Gute Arbeit – Gesunde Arbeit Prävention, betriebliches Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz im gesellschaftlichen Wandel Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2746 –
Es wurde eine Grundredezeit von 5 Minuten pro Fraktion vereinbart. Das Wort hat für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Katrin Anklam-Trapp.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen in diesem
Hohen Hause! Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt beschäftigt die Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon seit über 100 Jahren, und dabei hat sich – wie Sie alle wissen – sehr viel getan. Im körperlichen Gesundheitsschutz fallen uns zahlreiche Beispiele ein: Gehörschutz oder Augenschutz, fast alle Unternehmen bieten heutzutage ein Rückentraining an, und der Unfallschutz wird überall großgeschrieben. Selbstverständlich ist die körperliche Arbeitskraft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis ins hohe Rentenalter zu erhalten und zu fördern.
Die Arbeit bestimmt unser Leben fundamental. Unter guter Arbeit verstehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine Arbeit, die mit Anerkennung, guter Bezahlung – Stichwort „Mindestlohn“ –, fairen Arbeitszeiten und vielem mehr verbunden ist. Wir wissen auch, gute Arbeit wirkt sich gesundheitsfördernd aus.
Viele Beschäftigte leiden aber heutzutage nachweislich unter speziellem Druck. Zunehmende Arbeitsverdichtung, Konkurrenzdruck und damit oftmals einhergehende lange Arbeitszeiten wirken sich negativ aus. Der Einsatz neuer Medien bringt ein weiteres Gesundheitsrisiko mit sich, und zwar insbesondere für die Beschäftigten, die ständig erreichbar sein müssen oder dies glauben.
Nicht zu vergessen bei dem Antrag „Gute Arbeit – Gesunde Arbeit“ ist die Situation von Menschen, die sich in der Erwerbslosigkeit befinden. Wir wissen, dass das Risiko von Arbeitslosen, psychisch zu erkranken, mindestens doppelt so hoch ist wie das von Erwerbstätigen. Allerdings beschäftigen sich die Krankenkassen und andere Gutachter eben nicht mit den Menschen, die sich in der Erwerbslosigkeit befinden.
Dass die psychischen Belastungen insgesamt zunehmen, belegt eine Vielzahl von Gutachten, zum Beispiel auch der Stressreport Deutschland der Bundesregierung aus dem Jahr 2012 oder der DAK-Gesundheitsreport 2013. Über eine Zunahme von Stress beklagen sich 43 % aller Befragten, und diese Überforderungen führen zu psychischen Erkrankungen. Die gesundheitlichen Folgen wie Depressionen, Burn-out und Herzinfarkte nehmen bundesweit stark zu. Besorgniserregend ist, dass die Fehltage von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Jahr 2012 aufgrund psychischer Erkrankungen auf Platz 2 lagen.
Es entstehen dabei volkswirtschaftliche Kosten von immerhin 6,3 Milliarden Euro, ein Grund genug, nicht nur für die Menschen, sondern auch für das Land, gegenzusteuern.
In der Koalition mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wir diesen Handlungsbedarf erkannt und aufgenommen. Wir legen Ihnen deswegen heute den Antrag „Gute Arbeit – Gesunde Arbeit“ vor. Wir brauchen in unserem Land Rheinland-Pfalz und in unserem Land Deutschland eine humane Arbeitskultur; denn gute und gesunde Arbeit muss über die Zeitspanne eines gesamten Arbeitslebens möglich sein.
Ziel und Ergebnis dieses Antrags soll es sein, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesund zu erhalten, ihre Arbeitsfähigkeit zu unterstützen und ihre Leistungsgüte
zu erhalten. Das ist unsere Erwartung an die Gesundheitsförderung im demografischen Wandel unserer Zeit. Dazu haben wir Ihnen unseren Antrag vorgelegt und zehn Punkte formuliert, um diesem Trend entgegenzuwirken. Lassen Sie mich einige kurz benennen:
Die Landesregierung möge über Projekte und Maßnahmen berichten, wo zukünftig Schwerpunkte für die Gesunderhaltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in den Landesverwaltungen gebildet werden.
Wir wünschen uns, dass im Dialog mit Arbeitgebern und Gewerkschaften, den Krankenkassen und der Landeszentrale für Gesundheitsförderung betriebliches Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung wissenschaftlich begleitet wird und weiterführende Konzepte entwickelt und erprobt werden. Dies soll im Dialog mit den Hochschulen und den Partnern erarbeitet werden, die für die Gesundheitsförderung sensibilisieren.
Meine Damen und Herren, ein Präventionsgesetz auf dem Weg wäre etwas, was wir im Bundesrat initiieren möchten. Meine Damen und Herren, ganz wichtig ist das Thema „Mindestlohn“. Ich bin darauf schon eingegangen.
