Protokoll der Sitzung vom 19.09.2013

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Hering das Wort. – Entschuldigung.

Herr Minister Lewentz hat das Wort.

(Zuruf aus dem Hause)

Verkehrsminister ist Verkehrsminister.

Wir leben in der Kontinuität des Amtes. Gell Hendrik, das machen wir!

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der bayerische Ministerpräsident Seehofer, sein hessischer Kollege Bouffier, stellvertretender CDUBundesvorsitzender, und Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer, Mitglied im Kabinett Merkel, haben aktuell vor der Bundestagswahl erneut gefordert, in Deutschland eine Pkw-Maut einzuführen und – ich behaupte einmal – damit Wahlkampf gemacht.

Mit der Pkw-Maut sollen nach ihren Vorstellungen vor allem ausländische Pkw zur Kasse gebeten werden. Deutsche Autofahrer sollen die Maut zwar ebenfalls bezahlen, aber an anderer Stelle entlastet werden. Mit

den zusätzlichen Einnahmen sollen der Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gefördert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu möchte ich drei Aspekte ansprechen.

1. Es bestehen bei den Experten, die sich im Europarecht auskennen, erhebliche Zweifel, ob die Entlastung nur der deutschen Autofahrer möglich ist. Überwiegend, nein, ganz überwiegend herrscht die Auffassung, dass dies europarechtlich nicht zulässig ist, ganz abgesehen von den immensen Systemkosten, die die wertvollen Mauteinnahmen von ausländischen Autofahrern schmälern würden.

2. Wenn eine Vignette unter Wegfall oder Kürzung der Kfz-Steuer für alle deutschen Autofahrer eingeführt würde, wäre dies in höchstem Maße unsozial; denn bei einer völligen Streichung der Kfz-Steuer, also von rund 7 Milliarden Euro Bundeseinnahmen, müsste die Vignette einheitlich bei rund 160 Euro jährlich liegen, wenn der Bund nicht auf Einnahmen verzichten will.

Halter von Premiumfahrzeugen mit hohem CO2-Ausstoß und insoweit hoher Kfz-Steuer würden gegenüber den Haltern von Kleinwagen steuerlich erheblich stärker entlastet.

(Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

3. Wenn bei der Einführung einer Vignette als Kompensation für deutsche Autofahrer die Kfz-Steuer gestrichen oder gekürzt wird, gehen davon ökologische Fehlanreize aus. Die Kfz-Steuer ist – wie wir alle wissen – nicht nur nach Hubraum, sondern auch nach Schadstoffklassen gestaffelt. Eine vergleichbare Gestaltung der Vignette wäre bei dem administrativen Aufwand, der damit verbunden wäre, nicht möglich.

Dass insbesondere an den Staatsgrenzen Dutzende unterschiedliche Vignetten anhand der Schlüsselzahlen in den Fahrzeugzulassungen ausgegeben werden und Ausländer demnächst noch amtliche Übersetzungen ihrer Zulassungen mit sich führen müssen, möchte sich bei den Staus, die es jetzt schon an den Grenzen zur Schweiz oder zu Österreich gibt, niemand vorstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schon aus den vorgenannten Gründen bleibt die rheinland-pfälzische Landesregierung bei der Position, dass sie jedwede Pkw-Maut ablehnt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Insbesondere sieht die Landesregierung aber, dass die steigenden Mobilitätskosten für viele Bürgerinnen und Bürger, vor allem für die Pendler, schon jetzt ein großes Problem darstellen. Führen Sie sich die Struktur von Rheinland-Pfalz mit seinem hohen Flächenanteil ländlicher Räume vor Augen. Wer dort lebt, ist erstens in den meisten Fällen auf den Pkw angewiesen und er oder sie hat zweitens oft erhebliche Wege zur Arbeitsstätte, zum Ausbildungsplatz, für die täglichen Besorgungen und bei der Freizeitgestaltung zurückzulegen.

