Protokoll der Sitzung vom 04.07.2013

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Brück hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion ist ein sehr wichtiges und ernsthaftes Thema. Ich bin froh, dass ich bei diesem Tagesordnungspunkt auf den Punkt 4 in der Aktuellen Stunde zurückkommen kann, den ich leider aufgrund der Zeit nicht mehr ausführen konnte. Ich finde, wir sollten uns sachlich mit der Thematik auseinandersetzen. Wir versuchen, ein bisschen auf den Boden der Sachlichkeit zurückzukommen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Die Vision im Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein bisschen anders – Frau Dickes, ich trage es noch einmal vor –, als Sie es vorgetragen haben. In Rheinland-Pfalz findet Lernen lebenslang gemeinsam statt. Das ist für uns der Maßstab in der weiteren Ausgestaltung inklusiver Bildung in Rheinland-Pfalz.

Wenn ich mir die Diskussionen vergegenwärtige, dann ist mir bei der CDU immer noch unklar, was sie will und wie der Weg sein soll.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist liegt aber nicht an der CDU! – Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Unser Weg ist klar. Wir wollen ein vorbehaltloses Elternwahlrecht. Ehrlich gesagt finde ich es ein bisschen befremdlich, den Eltern abzusprechen, in der Lage zu sein, zum Wohle ihrer Kinder zu entscheiden. Wir glauben, dass das Eltern sehr verantwortungsbewusst tun und dazu durchaus in der Lage sind.

Wir nehmen die UN-Konvention ernst. Es handelt sich hier nicht um irgendein Papierchen, sondern um einen internationalen Vertrag, der ausgefüllt werden muss und will.

Die Große Anfrage zeigt deutlich, wir haben in Rheinland-Pfalz seit mehr als zehn Jahren große Anstrengungen unternommen und lange vor der UN-Behindertenrechtskonvention angefangen, inklusive Wege zu gehen. Das zeigen 255 Schwerpunktschulen. Das zeigt ein Anteil von ca. 25 % Inklusion zum heutigen Zeitpunkt. Das zeigt eine der niedrigsten Förderschulquoten aller Bundesländer. Hier wurde gute Arbeit in der frühkindlichen Bildung und vor allen Dingen in der Grundschule geleistet, weil es uns gelingt, viele Kinder bereits frühzeitig zu fördern. Da gilt allen beteiligten Lehrkräften und Erzieherinnen und Erziehern ein ganz dickes Dankeschön.

Wir sind verantwortungsvoll im Ausbau. Wir haben die nötigen Ressourcen sichergestellt, die uns eine Möglichkeit von 40 % inklusiver Beschulung bieten, wenn die Eltern dies wünschen. Es gibt bereits heute gute Kooperationen auf allen Ebenen, in der Kita, in allen Schularten, auch in den berufsbildenden Schulen, den Gymnasien und den Förderschulen, die sie eben genannt haben. Es gibt Kooperationen mit Betrieben.

In der Lehrerbildung sind große Anstrengungen in der Neuorganisation gemacht worden. Wir wollen das weiter intensivieren.

Das alles ist einem transparenten und partizipativen Prozess und Verfahren erfolgt.

Aus diesen kurz skizzierten bisherigen Schritten leite ich unser Fazit für die weitere Entwicklung und den Ausbau der schulischen Inklusion ab. Ein weiterer bedarfsgerechter Ausbau von Schwerpunktschulen, um ein echtes Wahlrecht zu ermöglichen, muss sein. Die weißen Flecken müssen behoben werden. Dieses Wahlrecht muss schulgesetzlich verankert werden. Dazu gehört auch die nötige Beratung der Betroffenen. Ich weiß nicht, wie Sie es sonst verwirklichen wollen, Frau Dickes. Mit ist echt schleierhaft, wie Sie das machen wollen.

Inklusion muss noch stärker als bisher in der Lehreraus- und -weiterbildung verankert werden. Das haben wir immer in allen Diskussionen gesagt. Es sind sehr gute Schritte im Studium getan worden. Das Pädagogische Landesinstitut bietet vielfältige Fort- und Weiterbildungsangebote auch für berufsbildende Schulen an, die bereits Projekte laufen haben. In den berufsbildenden Schulen wollen wir Inklusion intensivieren und weiter ausbauen.