Es gehört auch dazu, sich gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit einzusetzen, und auch eine Anti-Stress-Verordnung wäre etwas, was uns helfen würde.
Meine Damen und Herren, der Antrag „Gute Arbeit – Gesunde Arbeit“ ist uns in der Koalition so wichtig, weil er das Ganzheitliche des Menschen und seine Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt stellt. Ich bitte Sie, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Ich würde mich über eine vertiefende Beratung freuen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Anklam-Trapp, ich habe Ihren Antrag mit großem Interesse gelesen, eine sehr gute Überschrift und auch ein sehr guter Text. Es ist mir in vielen Minuten nicht gelungen, irgendetwas zu finden, bei dem man dagegen sein könnte.
Trotz intensivster Bemühungen ist es nicht gelungen, bis zum viertletzten Satz. Dann kam ein Punkt, bei dem wir leider nicht zustimmen können.
Es hätte mich gefreut, wir hätten zustimmen können, aber Sie geben uns dazu keine Gelegenheit. Ich sage zum Schluss etwas dazu.
99 % davon kann die CDU-Fraktion in der Tat unterschreiben. Sie nehmen mit diesem Antrag erfreulicherweise Bezug auf eine gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände und des DGB von Anfang September dieses Jahres, in der man unter dem Titel „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ genau das, was Sie fordern, auch thematisiert. Mein Dank gilt besonders Frau Dr. von der Leyen, die das vorangetrieben hat, dass dieses Papier gemeinsam mit den drei Verbänden auf den Weg kam.
Es ist in der Tat so, dass früher die Orthopäden mehr zu tun hatten, weil das Arbeitsleben unserer Eltern und Großeltern von harter körperlicher Arbeit geprägt war. Heute ist das anders. Wir sind von harter körperlicher Arbeit entlastet, auch wir Abgeordnete. Es sind die psychischen Erkrankungen, die weltweit nicht nur in Deutschland zunehmen.
Ich glaube, die Hauptursache für psychischen Stress – da sind wir uns auch einig – ist Reizüberflutung. Das hat zur Folge, dass die Lebensqualität des Einzelnen leidet. Als Arzt weiß ich, dass psychische Krankheiten mindestens genauso schlimm sind wie körperliche Leiden.
Aber auch die Volkswirtschaft nimmt, wenn das zunimmt, zunehmend Schaden. Zu viel ist einfach zu viel. Das gilt auch für die Arbeitswelt. Gleichwohl kann Arbeit für einen Menschen einen Teil der Lebenszufriedenheit ausmachen, wenn es in richtigen Bahnen läuft. Aber eine Arbeitsverdichtung, Termindruck, Leistungsdruck, häufige Störungen bei der Arbeit, alles Dinge, die wir Abgeordnete auch kennen, gibt es heute in vielen Berufen. Sie führen dazu, dass Ihr Antrag in der Tat schon in die richtige Richtung zeigt.
Interessant ist – das macht auch deutlich, wie wichtig vernünftige Arbeit ist, wie Sie es erwähnten, Frau Anklam-Trapp –, dass Arbeitslose doppelt so häufig erkrankt sind. Das zeigt ganz klar, dass bei demjenigen, der arbeitslos ist, die Unzufriedenheit mit der Situation Auswirkungen hat.
Wenn man über die psychischen Erkrankungen spricht, die infrage kommen, dann ist es eine diffuse Ansammlung verschiedenster Diagnosen. Ich möchte ganz kurz nur das Stichwort „Burn-out“ nennen, was in der Tat richtig diagnostiziert werden muss, was auch diagnostiziert werden kann, wenn man die Kriterien kennt. Es ist schlichtweg ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen, die einem gestellt werden, und den Reserven, die man hat. Der Faktor Mensch in der heutigen Zeit, dem Elektronikzeitalter, wird oft ausgeklammert. Man kann eine gewisse Anzahl von Mails lesen und bearbeiten, aber irgendwann ist einmal Schluss. Das ist im Prinzip das Problem in vielen Bereichen des Lebens und der Arbeitswelt, dass Menschen reizüberflutet werden.
Andererseits sind einfache Tätigkeiten – das ist scha- de – für Menschen, die nicht so viel können, zunehmend nicht mehr vorhanden, weil das Elektronikzeitalter diese Arbeitsplätze teilweise wegrationalisiert hat.
Ich komme jetzt zum Schluss darauf, warum wir nicht zustimmen können. Sie haben es schon gesagt. Sie haben es letztendlich auch provoziert, vielleicht unbewusst, weil Ihre Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn eine unzulässige Verpackung in diesem Antrag ist, die wir so nicht mittragen können. Das wissen Sie ganz genau.
