben, und haben ausgeführt, es sind doch vor allem die kleinen Unternehmen, bei denen man davon ausgehen muss, dass diese Minijobs entstanden sind.

Ich glaube, Sie haben das als Zahl genannt, um Ihre eigene Argumentation zu unterstützen, dass es nicht zu missbräuchlichen Formen geführt hat. Frau Thelen, man muss sich die Struktur in Rheinland-Pfalz anschauen. Wir haben 92 % aller Unternehmen am Markt, die zu den kleinen Unternehmen gehören. Wir haben die Situa

tion, dass 92 % aller Unternehmen in Rheinland-Pfalz weniger als zehn Beschäftigte haben. Dann ist es nicht beruhigend, sondern eher beunruhigend, dass Sie sagen, genau in diesen Unternehmen besteht die Gefahr und die Möglichkeit, dass Arbeitsplätze verdrängt werden.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Liebe Frau Thelen, Ihr Argument, ich fürchte, es ist so, richtet sich gegen Sie selbst. Sie sollten das deshalb dringend überprüfen. Ich fühle mich eher darin bestätigt, dass wir von einer problematischen Situation ausgehen müssen.

Alles, was Frau Dr. Machalet und Frau Spiegel zu dem Thema gesagt haben, wie die Absicherung und wie die Unterstützung für gute und gelingende Erwerbsbiografien für Frauen und Männer von heute ist, ist gerechtfertigt.

Wenn wir den Blick nach vorne richten und uns anschauen, wie sich das bei der Alterssicherung auswirken soll, dann muss die Beunruhigung größer werden. Wer von 400-Euro- und jetzt 450-Euro-Jobs sein Dasein fristen muss und im familiären Verbund noch etwas hinzubekommt – auch dann wird es nicht reichen –, der wird irgendwann keine eigenen Ansprüche haben. Das ist genau das, was wir im Sinne einer sicheren und offenen Gesellschaft nicht wollen.

Liebe Frau Thelen, Sie haben in Ihrem Beitrag und Ihrem Antrag geschildert, dass die 450-Euro-Jobs eine Brücke ins Erwerbsleben darstellen. Wenn man sich anschaut, wie stark die Zahl gestiegen ist und wie groß der Anteil derer ist, die inzwischen ausschließlich einen geringfügigen Job ausüben, dann kann man nicht mehr ernsthaft von einer Brücke sprechen. Wir haben eher den gegenteiligen Effekt. Wir haben eine Sogwirkung der Minijobs, und zwar raus aus den Normalarbeitsverhältnissen, hin in die geringfügigen, ungesicherten Jobs.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Meine Damen und Herren, glauben Sie bitte nicht, dass das die sozusagen oftmals am Arbeitsmarkt Gescheiterten sind, bei denen man sagen würde, besser diesen Job als gar keinen. Wir haben die Situation, dass wir gut ausgebildete Generationen haben, die auf den Arbeitsmarkt drängen, die von einer Befristung, einem Praktikum in einen Minijob kommen. Diese bauen genau diese Erwerbsbiografien auf, bei denen wir dann mit Blick auf den demografischen Wandel denjenigen die Frage stellen, die vielleicht Ende 20 oder Anfang 30 sind, wo die Kinder bleiben. Man darf sich nicht wundern, dass die in dieser wirtschaftlichen und sozialen Situation anderes in Erwägung ziehen, als Kinder in die Welt zu setzen. Das muss uns klar sein.

(Beifall des SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie schreiben, dass die Bundesregierung in diesem Bereich unterwegs ist. Das betrifft Nummer 2 Ihres Antrages. Ich zitiere: „Die tatsächliche Entwicklung ist zu beobachten und zu analysieren, um zeitgerecht notwen

dige politische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Das hat die Bundesregierung zugesagt.“

Frau Thelen, das ist goldig. Es ist schön, dass die Bundesregierung zugesagt hat, dass sie sich die Situation anschaut. Man muss gar nicht so lange warten, um eine Analyse zu haben. Wir haben sie heute schon entlang der Zahlen, die wir gehört und gesehen haben, auf dem Tisch. Die Analyse ist eindeutig. Wir haben missbräuchliche Strukturen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Wir haben Verunsicherung. Wir haben mindestens eine Zweiteilung des Arbeitsmarktes zulasten der gut ausgebildeten Frauengeneration, die heute auf den Arbeitsmarkt drängt. Wir müssen nicht mehr warten und beobachten, wir müssen handeln.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eines muss ich noch sagen, ich bitte um Verzeihung. Unter Nummer 4 haben Sie im Copy-and-pasteVerfahren das, was Sie gestern formuliert haben, noch einmal in den Antrag eingebracht. Darüber haben wir gestern schon diskutiert. Sie schreiben: „Der Landtag spricht sich“ – er wird es hoffentlich nicht tun – „für eine durch die Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und gegen einen politischen Mindestlohn aus.“ Da ist wieder der Popanz, den Sie gestern aufgebaut haben.

Sie haben gestern einen Untoten auftreten lassen, den politisch festgelegten Mindestlohn. Sie haben es gestern nicht erklären können, worin ein politisch festgelegter Mindestlohn bestehen soll. Wenn er nach unserem Konzept von Gewerkschaften, Arbeitgebervertretern und Wissenschaft festgelegt wird, dann stellt sich die Frage, wo er politisch ist. Sie können es nicht erklären. Sie konnten es gestern nicht und können es heute nicht. Sie sollten den Untoten endlich begraben. Ich glaube, das wäre richtig.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke den Koalitionsfraktionen für diesen Antrag, der das Handeln der Landesregierung unterstützen und befruchten wird. Ich glaube, wir sollten uns in diesem Weg weiterentwickeln.

Ich danke Ihnen ganz herzlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Wird eine Überweisung an den Ausschuss beantragt? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2085 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Alternativantrag. Wer dem Antrag der Fraktion CDU – Drucksache 16/2109 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wir sind am Ende unserer Beratungen. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass um 13:00 Uhr eine nicht

öffentliche Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses zur Beratung des Nachtragshaushaltes stattfindet. Zur Ausschusssitzung eingeladen sind auch die Mitglieder des Innenausschusses, des Ausschusses für Integration, Familie, Kinder und Jugend, des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur sowie des Wirtschaftsausschusses.

Die nächste Plenarsitzung findet am Dienstag, den 19. März 2013, um 11:00 Uhr statt.

E n d e d e r S i t z u n g: 12:06 Uhr.