Nach den Mikrozensusdaten pendeln in Rheinland-Pfalz mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen weiter als 10 Kilometer zur Arbeitsstätte, bei mehr als 20 % sind es 25 und mehr Kilometer. Rund drei Viertel aller Erwerbstätigen in unserem Land nutzen dabei als sogenannte Selbstlenker oder Mitfahrer den Pkw.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen, dass unsere ländlichen Räume für Menschen und Wirtschaft attraktiv bleiben. Wir wollen dem negativen demografischen Trend dort etwas entgegensetzen. Dann müssen wir uns aber zwingend dafür starkmachen, dass die Mobilität, die in den ländlichen Räumen aus vielfältigen Gründen maßgeblich von der Pkw-Nutzung bestimmt wird, auf Dauer bezahlbar bleibt.

Verkehrspolitisch gilt es zwar auch darauf hinzuwirken, dass Angebote und Tarife im öffentlichen Personennahverkehr stimmen und das Radwegenetz ausgebaut wird, aber da sind wir intensiv dran. Bei der Bedeutung des Pkw für die Funktionsfähigkeit unserer ländlichen Räume können wir es uns aber überhaupt nicht leisten, den Gebrauch dieses Verkehrsmittels staatlicherseits durch eine weitere Erhöhung von Steuern oder Nutzungsentgelten immer mehr zu verteuern.

Die Landesregierung lehnt daher – wie bereits gesagt – eine Pkw-Maut in jeder Form ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, welche Optionen bleiben, wenn man das vonseiten der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ ermittelte Defizit von 7,2 Milliarden Euro jährlich in den Griff bekommen will? – Hier sollte aus Sicht der rheinlandpfälzischen Landesregierung vor allem ein Mix aus einer Erhöhung der haushaltsfinanzierten Anteile und einer Ausweitung der Nutzerfinanzierung bei schweren Nutzfahrzeugen diskutiert werden.

Eine Erhöhung der haushaltsfinanzierten Anteile im Bundeshaushalt hält die Landesregierung angesichts der Tatsache, dass ein großer Teil der verkehrsbezogenen Einnahmen, bestehend aus Energie-, Kfz-Steuern und Lkw-Maut, nicht in den Verkehrshaushalt zurückfließen, für gerechtfertigt. Je nach Berechnung werden Verkehrseinnahmen von 53 Milliarden Euro genannt, denen Verkehrsausgaben von knapp 20 Milliarden Euro gegenüberstehen. Aus rein verkehrlicher Sicht ist also noch jede Menge finanzielle Luft zu handeln.

Die Ausweitung der Nutzerfinanzierung rückt sofort in den Fokus, wenn man sich einmal genauer anschaut, welche Verkehrsmittel welchen Verschleiß im Straßennetz verursachen. Hilfreich für die Diskussion sind die Zahlen einer Veröffentlichung der Bundesanstalt für Straßenwesen aus dem Jahr 2006 – Herr Hering hat darauf hingewiesen –, wonach beispielsweise ein fünfachsiger Sattelzug von 40 Tonnen bis zu 60.000-fach höhere Schäden an einer Straße verursacht als ein durchschnittlicher Pkw.

Sollte die Bundesregierung höhere Verkehrseinnahmen zugunsten der weiteren Erhaltung und des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur anstreben, so wäre daher zunächst zu fragen, ob und in welchem Umfang die bestehende Maut für Lkw ab 7,5 Tonnen und nicht wie bisher ab 12

Tonnen auf das restliche Bundesstraßennetz ausgedehnt werden kann. Dabei muss man natürlich ein Gespür dafür haben, welche zusätzlichen Kosten der Transport- und Logistikbranche mit ihren mehr als 100.000 Arbeitsplätzen allein in Rheinland-Pfalz zumutbar sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend: Aus Sicht der Landesregierung besteht einerseits dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf die vonseiten der Daehre-Kommission, jetzt BodewigKommission, ermittelte Finanzierungslücke von 7,2 Milliarden Euro jährlich für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur von Bund, Ländern und Gemeinden.