Für uns gilt: Wer hart arbeitet, der muss auch ordentlich bezahlt werden. – Deshalb hat die Union im Deutschen Bundestag in den letzten Jahren mit den Tarifparteien Mindestlöhne in zahlreichen Branchen mit insgesamt vier Millionen Beschäftigten geschaffen. Es ist wichtig, dass in diesen Bereichen, in denen es keine Tarifverträge gibt, die Tarifparteien zukünftig gesetzlich in die Pflicht genommen werden. Sie sollen nämlich gemeinsam – so steht es auch in unserem Wahlprogramm – in einer Kommission einen tariflichen Mindestlohn festlegen, wobei wir in der Tat die unterschiedlichen Situationen in den Regionen und Branchen berücksichtigen wollen. Eine Lohnfestsetzung durch den Staat, durch die Politik per se, lehnen wir aus guten Gründen ab.
Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich zum Schluss noch aus einer Pressemeldung der Bundesregierung von gestern zitieren, die auch heute in den meisten Tageszeitungen abgedruckt war: Für die Beschäftigten im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk gelten ab 1. Oktober erstmals tarifliche Mindestlöhne. Für Gebäudereiniger und das Baugewerbe werden die bisherigen Lohnuntergrenzen angehoben. Die Verordnungen des Bundesarbeitsministeriums haben das Kabinett passiert. In zwölf Branchen mit insgesamt mehr als vier Millionen Menschen sind inzwischen Mindestlöhne festgeschrieben. Die Tarifpartner haben sie ausgehandelt. Die Bundesregierung hat sie gemäß Arbeitnehmerentsendegesetz und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt. – So viel dazu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrten Damen und Herren! Wer Arbeit hat, kann sich glücklich fühlen; denn Arbeit kann uns eine selbstbestimmte Lebensperspektive ermöglichen. Gute Arbeit ist die beste Gesundheitsprävention und ein Gewinn für alle Unternehmer. Deshalb liegt es auch im Interesse der Politik und der Unternehmer, im Zuge der Globalisierung und des de
mografischen Wandels die Einflussfaktoren einer zukunftsfähigen Arbeit zu identifizieren und zu steuern. Gesundheit ist das Ergebnis eines ganzheitlichen psychosozialen Gleichgewichts zwischen Belastung und Entlastung.
Meine Damen und Herren, ohne dieses Gleichgewicht hätten wir es heute alle nicht hierher geschafft. Dieses Gleichgewicht ist das Ergebnis eines seit Jahrtausenden biologisch effizienten Prozesses. Die Frage ist, ob Politik daraus lernen kann. Ja, sie kann sehr viel daraus lernen, weil wir auch selbst ein biologisches Wesen, ein Sozialwesen in einem sozialen Kontext sind.
Durch die Globalisierung und den Wettbewerb um knappe Ressourcen heizen wir nicht nur den Konsumklimaindex an, sondern bescheren dem Menschen auch einen hohen Blutdruck. Nicht ohne Grund ist heute der Bluthochdruck die weltweit bekannteste Erkrankung. Das muss uns stutzig machen. Welche Politik schafft es, bei den Menschen den Blutdruck in die Höhe zu treiben?
Es wurde über Posten und Statistiken erzählt. Die Prognosen deuten darauf hin, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Wachstumsbranche der psychosomatischen Erkrankungen sein wird. Überforderung, Zeitnot, Erschöpfung und Stress sind für viele Menschen ein Dauerzustand geworden und die Ruhelosigkeit zu einem uns beherrschenden Lebensgefühl.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns doch die Arbeitswelt aus Sicht der Medizin betrachten. Der Blutdruck – was ich vorhin angesprochen habe – ist ein sehr guter Parameter, weil dieser zeigt, wo wir sind, wie wir uns fühlen und unter welchen Umständen wir arbeiten. Das kann man ganz genau anhand dieses Parameters feststellen. Ich sagte schon, nicht ohne Grund haben wir weltweit am meisten diese Diagnose.
Diese Mitte und das Gleichgewicht zu haben, was die Biologie seit Jahrtausenden und Millionen Jahren geschaffen hat, ist ökonomisch und effizient. Wollen wir ökonomisch erfolgreich sein, müssen wir etwas für unsere Gesundheit leisten und tun. Diese Gesundheit hat etwas mit guter Arbeit zu tun, wie es vorhin meine Kollegin, Frau Anklam-Trapp, erzählt hat.
Meine Damen und Herren, ich will damit sagen, die Gesundheit und ökonomischer Erfolg sind die Arbeit eines ganzheitlichen Denkens und nachhaltiger Gestaltung. Das ist die Ökonomie.
Tiere streicheln senkt definitiv den Blutdruck. Sie gehören auch zu unserer Welt. Deshalb nenne ich den Stichpunkt „Tierschutz“.
Gewalt-, Diskriminierungs- und Mobbingprävention durch die Investition in Bildung, Sport, Musik, kreatives Schreiben und soziales Engagement.