Sie haben eben dargestellt, dass Ihnen dieses Thema sehr wichtig ist. Warum dann aber erst heute die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs stattfindet, bleibt wohl das Geheimnis dieses Wirtschaftsministeriums. Frau Lemke, leider sind wir die Verzögerungen aus Ihrem Ministerium mittlerweile gewohnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von den GRÜNEN, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass wir uns in der Aktuellen Stunde Zeit nehmen, um über das Problem des Fachkräftemangels intensiv zu diskutieren. Das Anerkennungsgesetz ist nämlich nur ein kleiner Bestandteil einer notwendigen Gesamtstrategie in Bezug auf den Fachkräftemangel.
Ich will allerdings das Anerkennungsgesetz an der Stelle nicht abwerten. Ich kann ganz vieles von dem unterstreichen, was Sie eben vorgetragen haben.
Ja, wir brauchen eine Willkommenskultur, um eine qualifizierte Zuwanderung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels zu ermöglichen. So haben wir es auch in einem Antrag der rheinhessisch-pfälzischen CDU gefordert.
Ja, wir brauchen auch eine Reduzierung der Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss. Aber warum ist die Landesregierung hierbei nicht in der Lage, das Projekt „Keine/r ohne Abschluss“ nicht nur in homöopathischen Dosen, sondern flächendeckend anzubieten? – Das wäre doch ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung des Fachkräftemangels.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in den Schulen werden doch die Grundlagen gelegt, um hervorragende Fachkräfte auszubilden. Warum aber haben gerade die Stützen des deutschen Erfolgsprojekts „Duale Ausbildung“, nämlich die Berufsschulen, den mit Abstand höchsten Unterrichtsausfall im Land? – Das ist nicht zu erklären.
Warum sind Schulstandorte für Berufsausbildungen gefährdet? Sie wissen doch sicher auch, dass es für Azubis schwer vorstellbar ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln morgens eine oder zwei Stunden zur nächsten Berufsschule zu fahren, wenn dort auch noch Unterricht ausfällt. Das ist sicherlich keine gute Grundlage, um hier den Fachkräftemangel zu bekämpfen und eine gute Ausbildung zu garantieren.
Warum erfahren wir hier nichts über Konzepte, wie Ausbildungs- oder Studienabbrecher sinnvoll einen Übergang in eine Ausbildung finden? – In Rheinland-Pfalz
bricht fast ein Viertel der Auszubildenden die Lehre ab. Im Bundesdurchschnitt ist es ähnlich. Hier sind durch eine gute und intensive Beratung bei der Berufswahl riesengroße Potenziale zu heben. Hier ist noch erheblich mehr Potenzial drin.
Warum sind keine Gelder da, um genau diese hervorragenden Projekte – ich nenne hier nur beispielhaft KÜM; der Sozialminister kennt es – flächendeckend und dauerhaft zu installieren und zu finanzieren? – Die Gelder sind nicht da, und die Projekte versanden nach einem erfolgreichen Start.
Warum beklagen Sie auf der einen Seite den Fachkräftemangel, und warum erheben auf der anderen Seite gerade die GRÜNEN Forderungen nach einer noch höheren Abiturquote? – Eine Abiturquote von 80 % wäre ganz genehm, wie ich zuletzt gehört habe. Ich denke, das ist kontraproduktiv, wenn es um das Thema „Fachkräftemangel“ geht. Mehr dazu in der zweiten Runde.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die beiden Vorredner haben bereits deutlich gemacht: Der Ruf der Wirtschaft nach Fachkräften – aktuell noch verhalten, aber in den nächsten Jahren steigend; so wird es von der Wirtschaft prognostiziert – wird immer lauter. Deshalb ist es richtig, dass wir die Berufsorientierung in den Schulen weiter ausbauen und unsere jungen Leute qualifizieren, um zu verhindern, dass viele Jugendliche, immerhin noch 6 % bis 7 %, die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Da sind wir sehr erfolgreich bislang. Das Projekt wird ausgebaut.