Mir erschließt sich nicht ganz, was Sie zu den Gymnasien und dem zielgleichen Unterricht, gesagt haben. Wenn man mit den Gymnasialkräften spricht, dann sind es die,

die sagen, die Gruppen sind heterogener denn je. Man muss auch dort individuell fördern. Das ist Aufgabe einer jeden Lehrkraft. Ich finde, da müssen wir viel differenzierter diskutieren.

Schließlich müssen die Förderschulen zu Förder- und Beratungszentren weiterentwickelt werden, weil die sonderpädagogische Kompetenz unserer Förderschullehrkräfte für den weiteren Inklusionsprozess unerlässlich und von zentraler Bedeutung für alle Fragen ist, die mit Personal zu tun haben, egal wie das ausgestaltet sein mag. Frau Dickes, Sie interpretieren Dinge in den Antrag hinein, die nicht drinstehen.

Das ist wichtig für die Unterrichtsgestaltung, die Unterrichtsqualität, die Beratung aller Betroffenen, vor allen Dingen der Eltern und der Lehrkräfte in den Schwerpunktschulen und für die Weiterbildung in Teams in Förder- und Schwerpunktschulen.

Die SPD-Fraktion hat in den letzten Monaten eine Vielzahl von Gesprächen mit allen Betroffenen geführt. Alle Abgeordneten haben Schulen besucht. Wir wollen die weiteren Schritte zur inklusiven Bildung gemeinsam mit den betroffenen Eltern, Schülern, Schulen und Schulträgern weiterentwickeln. Diese Schritte müssen transparent sein und ein Höchstmaß an Partizipation bieten.

(Glocke der Präsidentin)

Ihre Aussagen verdeutlichen mir, dass wir noch viel an Haltungen und Einstellungen arbeiten müssen, damit Inklusion in der Gesellschaft verankert werden kann, vor allen Dingen in der CDU-Fraktion. Wir wollen ein selbstbestimmtes Lernen, und zwar unabhängig von der Herkunft und der Beeinträchtigung.

(Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Ahnen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist spät an diesem Tag geworden, der nicht unanstrengend war. Ich finde, trotzdem geht es jetzt noch einmal um ein Thema, das unsere Aufmerksamkeit verdient hat.

Frau Dickes, ich mache keinen Hehl daraus, ich bin über das, was Sie eben hier gesagt haben, erzürnt, wirklich erzürnt.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Wie Sie über diese Themen hinweggehen und wie Sie über Eltern reden, die vor schwierigen Entscheidungen stehen, das finde ich dem Thema und der Problematik in keiner Art und Weise angemessen.

Frau Dickes, wenn ich die UN-Behindertenrechtskonvention zitiere, dann habe ich sie wenigstens dabei oder habe vorher hereingeschaut. Ich nehme nicht ein Wort aus Artikel 7 heraus, sondern dann schaue ich sie mir insgesamt an und beziehe in meine Überlegungen auch Artikel 24 mit ein.

Ich sage Ihnen eines. Ich habe ein schönes Zitat des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, der bekanntlich Ihrer Partei angehört, gefunden. Der hat gesagt: „Wer Inklusion will, sucht Wege – wer Inklusion nicht will, sucht Begründungen“. Sie suchen permanent nach Begründungen, warum bestimmte Dinge nicht gehen sollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht unsere Linie. Wir überlegen nicht immer, was nicht geht,

(Bracht, CDU: Das ist Ihr Problem!)

sondern wir wissen, dass wir auf einem Weg sind. Wir wissen, dass es auf diesem Weg holpert. Wir sind dezidiert der Meinung, dass wir diese Schritte, einen nach dem anderen, gehen müssen, um Inklusion in diesem Land umsetzen zu können.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass Inklusion von Lehrkräften und Eltern unterschiedlich erlebt wird. Deswegen machen wir es Schritt für Schritt. Wir wollen auf diesem Weg keinen zurücklassen. Wir nehmen die Menschen, mit denen wir es auf diesem Weg zu tun haben, ernst. Wir nehmen sie in ihren Interessen ernst. Wir wissen, dass es sich lohnt, sich für gleiche Teilhabechancen einzusetzen.

