Verehrte Frau Vizepräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bin froh, dass es den drei Landtagsfraktionen gelungen ist, zu diesem wichtigen Thema einen gemeinsamen Antrag einzubringen, wenngleich ich es persönlich favorisiert hätte, den Antrag noch stärker auf das Wesentliche einzudämmen, wie Herr Kollege Wehner es schon ansatzweise vorgetragen hat, nämlich auf das Verbot des nicht warenhinterlegten Handels, das Verbot des Hochfrequenzhandels sowie des außerbörslichen Derivatenhandels,
und gleichfalls mehr Transparenz in den Marktabläufen einzufordern. Ich warne aber davor, es zu übertreiben; denn das größte Gift für eine nachhaltige Entwicklung in allen Bereichen heißt „Überregulierung“. Durch Überregulierung wird jede Entwicklung gebremst und gehemmt. Freie Märkte und freier Handel bringen Wohlstand, und dies überall. Betrachten wir uns Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert: Zoll- und Handelsschranken haben Unterversorgung und Hungersnöte, die wir heute nicht mehr kennen, geradezu provoziert und die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand durch Provinzfürstentum und Kleinstaaterei verhindert.
Nach einer Studie der Weltbank vom November 2012 bestehen die Nahrungsmittelprobleme in Afrika mit 400 Millionen Hektar fruchtbaren Landes vor allem wegen der Handelsbarrieren und der bürokratischen Hürden. Ganz aktuell zu diesem Thema präsentiert sich die Ukraine mit ihren Schwarzerdeböden: Einst die Kornkammer Europas, ist sie zum Nahrungsmittelnettoimporteur geworden. Durch Handelshemmnisse, durch staatlich festgesetzte marktferne Preise, durch eine Landreform, die eine ökonomisch erfolgreiche Landbewirtschaftung
nicht zulässt, verhindert sie die unternehmerische Entfaltungsmöglichkeit und erstickt die Eigeninitiative, nämlich die Spekulation auf bessere Verfahren, schon im Keim. Das Ergebnis können wir einreihen in die Liste der Misserfolge durch Überregulierung im Handelswesen.
Börsenhandel und außerbörsliche Warentermine sind nachweislich signifikante Werkzeuge der Geschäftssicherung für Erzeuger und Verarbeiter. Sie sorgen für Marktübersicht und Preiskontinuität, und sie bieten Erzeugern und Verarbeitern sichere Kalkulationsgrundlagen.
Wenn wir diese Marktmechanismen unterbinden wollten, würden wir sozusagen das Kind mit dem Bade ausschütten und uns, wie Ingo Pries in der „FAZ“ vom 31. August 2012 schreibt, „ein moralisches Eigentor zivilgeschäftlicher Organisationen schießen“.
Reaktionäre Kräfte haben in wilhelminischer Zeit dies schon versucht und den Börsenhandel und Warentermingeschäfte verboten. Gerade wenn man das moralische Anliegen, die globale Lebensmittelversorgung zu verbessern, ernst nimmt, muss man sich anderer Werkzeuge als denen der Marktregulierung bedienen. Meine Ausführungen basieren auf umfangreichen Studien des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung. – Im Übrigen wurden die 1897 beschlossenen Verbote von Warentermingeschäften nach völlig desaströsen Erfahrungen im Jahr 1900 wieder erlaubt.
Wenden wir uns nun der preislichen Ist-Situation von Agrarrohstoffen zu, sind Lebensmittel nichts wert. Was provokant klingt, bestätigt sich jedoch beim Anblick von Abrechnungen aus landwirtschaftlicher Urproduktion. Nehmen wir die Agrarleitwährung Weizen des Jahres 2010. Erzeugerauszahlungspreise von 7,50 Euro bis 10 Euro pro Doppelzentner generieren umgerechnet, variierend von der Brötchengröße, einen Weizenkostenanteil pro Brötchen von 0,1 bis 1 Cent. Die Folgen davon verursachen bei Betrieben auf der Nordhalbkugel einen Eigenkapitalverzehr in ungeahnter Weise, einen auf Jahre provozierten Investitionsstau und, wie aus den Statistiken deutlich wird, die Aufgabe einer Vielzahl von bäuerlichen Familienbetrieben,
Sehen wir uns die Entwicklung auf der Südhalbkugel an. Aufgrund niedriger landwirtschaftlicher Produktionserlöse stellen wir fest, dass auch dort produzierte Nahrungsmittel nicht ihren Erzeuger ernähren. Es mangelt an landwirtschaftlicher Infrastruktur sowie an einem vernünftigen Marktzugang. Handelsstrukturen und Spekulation, die für eine Warenverteilung notwendig sind, fehlen komplett. Die Politik fördert zudem unökonomische Produktionsmethoden. Es kommt zur Landflucht, und viele produktive Flächen werden in der Annahme aufgegeben, dass das Überleben in der Stadt einfacher sei. – Die Auswirkungen sind uns allen bekannt.
