Protokoll der Sitzung vom 06.06.2013

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss. Frau Ahnen, ich bitte Sie an dieser Stelle, nicht nur Briefe zu beantworten.

(Glocke des Präsidenten)

Vielleicht nehmen Sie genau zu dem Fall, den Sie jetzt kennen, heute Stellung, damit wir einmal ganz konkret über diese Frage reden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Brück das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein der Titel der Aktuellen Stunde der CDU ist ein Affront und wieder einmal nur der Skandalisierung und der Schlagzeile geschuldet. Statt sich wirklich sachlich mit der Thematik auseinanderzusetzen, verfolgen Sie wiederum das Spiel „Wir werfen mal mit Schmutz; ein bisschen wird schon hängen bleiben“.

(Pörksen, SPD: Genauso ist es!)

Die Unterstellung, die Landesregierung schließe prekäre Verträge, weisen wir auf das Schärfste zurück.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind solche, von denen man nicht leben kann. Das sind solche, die keine Absicherung in der Sozialversicherung haben und die kaum oder nur mit geringen Arbeitnehmerrechten unterlegt sind. Die Landesregierung bezahlt die angestellten Lehrkräfte nach Tarifvertrag, und zwar nach dem Tarifvertrag der Länder, der auch für CDU-geführte Länder gilt und der wahrscheinlich auch mit denen zusammen ausgehandelt worden ist. Hier läuft alles nach Recht und Gesetz.

Was ist denn für die CDU prekär? Warum lassen Sie sich eigentlich nicht auf einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro ein?

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Vielleicht ist Ihnen das zu wenig. Vielleicht wollen Sie eine gesetzliche Lohnuntergrenze, die weit über den Tarifen des TV-L liegt. Das wäre uns auch recht. Darüber können wir diskutieren.

Der befristete Beschäftigungsvertrag für eine Vertretungskraft ist keineswegs die Regel, sondern er stellt die Ausnahme dar. Wir haben in diesem Haus schon sehr, sehr viele Male darüber diskutiert. Die Regel ist die Einstellung auf freie Planstellen. Ca. 800 unbefristete Beamtenstellen werden jedes Jahr neu besetzt. Die Einstellung auf freie Beamtenstellen richtet sich nach der Fächerkombination, nach dem Bedarf an den Schulen sowie nach den Noten der Bewerberinnen und Bewerber.

Die Ausnahme einer tariflichen Beschäftigung im Zuge eines befristeten Vertrages ist für Fälle einer Vertretung

wegen längerfristigen Krankheit, Elternzeit, Abordnung oder Sonstigem vorgesehen. Es gibt also einen Grund für diesen Vertretungsvertrag. Bei all diesen Vertretungsverträgen gibt es darüber hinaus keine freie Planstelle, sondern die fehlende Lehrkraft, die diese Planstelle innehat, hat einen Rückkehranspruch auf ihre Stelle. Auch das ist eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Wie gesagt, hier hält sich die Landesregierung an Recht und Gesetz.

Vertretungsverträge gibt es also nur bei einem Vertretungsgrund. Besteht dieser Grund nur bis zu den Sommerferien, endet der Vertrag dann. Ist absehbar, dass der Grund über die Sommerferien hinaus gilt, wird der Vertrag länger bis zum Wegfall des Grundes geschlossen. Ich möchte gerne einmal wissen, was der von Ihnen so verehrte Rechnungshof sagen würde, wenn wir das anders handhaben würden. Das gilt auch für die Höhe des Stundenumfangs einer Vertretungslehrkraft. Auch in diesem Fall stehen der Bedarf und der sparsame Mitteleinsatz im Vordergrund.

Natürlich wollen wir auch, dass möglichst wenig Vertretungsverträge geschlossen werden und die jungen Lehrkräfte möglichst verlässliche Lebensperspektiven erhalten. Deshalb haben wir den Vertretungslehrerpool mit bisher 200 Planstellen aufgebaut, der sukzessive auf 1.000 Stellen erweitert wird. Vollkommen ohne Vertretungslehrkräfte werden wir aber nicht auskommen, weil dann die Flexibilität für kurzzeitige Vertretungen oder bei einem Bedarf für bestimmte Fächer und an bestimmten Schulen im Land in unterschiedlichen Regionen fehlt.

