Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Einführung einer Lohngleitklausel auf solide Grundlage stellen – Prüfung im Dialog mit Verbänden und Auftraggebern Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Entschließung – – Drucksache 16/2958 –

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter Adolf Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf eines Landesgesetzes zur Änderung des Landestariftreuegesetzes ist durch Beschluss des Landtags vom 6. Juni 2013 an den Wirtschaftsausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Wirtschaftsausschuss hat in seiner 19. Sitzung am 27. Juni 2013 die Überweisung des Gesetzentwurfs zur endgültigen Beschlussfassung mit Zustimmung des Präsidenten und im Benehmen mit den Fraktionen an den Sozialpolitischen Ausschuss des Landtages beschlossen.

Der Sozialpolitische Ausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 22. Sitzung am 5. September 2013 und in seiner 23. Sitzung am 24. Oktober 2013 beraten. In einer gemeinsamen Sitzung am 5. September 2013 haben der Sozialpolitische Ausschuss und der Wirtschaftsausschuss ein Anhörverfahren durchgeführt.

Der Wirtschaftsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 23. Sitzung am 26. September 2013 beraten und der Rechtsausschuss in seiner 27. Sitzung am 31. Oktober 2013. Die Beschlussempfehlung lautet:

Der Gesetzentwurf wird mit den folgenden Änderungen angenommen:

Artikel 1 Nr. 4 wird gestrichen.

Artikel 2 erhält folgende Fassung:

„Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf die Verkündung folgenden zweiten Kalendermonats in Kraft. Es findet keine Anwendung auf öffentliche Aufträge, deren Ausschreibung vor seinem Inkrafttreten erfolgt ist.“

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Kessel. Wir haben eine Grundredezeit von 5 Minuten je Fraktion vereinbart. Ich erteile Frau Kollegin Dr. Machalet das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Bund wird in den Koalitionsverhandlungen derzeit gerade intensiv über das Für und Wider eines gesetzlichen Mindestlohns diskutiert. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Rheinland-Pfalz mindestens schon zwei Schritte weiter sind. Wir reden hier derzeit nicht mehr über einen Mindestlohn von 8,50 Euro, sondern von 8,70 Euro, demnächst 8,90 Euro.

Aus unserer Sicht ist es sehr sinnvoll, diesen Mindestlohn auch entsprechend zu dynamisieren, unter anderem auch deshalb, weil wir nicht wollen, dass Arbeitnehmer in einem Unternehmen zu unterschiedlichen Mindestlöhnen arbeiten, sondern dass es da demnächst eine klare Einheitlichkeit geben wird.

Das ist auch ein klares Signal aus der Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss gewesen. Bis auf die Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) haben sich alle Anzuhörenden sehr positiv zur Änderung des Gesetzes geäußert. Selbst die kommunalen Spitzenverbände, die leider nicht in der Anhörung anwesend sein konnten, haben eine positive Stellungnahme abgegeben.

Ich hoffe wirklich, dass wir diese Änderung heute mit einer breiten Mehrheit beschließen.

Lassen Sie mich ein paar Worte zu dem Änderungsantrag der CDU sagen. Zunächst muss ich sagen, wir freuen uns aufrichtig – das ist durchaus ernst gemeint –, dass Sie sich zum ersten Mal wirklich konstruktiv mit dem Landestariftreuegesetz auseinandergesetzt haben und auch einen Beitrag dazu leisten.

Sie beantragen, eine sogenannte Lohngleitklausel – ein schwieriges Wort – jetzt in das Gesetz aufzunehmen. Es stimmt, dass in der Anhörung sowohl ver.di als auch die LVU dafür geworben haben, diese Lohngleitklausel in das Gesetz aufzunehmen.

Worum geht es? Es geht bei der Lohngleitklausel darum, dass im Gesetz festgeschrieben wird, dass Auftragnehmer Änderungen bei Löhnen und Gehälter durch Änderungen des gesetzlichen Mindestlohns gegenüber dem Auftraggeber, also sprich dem öffentlichen Auftraggeber, geltend machen dürfen.