Wer aufgrund der Weizenpreisentwicklungen der Ernte 2012, die allen Marktanalysen zufolge physisch hinterlegt sind, von hohen Rohstoffpreisen spricht, der sei an das Preisniveau von Getreide aus der Mitte der 80erJahre im 20. Jahrhundert erinnert. Weizen erzielte damals einen Preis mit Qualitätsaufschlägen von umgerechnet 25 Euro pro Doppelzentner. Der Liter Diesel schlug damals mit 1,2 Kilogramm Weizen zu Buche. Ein 100-PS-Schlepper kostete damals umgerechnet 1.200 Doppelzentner Weizen.
Zum Vergleich nehmen wir das Jahr 2010. Für einen Liter Diesel müssen 20 Kilogramm Weizen verkauft werden, und für einen 100-PS-Schlepper sogar 10.600 Doppelzentner. Die jährlichen Ertragssteigerungen durch innovative Züchtungen und optimierte Anbaumethoden können die monetären Verluste nicht einmal im Ansatz ausgleichen. Deswegen sind die steigenden Rohstoffpreise, die noch nicht einmal das Niveau von 1980 erreicht haben, aus landwirtschaftlicher und gesamtpolitischer Sicht weltweit zu begrüßen.
Sie werden den Landwirten wieder weltweit die Möglichkeit einräumen, sich von ihrer Scholle zu ernähren. Sie werden die Landflucht eindämmen, weil auch in den Entwicklungsländern die Früchte harter Arbeit wieder etwas wert sein werden. Heutige Grenzstandorte können wieder in Kultur genommen werden, und die ökologisch motivierte Flächenstilllegungspolitik ist umzukehren in eine Produktionspolitik, die hilft, die globale Versorgungslage zu verbessern. Der weltweite Hunger geht damit zurück.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass steigende Rohstoffpreise weltweit ein Segen für die bäuerliche Landwirtschaft auch im Sinne der Nachhaltigkeit sind.
Hüten wir uns vor einer Überregulierung des Marktes und der Marktbeteiligten. Setzen wir uns in Zukunft für die Stärkung wissenschaftlicher Agrarforschung sowie die weltweite Verbesserung der Ausbildung der Landnutzer ein. Dies ist der einzige Weg, um die wachsende Weltbevölkerung angemessen zu ernähren und durch funktionierende Handelsstrukturen die Distribution zu ermöglichen. Deswegen müssen wir uns bei allen unseren Anträgen von der marktpolitischen Vernunft leiten lassen.
Herr Kollege Wehner, ich möchte noch ein Wort zum Rückzug der DZ Bank aus dem Agrarstoffhandel sagen. Sie haben leider nur die Überschrift gelesen. Der Rückzug der DZ Bank aus dem Agrarstoffhandel
ist nicht etwa höherer Einsicht geschuldet, dass ihre Tochtergesellschaft Union Investment keine Nachfolgeprodukte mehr auflegt, sondern der Tatsache, dass es sich um einen unprofitablen Geschäftszweig handelt.
Ich hätte noch ein wenig mehr zu sagen, aber angesichts der vorgerückten Stunde mache ich es wirklich kurz:
Mit mainstream-artiger Wohlfühlrhetorik wurde hier ein unprofitabler Geschäftszweig medial im Windschatten des Gutmenschentums entsorgt, nicht mehr und nicht weniger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Wir haben am 4. September eine Anhörung zu den steigenden Rohstoffpreisen und den Spekulationen mit Nahrungsmitteln durchgeführt. Damals waren wir uns genau wie heute einig, dass mit Nahrungsmitteln nicht spekuliert werden darf. Darin stimme ich Herrn Zehfuß ausdrücklich zu: Die Landwirtschaft erzielt sehr gern hohe Nahrungsmittelpreise, und von hohen Preisen können wir auch sehr gut leben. Wir müssen schließlich von unseren Betrieben leben können.
Ich möchte aber auch noch auf ein paar wenige Dinge aufmerksam machen, die im Rahmen der Spekulationen zu einem Problem werden und die begründen, dass der Handel mit Nahrungsmitteln reguliert werden muss bzw. dass entsprechende Rahmenbedingungen dafür gesetzt werden sollten. Wenn Spekulanten darauf spekulieren, dass es Dürrekatastrophen gibt, dass es in Amerika, in Australien oder wo auch immer zu Dürren oder zu Überschwemmungen kommt, treten sie auf den Markt und verteuern uns extrem die Lebens- und die Futtermittel.
Darum müssen wir diese Spekulanten eigentlich vom Markt verdrängen. Es geht letztendlich darum, mehr Transparenz zu haben. Dadurch wird mehr Marktstabilität erreicht. An Warenterminbörsen dürfen keine Banken und keine Rohstofffonds mit privaten Investoren mitmischen sowie keine Großhändler das Zigfache dessen an Waren umsetzen, was sie überhaupt verbrauchen.
