Protokoll der Sitzung vom 06.06.2013

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Steinbach das Wort.

Es wurden 10 Minuten Grundredezeit vereinbart.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen der Opposition, die die Arbeit in Berlin verrichtet, und der Opposition, die hier im Landtag vorhanden ist. Die Opposition in Berlin ist regierungsfähig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Frau Klöckner, CDU: Ach du lieber Gott! Arroganter geht es nicht!)

Ja, nennen Sie es arrogant.

Meine Damen und Herren, Sie von der CDU sollten uns allen einen Gefallen tun und den lieben Leserinnen und Lesern auch, Sie sollten Ihre Anträge einfach ein bisschen deutlicher kennzeichnen. Das macht es beim Lesen einfacher. Auf diesem Antrag sollte eigentlich nur folgende Nummer stehen: 22092013, der Tag der Bundestagswahl; denn das ist die eigentliche Intention dieses Antrags, eine bundespolitische Steuerdebatte in den Landtag zu bringen. Das würde klarmachen, worum es in Ihrem Antrag geht, um die Debatte zum Bundestagswahlkampf über Steuern hier um die Frage zu führen, wer eigentlich welche Aufgaben in Zukunft finanziert.

Meine Damen und Herren, das ist doch das, was in diesem Antrag steht. Da haben Sie sich sicherlich gedacht, als Sie den Antrag ersonnen haben, wie wunderbar schlau Sie sein können und dass Sie jetzt die SPD und die GRÜNEN im Landtag für die Beschlüsse auf Berliner Ebene vorführen und – dann die böse Steuerbrandmarkungsnummer, wie sie Herr Schreiner in der Paraderolle vorgeführt hat – dicke Krokodiltränen über die vermeintliche Mittelschicht und Handwerksunternehmen vergießen können. Dann können Sie sich vor die Leute stellen, sagen und versprechen, mit uns gibt es keine Steuererhöhungen.

(Dr. Weiland, CDU: Richtig!)

Obwohl Frau Klöckner im Bundesvorstand der CDU sitzt und auch Sie, mein lieber Herr Baldauf, eigentlich da sitzen, ist es Ihnen offensichtlich entgangen oder mit Ihnen nicht besprochen worden, dass die Kanzlerin vorletzte Woche eine neue Volte ersonnen, Versprechungen in Höhe von round about 30 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt und diese einfach nicht finanziert hat. Da war aber Ihr Antrag schon eingebracht. So ein Pech aber auch, dass das jetzt auffliegt und so gar nicht zusammenpasst.

Wir haben heute Morgen die Aktuelle Stunde schon genutzt, um das weidlich herauszuarbeiten, dass das nicht ganz konsistent ist, was Sie vortragen. Ich glaube, es wird anhand dieses dünnen Antrags deutlich und nun endgültig für jedermann sichtbar, meine Damen und Herren.

Ich glaube, das ist das, was wir anhand dieses steuerpolitischen Antrags von Ihnen feststellen können. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir sagen ganz klar vor einer solchen Auseinandersetzung als SPD, auch als GRÜNE, was wir finanzieren und wie wir finanzieren wollen. Ich glaube, es ist die glaubwürdigere und ehrlichere Antwort, den Leuten zu erklären, dass zusätzliche Leistungen, die erforderlich sind oder die wir für erforderlich halten, nur mit zusätzlichen Einnahmen möglich sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Das ist der Unterschied zu Ihnen, die sich damit in die vollkommene Unglaubwürdigkeit manövrieren, 30 Milliarden Euro versprechen und gleichzeitig brandmarken, aber Steuern werden nicht erhöht.

Meine Damen und Herren, das glaubt Ihnen kein Mensch.

(Dr. Weiland, CDU: Ihr habt doch gar keine einheitliche Meinung!)

Dieser Antrag ist die Inszenierung dafür.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Weil das Thema „Glaubwürdigkeit“ so gut zu dem passt, wie die letzte Legislaturperiode im Bund gelaufen ist, will ich Ihnen noch ein paar Stichworte dazu liefern. Einfach, niedrig, gerecht, ist Ihnen dieser Dreiklang noch geläufig? – Das war Ihr Koalitionspartner, das war die Überschrift über das, was Sie steuerpolitisch veranstalten wollten. Tut mir leid, das kann ich nicht erkennen.

Erst als die Wahlkampfzeit wieder nahte, haben Sie entdeckt, dass im steuerpolitischen Bereich irgendwie etwas im Argen liegt, haben das Thema ausgegraben und es in Richtung des Bundesrats vorgeschoben, um den Bundesrat oder die dort herrschende rot-grüne Mehrheit vermeintlich vorführen zu können. Ansonsten haben Sie sich in der Bundesregierung und der Bundesfinanzminister allen Vorschlägen, die mit dieser Landesregierung – zusammen übrigens mit der hessischen Seite – an Steuervereinfachungen gemacht worden sind, verweigert. Sie haben selbst beim Jahressteuergesetz so lange herumgezackert, dass bestimmte Sachen wie elementare Bereiche bei der Erbschaftsteuer massiv gefährdet waren. Das war Ihr Vorschlag zur Steuer. Das war Ihre reale Steuerpolitik. Dann stellen Sie sich mit einem solchen Antrag hin. Das ist fast schon frech.

Ich will Ihnen noch mehr Ihrer wunderbaren Leitsätze vorlesen bzw. vortragen. Mehr Netto vom Brutto, ach du liebe Zeit, was war das für ein schönes Wörtchen.

(Dr. Weiland, CDU: Kalte Progression!)

Ja, für wen denn?