Hinzu kommt etwas, was eigentlich vollkommen selbstverständlich ist oder was man gut nachvollziehen kann. Hat eine Schule eine gute Lehrkraft als Vertretungskraft, möchte sie diese meistens kaum wieder hergeben und für andere Vertretungsfälle behalten, weil die Schule diese Lehrkraft schon kennt und weil die Schulgemeinschaft gut mit ihr zusammenarbeitet. Das kommt mir bei allem Verständnis für die Situation manchmal schon ein bisschen wie ein Perpetuum mobile vor.

Liebe CDU, dann noch etwas ganz anderes. Gestern haben Sie einen Gesetzentwurf mit dem Schulbudget von Hessen eingebracht. Wissen Sie, was die hessischen Schulen damit überwiegend machen? Die hessischen Schulen haben massiv Probleme mit Vertretungsverträgen. Dafür nutzen sie nämlich oftmals ihr Budget. Da müssen Sie sich entscheiden, ob wir Planstellen oder keine Planstellen haben wollen. Wir wollen Planstellen, um so vielen jungen Menschen wie möglich eine Chance auf eine Planstelle bieten zu können.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es zeigt sich auch, dass das eine Chance ist, weil man mit einem Vertretungsvertrag seine Auswahlnote um 0,2 Notenpunkte für ein Jahr bzw. maximal um einen Notenpunkt verbessern kann. Das ist für viele junge Lehrkräfte eine Chance, um in den Lehrerberuf hineinzukommen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir bilden sehr viele junge Lehrkräfte aus. Wir verwahren uns dagegen, dass man uns missbräuchlichen Umgang mit Vertretungslehrkräften vorwirft.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Ratter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Eigentlich kann ich meine Rede einpacken, weil sie das wunderbar gesagt hat. Meine Zahlen, die ich gerne geliefert hätte, sind alle enthalten gewesen. Das gilt auch für den Bonus.

(Unruhe bei der CDU)

Anstelle einer Schweigeminute, die vielleicht als Bedenkzeit für die CDU-Opposition gar nicht so schlecht wäre, gibt mir das die Gelegenheit, ein paar Beispiele einzubringen, warum Ihre alte Leier von 110 % oder 105 % – je nach Bescheidenheitsbonus – Einstellung keine Lösung für die Probleme und keine Alternative zu flexiblen Arbeitsverträgen an den Schulen sein kann.

Zum Zeitpunkt der Kleinen Anfrage von Frau HuthHaage hatten wir zum Stichtag 19. März 2013 genau 3.790 Vertretungslehrerverträge. Dabei handelt es sich um Personen und nicht um Vollzeitäquivalente.

Wenn Sie sich einmal überlegen, wie sich diese aufteilen und wie wenig damit an Stundenkontingenten verbunden sind, ist die Rechnung mit der Bezeichnung „prekär“ zwar anscheinend nachvollziehbar, aber schlicht und einfach falsch. Gehen Sie einmal an eine Schule mit etwa 800 Schülerinnen und Schülern und etwa 80 Lehrerinnen und Lehrern. Dann werden Sie feststellen, dass von den 80 Lehrerinnen und Lehrern etwa die Hälfte nicht ein volles Deputat hat, weil sehr viele Männer und Frauen – Männer zunehmend – gar nicht das volle Deputat ausschöpfen; denn sie haben in ihrer Zeit, die sie mit der Familie verbringen, noch andere Verpflichtungen – egal ob das Eltern- oder Pflegezeiten sind – und wollen deshalb überhaupt nicht das ganze Deputat erfüllen.