Sie sagen dann, es brennt mit dem Gesetzentwurf. Jenseits dessen, dass der Gesetzentwurf offensichtlich nicht Ihre Zustimmung findet, sind wir dezidiert der Meinung, wir haben Anfang des Jahres angekündigt, wie der Gesetzentwurf in seinen großen Zügen aussehen wird, nämlich dass es ab dem Schuljahr 2014/2015 ein uneingeschränktes Wahlrecht für die Eltern geben wird. Das haben wir noch vor dem Gesetzentwurf mitgeteilt, damit man sich darauf vorbereiten kann. Jetzt erarbeiten wir einen Gesetzentwurf, mit dem sich das Parlament befassen kann, und das geschieht rechtzeitig vor dem Schuljahr 2014/2015.

Die Aussage, die mich wirklich geschockt hat, ist die, dass Sie sagen, das mit dem Elternrecht sehen Sie dezidiert nicht so, sondern Sie sind für das Kindeswohl. Das heißt doch de facto, dass aus Ihrer Sicht verantwortliche Entscheidungen von Eltern gegen das Kindeswohl stehen. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bin dezidiert der Meinung, dass Eltern verantwortliche Entscheidungen für ihre Kinder auch in schulischen Fragen treffen. Aber wenn wir dieses Elternwahlrecht schon allgemein für die Eltern von Schülerinnen und Schülern einräumen, um wie viel dringender ist es dann, dass wir diesen Elternwunsch, die Elternperspektive, bei Kindern mit Behinderungen ernst nehmen. Wer hat denn die Kinder auf ihrem bisherigen Weg begleitet? Wer weiß denn, in welchen Gruppen sie gut gefördert werden? Wer weiß denn, welche Potenziale und Rahmenbedingungen sie brauchen? Das wissen doch wohl am besten die Eltern.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn das Elternwahlrecht insgesamt ein guter Ratgeber in der Schule ist, dann ist es es allemal bei Kindern mit Behinderung. Ich wundere mich, wie man einfach darüber hinweggehen kann. Wir haben ein ehrgeiziges Ziel. Wir haben eine Zielperspektive – übrigens keine Quote, sondern eine Zielperspektive –, dass wir sagen, wir wollen 40 % erreichen, weil wir das für realistisch halten. Wir haben dafür zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt. Wir werden einen Gesetzentwurf vorlegen. Wir wollen die Förderschulen zu Förder- und Beratungszentren weiterentwickeln.

Selbstverständlich wird auch das Thema „Fortbildung und Ausbildung“ ein Schwerpunkt sein. Auch da sind wir viel weiter, als Sie heute hier getan haben, ohne dass ich für mich in Anspruch nehmen würde, dass wir schon für jeden Punkt eine Lösung hätten. Dann will ich Sie aber auch einmal auf Folgendes hinweisen: Die, die dafür gekämpft hat, dass bei der Qualitätsoffensive Lehrerbildung auf Bundesebene die Inklusion ein Schwerpunkt ist, steht hier gerade vor Ihnen.

Es war unter anderem die Aufgabe von Rheinland-Pfalz, solche Bestandteile überhaupt in diesem Konzept unterzubringen, damit sie dann auch auf Hochschulebene nicht nur mit Landesmitteln, sondern auch mit Hochschulmitteln gefördert werden können. Ich würde Sie wirklich bitten, beim Thema „Inklusion“ noch einmal nachzudenken, ob Sie weiter den Weg gehen wollen, dass Sie jedes Problem, auch wenn es noch keines ist, zum Gegenstand von Debatten machen oder ob Sie sich vielleicht doch gemeinsam mit uns auf den Weg machen wollen. Wir halten es für richtig, Wege zu suchen und nicht nach Begründungen zu suchen, warum Dinge nicht gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Somit ist die Besprechung der Großen Anfrage erledigt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag. Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Das

ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Somit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.