Für wen ist denn mehr Netto vom Brutto drin gewesen? – Für Ihre Hotelklientel war die Milliarde Euro da und schnell um die Ecke. Das war das Erste, was Sie gemacht haben. Da haben Sie abgebaut.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wo waren denn Ihre Anteile, die Sie im Bundesrat beim Abbau der kalten Progression zugesagt haben? – Herr Carsten Kühl hat es schon ausgeführt. Nichts davon ist gekommen. Sie haben das als reines Wahlkampfgetöse missbraucht. Dafür mehr Netto vom Brutto.

Ich kann Ihnen noch etwas zum Stichwort „Krankenkassenbeiträge“ vorlesen. Wer beweint denn hier die Mittelschicht? – Ich sage Ihnen, wer die Krankenkassenbeiträge bezahlt. Das waren die Arbeitnehmerbeiträge, die Sie da angehoben haben, und zwar deutlich. Das sind die Leute, vor die Sie sich vermeintlich stellen und Krokodilstränen vergießen.

(Dr. Weiland, CDU: Das ist doch lauter Quatsch! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, es widerspricht absolut Ihrer Politik in Berlin und ist deswegen ein Ausweis Ihrer Unglaubwürdigkeit bei diesem Thema.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sagen Sie doch in dieser Debatte, was Sie wollen.

Entschuldigung, Herr Steinbach, ich muss Sie unterbrechen.

Herr Gies, ich wollte Sie darauf hinweisen, falls Sie Fotos oder Filme machen, das ist nicht erlaubt.

Vielen Dank. – Herr Steinbach.

(Ernst, CDU: Das ist die letzte Rede von Herrn Stein- bach! Die muss im Bild festgehalten werden!)

Ich sage einfach nur „Teppichkante“.

Meine Damen und Herren, vergießen Sie keine Krokodilstränen, sagen Sie doch einfach, was Sie wollen. Sie wollen weiterhin die großen Vermögen schonen, Sie wollen weiterhin Kapitalerträge niedriger besteuern als Arbeitseinkommen, und das alles im Namen einer sogenannten Mittelschicht, die hiervon gar nicht profitiert. Das ist sichtbar, das weiß jeder, der einigermaßen rechnen kann. Da können Sie noch so laut tösen, das wird Ihnen auf die Füße fallen, und das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen. Das wird Ihnen die Bevölkerung nicht mehr glauben.

Meine Damen und Herren, deswegen ist Ihr Antrag ebenso offensichtlich wie durchsichtig und damit einfach nicht zustimmungsfähig.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Dr. Barbaro das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerd Schreiner begann seinen Wortbeitrag mit dem Satz, Deutschland geht es gut. Das ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Makroökonomisch geht es Deutschland derzeit gut. Ich glaube aber, zu dem Satz, Deutschland geht es gut, gibt es auch noch eine differenzierte Geschichte, die ein bisschen anders ist als dieses Rosa, das Sie gezeichnet haben.

Deutschland geht es so gut, dass der Armuts- und Reichtumsbericht eine Wahrheit an den Tag gebracht hat, die die Bundesregierung so für nicht für veröffentlichbar oder zumutbar hielt und meinte, hieran „herumschönen“ zu müssen.

Deutschland geht es so gut, dass die Daehre-Kommission ohne Widerspruch der Bundesregierung davon ausgeht, dass jährlich allein in der Verkehrsinfrastruktur 7,2 Milliarden Euro fehlen.

Deutschland geht es so gut, dass noch heute nicht klar ist, wie der Bund seine Zusage einhalten will, die Kommunen nachhaltig bei der Eingliederungshilfe zu entlasten.

Deutschland geht es so gut, dass zum 1. Januar 2014 – das ist der Stand heute – Tausende von Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern ihre Arbeit aufgeben müssen, weil der Bund aus der Finanzierung ausgestiegen ist.

Deutschland geht es so gut, dass es Wenigen immer besser und Vielen immer schlechter geht.

In dieser Situation stellen Sie einen Antrag, der weit hinter dem Parteitag der CDU von Leipzig 2003 zurückfällt. Ich behaupte, es gibt einen Geist in diesem Antrag, der lautet: Ein ausgehöhlter Staat ist ein guter Staat; denn die Menschen, die den guten starken Staat brauchen, sind die Menschen, die wir nicht mehr im Blick haben. Steuern senken, Ausgaben kürzen und für die soziale Gerechtigkeit sorgt dann wohl die freie Marktwirtschaft.

Ich will auf ein paar Punkte in Ihrem Antrag gern eingehen, zum einen auf den Zusammenhang zwischen Investitionen der Unternehmen und Steuern. Je höher die Steuern, desto weniger Investitionen gibt es, so einfach ist die Welt.

Fakt ist, wenn jedes Jahr 7,2 Milliarden Euro Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur fehlen, dann behindert das vor allem die Investitionen von Unternehmen. Wenn die Unternehmen nicht glauben, dass diese Gesellschaft zukunftsfähig ist, dann werden sie auch nicht investieren.

Herr Schreiner, was Sie sagen ist, in Griechenland wird momentan nicht investiert, weil die Steuersätze so hoch sind. Das wollten Sie uns doch wahrscheinlich gerade gesagt haben. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Das ist die Ziffer 2.

In Ziffer 2 fällt mir auf – aber Sie mögen mir widersprechen –, dass Sie sich bei aller Polemik „keine Steuersenkung usw.“ ein Hintertürchen offenlassen: die Erhöhung der Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl; denn Sie schließen alle Steuern aus, aber sagen nichts über indirekte Steuern. Sagen Sie uns, natürlich werden wir auch die indirekten Steuern eher senken, aber auf keinen Fall erhöhen wollen. Das wäre wirklich mutig.