Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nicht zuletzt deshalb ist genaues Hinsehen gefordert, wenn ausgerechnet Sie sich Selbstständigkeit und Autonomie auf die Fahnen schreiben. Da Sie bei den Hessen abgeschrieben haben, stellt sich dann auch schnell heraus, dass Ihr Modell der selbstständigen Schule wie das hessische in Wirklichkeit ein Sparprogramm ist. Für die Schulen bedeutet das zum Beispiel, die Möglichkeit von Selbstständigkeit bei der Bildung von Lerngruppen wird bei gleichbleibender Stellenzuweisung zur Farce.

Wollen die Schulen kleinere Lerngruppen bilden, dann können sie das nur tun, indem sie andere vergrößern.

Die Möglichkeit zur selbstständigen Stellenbewirtschaftung seitens der Schulleitungen schafft vor dem Hintergrund von Mittelknappheit Anreize zu Lohndumping. So sagt zum Beispiel ein Schulleiter im Interview zur „Frankfurter Rundschau“: Ich kann mir dann zum Beispiel einen Bäckermeister einstellen, der eine Mehlallergie hat. Damit kann er nicht mehr in seinem Beruf arbeiten, aber Arbeitslehre unterrichten. Das kostet mich weniger, und so habe ich wieder Mittel frei für anderes. –

Das ist die Selbstständigkeit nach hessischem Vorbild. Nicht mit uns!

Die unternehmerische Schule versteht Schulleiterinnen als Managerinnen. Nicht umsonst heißt die hessische Einrichtung zur Qualifizierung von Schulleiterinnen „Führungsakademie“. Die Selbstständigkeit der Schulen in Hessen zielt auf Verfestigung hierarchischer Strukturen ab. Wir in Rheinland-Pfalz setzen dagegen auf die Erweiterung demokratischer Mitbestimmung. Niemand stellt in Abrede, dass auch Schulen mit ihren Mitteln haushalten müssen. Aber Schulen sind keine Konzerne, Schulleiter sind keine Manager und Schülerinnen und Schüler keine Produkte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich will das hessische Modell selbstständiger Schulen nicht höher hängen, als ihm gebührt. Die Hessische Landesregierung schiebt ihre Verantwortung für sozialverträgliche Haushaltskonsolidierung an die Schulen ab und feiert das als Fortschritt. Da darf es Sie nicht verwundern, wenn wir andere Wege beschreiten wollen. Deshalb ein klares Ja zur Selbstständigkeit der Schulen, aber nicht nach hessischem Sparmodell, und schon gar nicht mit zentralen Abschlussprüfungen. Das wird mit uns nicht gehen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Allermeiste ist gesagt. Deswegen nur noch ein paar Anmerkungen von mir:

1. Ich bin persönlich eine große Verfechterin von mehr Selbstständigkeit von Schule, und ich bin das nicht nur persönlich, sondern die Landesregierung unternimmt seit vielen Jahren viele Schritte, um den Schulen mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben.

Frau Brück und Frau Ratter haben darauf hingewiesen, die Schulen werden heute in sehr viel stärkerem Maße bei Funktionsstellen beteiligt. Sie können schulscharfe Ausschreibungen machen. Wir haben das Projekt „Erweiterte Selbstständigkeit“, um die Vertretungsmöglichkeiten ausschöpfen zu können. Wir haben eine Kontingentstundentafel. Wir haben eine Fortbildungsplanung und vieles mehr. In der Regel hat es bei all diesen Schritten an der Unterstützung der CDU-Fraktion gefehlt,

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

genauso übrigens, wenn es um die Frage der pädagogischen Qualität und der pädagogischen Handlungsmöglichkeiten geht. Die Schulen haben Qualitätsprogramme. Sie werden intern und extern evaluiert. Ich kenne nur negative Aussagen von Ihnen zur AQS. Jetzt fordern Sie die externe Evaluation.

Die Schulen können Zielvereinbarungen mit der Schulaufsicht machen. All das ist in Rheinland-Pfalz bereits Realität. Vielleicht hätte es sich wirklich gelohnt, eine rheinland-pfälzische Bestandsaufnahme zu machen, bevor man einfach einen Gesetzentwurf aus Hessen übernimmt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zum Zeitpunkt ist auch schon einiges gesagt worden. Er wurde schnell ins Parlament eingebracht, als klar war, dass der Antrag „Mehr Selbstverantwortung an rheinland-pfälzischen Schulen“ nicht nur gestellt war, sondern demnächst auch im Plenum darüber abgestimmt würde. Das ist dann vor der Sommerpause auch geschehen.