Eine Pkw-Maut andererseits, wie von dem hessischen, dem bayerischen Ministerpräsidenten sowie dem Bundesverkehrsminister ins Spiel gebracht, sei es als Vignetten- oder wegeabhängige Lösung, lehnt die Landesregierung ab, weil die in Rede stehende Kompensation über die Kfz-Steuer in europarechtlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht untauglich ist.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vor allem aber steht sie dem Ziel der Landesregierung entgegen, in den ländlichen Räumen bezahlbare Mobilität auch in Zukunft zu gewährleisten.

Besser geeignet für die Lösung der Finanzierungsprobleme erscheint nach Dafürhalten der Landesregierung ein Mix aus einer Stärkung der Haushaltsfinanzierung und einer Ausweitung der Maut für schwere Lkw.

Sehr geehrter lieber Herr Kollege Adi Weiland, ich würde empfehlen, das, was Sie hier vorgetragen haben – ich würde das jetzt nicht als Rede bezeichnen –, noch einmal in Ruhe nachzulesen.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Dazu ist mir nur eingefallen: Es gibt Geschickte und Gesandte. Geschickt war das nicht, was Sie hier gesagt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Hering das Wort.

Herr Kollege Dr. Weiland, Sie gehören nach meiner Auffassung zu den Kollegen der CDU-Fraktion, die in der Lage sind, Fakten zutreffend zu analysieren. Wenn Sie dann hier – um das Wort von Herrn Kollegen Lewentz aufzugreifen – ungeschickt und teilweise auch unredlich agieren, dann zeigt das, dass Ihnen das Thema, das hier debattiert wird, unangenehm ist.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Unangenehm deswegen, weil Sie fälschlicherweise behaupten, das sei ein regionales Thema, das nur ausländische Fahrzeuge betrifft. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Der genannte Alflaner aus Ihrem Wahlkreis, der Arbeitnehmer aus dem Westerwald oder aus dem Hunsrück muss die Pkw-Maut zahlen, wenn sie in Deutschland eingeführt wird, und eben nicht nur der ausländische Bürger, der nach Deutschland kommt. Auch der rheinland-pfälzische Arbeitnehmer muss zahlen.

Es gibt kein klares Dementi der Bundeskanzlerin Merkel. Sie hat – das sind die aktuellen Aussagen –, als sie gefragt wurde, wie das zu verstehen sei, gesagt, man habe sich mit Bayern immer noch geeinigt. Das ist das Dementi, das Sie hier zitieren. Das Zurückrudern wird immer stärker, seitdem Herr Seehofer in Bayern die absolute Mehrheit geholt hat.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Herr Seehofer hat gesagt, es werde kein Koalitionsvertrag unterschrieben. Deswegen ist das einzige sichere Instrument, eine Pkw-Maut in Deutschland zu verhindern, sozialdemokratisch oder – ich will das mitnehmen für den Koalitionspartner – Grün zu wählen. Das verhindert eine Pkw-Maut, aber mit Sicherheit nicht Stimmen für die Union. Das wollen wir klarstellen, und noch einmal ein Dankeschön dafür, dass wir das präzisieren konnten.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Herr Kollege Dr. Weiland, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eines hat die bisherige Debatte unmissverständlich und eindeutig erbracht: Die CDU Rheinland-Pfalz und die Christlich Demokratische Union Deutschlands sind mit ihrer Bundeskanzlerin gegen eine Pkw-Maut.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Hering, SPD)

Herr Hering, mehr braucht man zu dem, was Sie hier vortragen, nicht zu sagen, tut mir leid. Das ist peinlich, wenn einem nichts anderes mehr einfällt, um Aktuelle Stunden zu füllen. Dann geht der Schuss nach hinten los. Das erleben Sie gerade.

(Beifall der CDU)

Frau Blatzheim-Roegler, ich finde das sehr sportlich, wenn Sie sich hier hinstellen und das sagen, was Sie gesagt haben. Vielleicht telefonieren Sie einmal mit