Wenn nun aber Lehrer und Lehrerinnen krank werden oder, wie es häufig insbesondere bei den Grundschulen der Fall ist, in denen es sehr viel junge Lehrerinnen gibt, eine Schwangerschaft vorliegt, dann wissen wir, dass für eine gewisse Zeit eine Vertretung eingestellt werden muss. Diese kann aber nicht immer passgenau in die Schule geholt werden. So kommt es zustande, dass bestimmte Kolleginnen und Kollegen über Zeitverträge angestellt werden.

Bettina Brück hat es überzeugend dargelegt. Wenn die Schule mit diesen Kolleginnen zufrieden ist, hat sie ein hohes Interesse daran, sie nicht nur im Pool zu behal

ten, sondern sie auch bei Bedarf zu aktivieren. Das ist richtig, wenn die Begründung aktuell ist.

Hessen mit 6.000 Verträgen und 50.000 Lehrerinnen und Lehrern hat sicherlich deutlich andere Probleme als wir; denn dort haben die Begründungen, was die aktuelle Vertretung anbelangt, nicht funktioniert. Sie wissen genau wie ich – das wird wahrscheinlich auch der Anlass für diese Aktuelle Stunde sein –, dass dort unbefristete Verträge eingeklagt worden sind. Ich gehe davon aus, dass das in Rheinland-Pfalz nicht der Fall sein wird; denn es ist gute Praxis, dort Leute unter Vertrag zu nehmen, wo sie mit ihrer guten Leistung eine temporär ausfallende Kraft ersetzen können.

In einer Schule mit 80 Lehrerinnen und Lehrern bei 800 Schülerinnen und Schülern kann das möglicherweise zur Folge haben, dass in der Kombination der kurzfristig nicht zur Verfügung stehenden beamteten Lehrkraft eine Person, zwei oder sogar drei Personen eingestellt werden, weil die Fächerkombination nicht 1 : 1 zu ersetzen ist. Damit haben sie dann plötzlich drei Personen mit drei Vertretungsverträgen auf der Stelle einer einzigen beamteten Lehrkraft.

Ich nenne ein konkretes Beispiel. Sie haben einen Lehrer oder eine Lehrerin, die Erdkunde, Chemie und Sport unterrichtet, aber im Pool keine einzige Person, die diese Fächer ersetzen kann. Dann werden sie drei Verträge ausstellen. Es kann auch dazu kommen, dass in der Nachfolge in anderer Kombination Folgeverträge entstehen.

Wenn Sie sich die Zahlen in diesem Schuljahr anschauen, wissen Sie auch, dass im August etwa 2.200 Vertretungsverträge ausgestellt wurden und die Zahl im September geringfügig anstieg. Damit ist das widerlegt, was Herr Baldauf gesagt hat, nämlich dass über die Sommerferien in aller Regel die Verträge auslaufen. Das ist in Hessen der Fall. Bei uns ist das nur zu einem gewissen Teil der Fall und auch gut begründet. Natürlich kann es sehr wohl sein, dass eine Elternzeit vor den Sommerferien endet oder eine Krankheit, wie wir alle hoffen, irgendwann mit der Gesundung oder Rückkehr des verbeamteten Lehrers oder der verbeamteten Lehrerin in den Dienst erfolgt.

Es gibt genug Gründe und richtige Anlässe dafür, Vertretungslehrerverträge erneut auszustellen.

(Glocke des Präsidenten)

So sehr wir uns wünschen, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen alle ihre Anstellung finden können, können wir nicht 1.855 Lehrerinnen und Lehrer einstellen. Dazu komme ich in der zweiten Runde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nd der SPD)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Vertretungsverträge, mit dem man seriös umgehen muss, ist sehr ernst zu nehmen.

Lieber Herr Baldauf, jeder Brief einer Lehrkraft in einer solchen Frage wird von uns beantwortet. Es wäre schön, wenn Sie dazugesagt hätten, dass der Brief von Frau Ines Clemens, den sie eben zitiert haben, vom 30. Mai datiert und man daraus noch keinen Vorwurf konstruieren kann, wenn er nicht beantwortet ist.

(Frau Brück, SPD: Das ist ja eine Unverschämtheit!)

So gehen wir mit dieser Frage nicht um. So sollten Sie mit dieser Frage auch nicht umgehen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)