Lieber Kollege Brandl, es ist wie immer, wenn neue Projekte aufgelegt werden, zum Beispiel das Projekt „Keine/r ohne Abschluss“: Es wird zunächst kritisiert und draufgehauen, dann wartet man einen Moment, und wenn es erfolgreich ist, fordert man gleich einen flächendeckenden Ausbau für das ganze Land. So läuft es jedes Mal bei Ihnen.
Aber wir sind auf einem guten Weg, was den Ausbau der Berufsorientierung angeht. Das betrifft auch den Versuch der Industrie- und Handelskammern, junge Menschen beispielsweise aus Spanien anzuwerben, um in Deutschland eine Ausbildung zu machen, wobei sie entweder dauerhaft hierbleiben oder auch in ihre Heimat zurückgehen können. Ein weiterer Punkt ist, im Ausland erworbene Berufsabschlüsse endlich hier anzuerkennen.
Wir alle kennen diese Situation, beispielsweise aus Berlin: Wenn man in einem Taxi sitzt und sich mit dem Fahrer unterhält, stellt man mit Erstaunen fest, dass er eigentlich Arzt, Ingenieur oder Lehrer ist. Wenn man fragt, warum er seinen Lebensunterhalt mit Taxifahren verdienen muss, erhält man oftmals als Antwort, dass sein Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Deshalb ist es richtig, dass wir dieses riesengroße, meines Erachtens bislang ungenutzte Potenzial endlich heben und den Menschen eine Perspektive bieten.
Herr Kollege Baldauf, ich komme gleich dazu. Ganz ruhig bleiben, nicht aufgeregt sein; ich komme gleich zu Ihnen. – Deshalb ist es wichtig und richtig und sogar längst überfällig. Was hat denn die CDU auf der Bundesebene die ganze Zeit gemacht? – Unterhalten wir uns doch einmal über die doppelte Staatsbürgerschaft.
Danke. Das freundliche Lächeln ist Antwort genug an dem heutigen Tag. – Wir gehen jetzt daran. Herr Kollege Brandl hat richtigerweise festgestellt, der Bund hat den ersten Aufschlag gemacht. Meines Erachtens war auch das längst überfällig. Jetzt ziehen die Länder nach. Wir sind an der Reihe. Rheinland-Pfalz liegt im Mittelfeld. Aber uns war wichtig, dass wir keinen Schnellschuss machen, sondern den Dialog mit den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern suchen.
(Frau Klöckner, CDU: Aha! Kein Schnellschuss! Dann braucht man ein Jahr! Ein Jahr, ein Gesetz! – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Brandl, es geht nicht nur darum, sich Fachkräfte zu sichern. Das zeigt auch, dass wir Menschen mit ausländischen Abschlüssen Respekt für ihre Lebensleistungen entgegenbringen und ihre Qualifikationen in Deutschland anerkennen; denn sie werden gebraucht. Das ist auch die Voraussetzung für eine echte Integration.
Um auf den Taxifahrer zurückzukommen: Zunächst – so heißt es in dem Gesetzentwurf – werden bereits im Land lebende Personen mit ausländischen Berufsabschlüssen das Gesetz nutzen. Das ist genau der richtige Weg; denn es sind Menschen wie der Taxifahrer, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, gut Deutsch spricht und nun endlich die Möglichkeit hat, in Gänze anzukommen, indem er den Beruf, den er irgendwann erlernt hat, hier 1 : 1 ausübt, gegebenenfalls mit einer Nachqualifizierung. Aber auch hier werden entsprechende Möglichkeiten und Optionen geschaffen, um einen 100 %igen Abschluss zu erzielen.