Für Spekulanten müssen höhere Eigenkapitalquoten gelten, damit sie mit ihrem eigenen Geld und nicht mit Krediten spekulieren. Ganz wichtig dabei ist, an diesem Markt der landwirtschaftlichen Produkte haben eigentlich nur Landwirtinnen und Landwirte sowie Händler und Marktteilnehmer etwas zu suchen, die auch mit diesen Produkten arbeiten, und nicht irgendwelche Börsen, Banken oder Versicherungen, die letztendlich zwar künstlich den Preis hochtreiben, aber die Menschen in den Entwicklungsländern, die deutlich mehr für ihre Lebensmittel ausgeben müssen als wir, in den Hunger treiben.
Darum ist es unsere politische Verantwortung, Rahmenbedingungen dafür zu setzen, auch wenn wir das im
Landtag nicht direkt können. Es ist aber sehr wichtig, dass wir uns heute mit diesem gemeinsamen Antrag auf den Weg machen, Signale zu setzen und die Botschaft nach außen mit dem gesamten Parlament zu tragen, uns gegen Spekulationen mit Lebensmitteln und mit Futtermitteln auszusprechen. Darum möchte ich mich auch bei allen drei Fraktionen bedanken, dass wir dies gemeinsam ordentlich auf den Weg gebracht haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich darf mich bei den Fraktionen dafür bedanken, diesen Antrag eingebracht zu haben. Das Wetten auf die Verteuerung von Nahrungsmitteln ist ethisch hoch problematisch. Ich denke, das haben Sie in Ihren Reden auch deutlich gemacht. Es trifft natürlich die armen Bevölkerungsteile vor allem in den Entwicklungsländern.
Es sind natürlich diejenigen Profiteure, die Spekulanten sind, Banken, bestimmte Erzeuger. Verlierer sind Verbraucherinnen und Verbraucher in allen Bereichen. Entwicklungsländer, die auf die Lebensmittelimporte angewiesen sind, haben bei den steigenden Preisen erhebliche zusätzliche Probleme, die Versorgung zu decken.
Die Exportländer, zu denen wir durchaus auch zählen, zum Beispiel von Getreide, sind bei höheren Preisen besser gestellt und können einen Erlös und Wohlfahrtszuwachs verzeichnen. Es ist aber natürlich klar – ich glaube, Herr Zehfuß hat dies auch angesprochen –, höhere Preise können natürlich auch Investitionen in die Landwirtschaft anregen, Produktionserweiterungen forcieren, einen Fortschritt bewirken und zu einer Verbesserung der Welternährung führen. Aber hohe Preisschwankungen – darum geht es heute – auf den Agrarmärkten stellen ein erhöhtes finanzielles Risiko auch für unsere Erzeuger und die gesamte nachfolgende Produktionskette dar.
Ziel der Landesregierung ist es daher, Strategien zu verfolgen und zu unterstützen, die genau diese extremen Preisschwankungen eindämmen, Missbrauch und Manipulation auf den Agrarrohstoffmärkten verhindern, aber die positive Funktionsfähigkeit der Agrarterminmärkte nicht stören oder beeinträchtigen.
Die Marktteilnehmer brauchen natürlich eine Absicherung an den Märkten, aber – auch das haben meine Vorredner gesagt – wir meinen damit die echten Marktteilnehmer; denn eine sehr große Anzahl der Beteiligten sind keine echten Marktteilnehmer mehr. Da geht es um
Die Richtlinie der EU ist angesprochen worden. Es gibt Ansätze zur Regulierung. Ich meine, da gibt es noch viel zu viele Schlupflöcher, auch für Rohstoffspekulationen. Hier muss dringend nachgebessert werden. Dafür setzt sich die Landesregierung ein.
Ich denke, auch die Ebene der WTO oder die gerade aktuelle Diskussion um das US-Freihandelsabkommen ist ein wichtiges politisches Handlungsfeld, um diese Fehlentwicklungen im Bereich des Agrarhandels zu vermeiden und zu unterbinden. Es muss darum gehen, dass wir faire Bedingungen haben, wir in allen Regionen global die Interessen der Bevölkerung im Auge haben, hier mit Lebensmitteln gut versorgt zu werden, und natürlich auch die Interessen der Erzeuger. In diesem Sinne setzen wir uns gerade ein im Zusammenhang mit dem US-Freihandelsabkommen, wie mit den Agrarrohstoffen und der Eindämmung der Spekulationen umgegangen wird.
Vielen Dank. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Vielen Dank. Das war einstimmig.
Verlässliche Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2387 –
dazu: Grundlagen für verlässliche Beschäftigungsverhältnisse an rheinland-pfälzischen Hochschulen schaffen Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/2417 –