Ich will aber meine kurze Redezeit auf einen Punkt konzentrieren, zu dem ich Ihnen sage, ich hätte nach der Debatte in der zurückliegenden Plenarsitzung und auch nach der Ausschussdebatte erwartet, dass Sie mindestens an einer Stelle eine Korrektur an Ihrem Gesetzentwurf vornehmen, Frau Schneid. Es kann nämlich nicht sein, dass Sie das meinen, was dort steht. Ich will Ihnen das auch gar nicht unterstellen.

Sie fordern in diesem Gesetzentwurf unter „Kosten“: „Deshalb sind unter anderem die Mittel des Projekts Eigenverantwortliche Schule,“ – okay, wollen Sie vielleicht nicht – „die Mittel des herkunftssprachlichen Unterrichts (…)“ – das wollen Sie vielleicht auch nicht –, und dann nennen Sie noch die Schulversuche, aber der entscheidende Punkt ist,

Sie beantragen in Ihrem Gesetzentwurf tatsächlich, dass die Mittel der Sprachförderung nicht mehr als gezielte Zuweisung an die Schulen gehen, die einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und Sprachförderbedarf haben, sondern Sie wollen sie im Land mit der Gießkanne verteilen. Das kann nicht wirklich Ihre Meinung sein.

Ich warte bis heute darauf, dass Sie sagen, dass das nicht Ihre Meinung ist, weil ich mir das einfach nicht vorstellen kann. Es ist doch völlig klar, dass Schulen mit

schwierigen sozialen Rahmenbedingungen und Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund mehr Mittel für die Sprachförderung benötigen als andere Schulen. Zumindest verstehen wir das unter Chancengleichheit und Gerechtigkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich mindestens zu diesem Punkt heute erklären und eine Veränderung vornehmen, weil ich das von dem, was vorgelegt worden ist, für den problematischsten Punkt halte. Ich sage dazu – das ist ein schönes Beispiel –: Wir machen doch nicht die Selbstständigkeit von Schulen – die wir alle wollen und die ich mit großen Schritten vorantreiben will – als Selbstzweck oder damit wir einen Gesetzentwurf mit der Selbstständigkeit von Schule überschreiben können, sondern wir machen das doch hoffentlich deshalb, damit Schülerinnen und Schüler besser individuell gefördert werden können. Dann muss man auch Antworten finden, die dieses letztlich gewährleisten.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich mit einem Zitat – Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung – von Herrn Professor Avenarius schließen, einem bekannten Schulrechtler, der sich regelmäßig die schulgesetzliche Situation in den Ländern anschaut. Dieser hat im Rahmen eines Fortbildungsprogramms am 1. November 2011 in Darmstadt zu dem Gesetzentwurf gesagt – ich zitiere –: Ich frage mich, ob der große gesetzgeberische Aufwand der Mühe wert war. – Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es liegt mir noch eine Wortmeldung vor. Von der CDUFraktion hat Frau Kollegin Schneid das Wort. Ihr steht noch eine Redezeit von 1 Minute und 30 Sekunden zur Verfügung.

Noch zwei Anmerkungen: Zum einen gehen wir natürlich mit dem hessischen Konzept konform, bei dem es sich um ein gemeinsames Konzept handelt. Dieses Konzept hat sich bereits bewährt. Warum soll ich etwas neu erfinden, das anderswo fantastisch klappt und wirklich hervorragend ist?

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Fantastisch? – Frau Brück, SPD: Weil die Strukturen nicht stimmen!)

Zum anderen hat im Vorfeld eine Anhörung – nur damit man das noch einmal zurück in sein Gedächtnis holt – zu Ihrem Schulversuch stattgefunden. Wenn Sie sich

erinnern, waren alle Anzuhörenden für das hessische Modell.

(Frau Brück, SPD: Nein!)

Frau Ratter, es ist sogar im Protokoll nachzulesen, dass Sie dieses Modell sehr interessant fanden. Vielleicht lesen Sie das einfach noch einmal nach.

(Beifall der CDU)

Wenn ich mir überlege, dass das hessische Modell eine Unterrichtsversorgung von 105 % darstellt, kann es so schlecht nicht sein.

(Frau Brück, SPD: Schein und Sein!)

Für Rheinland-Pfalz würde ich da auch gerne hinkommen.

(Beifall der CDU – Frau Brück, SPD: Auch da muss man die Strukturen berücksichtigen!)

Noch eine letzte Anmerkung: Wenn die Schule selbstverantwortlich handeln kann und Budget- sowie Personalverantwortung hat, wird sie auch aus ihren Erfahrungen und ihrem Verantwortungsbewusstsein heraus genau dort mit der Sprachförderung ansetzen, wo sie notwendig ist.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur unmittelbaren Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU „…tes Landesgesetz zur Änderung des Schulgesetzes“ – Drucksache 16/2369 – in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung die Ablehnung empfiehlt.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Einrichtung einer Regulierungskammer Rheinland-Pfalz

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/2433 –