In den wenigen Sekunden Redezeit, die ich noch habe, möchte ich zwei Beispiele – man kann sagen: zwei Zitate – von Erfolgsbeispielen nennen. Erstes Beispiel: Eine Ärztin aus Kamerun, Michelle Ange Monteu, lebt seit fast fünf Jahren in Deutschland. Sie hat in Mali Medizin studiert und als Ärztin gearbeitet. Nach einer erfolgreichen
Kenntnisprüfung hat sie eine deutsche Approbation erhalten und arbeitet jetzt als Ärztin im Krankenhaus. –
Ein zweiter Fall aus Finnland: Susanna Kenetti ist ausgebildete Augenoptikerin und Betriebswirtin. Seit fünf Jahren lebt sie in Berlin. Jetzt wurde ihre Ausbildung von der Handwerkskammer Berlin anerkannt. – Viele Beispiele solcher Erfolgsgeschichten dürften sich aufzeigen lassen und werden in den nächsten Jahren noch folgen. Ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg, was dieses Gesetz angeht. Mehr dazu in der zweiten Runde.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich natürlich darüber, dass Ihnen allen dieses Thema so sehr am Herzen liegt. Es liegt, wie Sie schon festgestellt haben, auch der Wirtschaft am Herzen.
Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat gestern die Ergebnisse einer Befragung veröffentlicht. Es sind 354 Top-Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Justiz, Kirchen, Medien und Militär befragt worden. Demnach ist der demografische Wandel für 60 % der Spitzenführungskräfte die dringlichste gesellschaftliche Herausforderung. Hieran erkennen wir, dass der Weg, den wir auf Bundes- und Landesebene gemeinsam gehen, einer ist, den wir mit der gesamten gesellschaftlichen Kraft, die wir brauchen, beschreiten können und müssen.
Ich freue mich natürlich auch, dass die Opposition im Landtag konstruktiv daran mitwirkt, anstatt dass wir darauf warten, dass uns die Probleme auf die Füße fallen und am Ende die Politik von einer Krisensitzung zur anderen hetzen muss. Wir haben in Rheinland-Pfalz – die Statistik für das Jahr 2012 liegt noch nicht vor – 600 Anträge bearbeitet und stehen sehr einvernehmlich mit den Kammern und den Anerkennungsstellen im Dialog über viele Detailfragen zu den unterschiedlichen Berufsbildern, für die es zum Teil ohnehin schon einzelne Regelwerke gesetzlicher Art gibt, sodass diese alle einfließen und berücksichtigt werden mussten.
Es ist also ein sehr breiter Dialogprozess mit den Kammern und der Wirtschaft diesem Gesetz vorausgegangen. Dass erfolgreich Anträge auch im Laufe des Verfahrens bearbeitet werden konnten, zeigt, dass wir in diesem Bereich absolut handlungsfähig sind.
Jetzt müssen wir aber die Weichen über diese Übergangsfrist hinaus stellen, damit uns nicht in 10 oder 15 Jahren die Auswirkungen des Fachkräftemangels überrollen. Wir müssen uns an allen Stellen der Politik fragen, welche Auswirkungen unsere Entscheidungen haben.
Sie sind darauf eingegangen, dieses Gesetz verbessert ganz deutlich die Erwerbschancen von Migrantinnen und Migranten. Das ist eine Zielgruppe, die wir natürlich im Prozess der Fachkräfteanwerbung unbedingt stärker an den Markt bringen wollen.
Heute Nachmittag wird deshalb in erster Lesung der Gesetzentwurf zur Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in RheinlandPfalz beraten. Dieses Gesetz leistet einen positiven Beitrag zur Beschäftigungssituation von Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die mit ausländischen Berufsausbildungsabschlüssen zu uns kommen. Es kann nicht sein, dass bei uns jemand Taxi fährt, der aus dem Ausland einen Universitätsabschluss mitgebracht hat, der bei uns nicht anerkannt wird, weshalb diese Person bei uns keine Arbeit findet. Das muss beendet werden.
Wir wollen es außerdem einschätzen können – das ist wichtig –, die Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ein Gespür dafür bekommen und müssen Sicherheit darüber erlangen, welche Bedeutung die ausländischen Abschlüsse für sie haben, wie sie verglichen werden können und ob sie durch die Anforderungen bei der Besetzung im hiesigen Arbeitsmarkt erfüllt werden.
Darüber hinaus wollen wir natürlich auch die Leistungen der Menschen, die auf unserem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz finden wollen, wertschätzen können. Das ist also auch ein Baustein für eine Wertschätzung.