Wir halten das grundsätzlich für eine sehr sinnvolle Sache. Wir haben das auch in der Anhörung deutlich gemacht. Ich möchte aber trotzdem zwei Gründe nen

nen, warum wir dem Änderungsantrag der CDU heute in der Form nicht folgen können.

1. Sie sagen in Ihrem Änderungsantrag, dass Sie die Formulierung aus dem Saarland übernommen haben. Das ist so nicht ganz richtig. Die Formulierung ist nicht 1 : 1 aus dem saarländischen Gesetz übernommen. Im saarländischen Tariftreuegesetz sieht § 2 Abs. 6 eine Kann-Regelung vor. Sie schreiben eine Muss-Regelung mit Ihrem Änderungsantrag fest. Dem können wir ohne zusätzliche Prüfung der Auswirkungen des Ganzen so nicht zustimmen.

2. Wir können das Ganze nicht verabschieden, ohne dass wir vorher eine Bewertung derjenigen haben, die letztendlich als Auftraggeber dafür zahlen müssen, sprich die Kommunen.

Ich habe eben gesagt, die kommunalen Spitzenverbände waren bei der Anhörung im Ausschuss nicht anwesend. Insofern würde ich es jetzt für unfair halten, dass man ein Gesetz in einem Punkt ändert, der im Wesentlichen auch die Kommunen betrifft. Das sind also die beiden Gründe, warum wir heute dem Änderungsantrag nicht zustimmen.

Wir machen aber unsere positive Grundhaltung an der Stelle mit unserem Entschließungsantrag deutlich. Wir werben dafür, dass wir zunächst die im kommenden Jahr vorgesehene Evaluation des Tariftreuegesetzes abwarten, uns die Ergebnisse anschauen und in diesem Kontext dann auch das Thema „Lohngleitklausel“ noch einmal intensiv diskutieren. Wir fordern zunächst die Landesregierung auf, noch einmal Gespräche zu führen, die wir im Ausschuss natürlich auch rückkoppeln und als Fachpolitiker besprechen.

Ich werbe trotzdem dafür, dass Sie heute unserer Gesetzesänderung zustimmen, was das Thema „Entdynamisierung“ angeht. Ich freue mich dann auf das weitere Verfahren, wenn wir uns mit der Evaluation und auch mit dem Thema „Lohngleitklausel“ noch einmal auseinandersetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Machalet, wir sprechen heute über zwei Änderungen im Landestariftreuegesetz, die vor dem im kommenden Jahr geplanten – Sie haben es genannt – Evaluierungsprozess des Gesetzes eingeführt werden sollen. Zum einen geht es um die Dynamisierung, sprich die Anpassung von Lohnkosten in laufenden Verträgen, zwischen der öffentlichen Hand und den Auftragnehmern.

Sie haben bereits erwähnt, in der Anhörung zu den Gesetzentwürfen wurde sowohl durch den Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz, Herrn Werner Simon, als auch von dem Landesbezirksleiter von ver.di, Herrn Uwe Klemens – also von Arbeitgeber- und Arbeitnehmersei- te – die Einführung der Dynamisierung grundsätzlich begrüßt.

Beide Seiten waren sich auch einig darin, dass die dann entstehenden Mehrkosten nicht allein vom Auftragnehmer zu tragen seien. Damit das im Gesetz seinen Niederschlag findet, wurde vorgeschlagen, eine sogenannte Entgelt- oder Lohngleitklausel, wie sie bereits im saarländischen Gesetz steht, einzufügen. Wir haben diesen Vorschlag in unserem Änderungsauftrag aufgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Zwischen dem Auftraggeber, sprich der öffentlichen Hand, und dem Auftragnehmer ist bereits bei der Vergabe zu regeln, wie mit absehbaren Mindestentgelterhöhungen umgegangen wird. Damit liegt es in der Hand der beiden Vertragspartner, die Risiken zu verteilen.

Die zweite beabsichtigte Änderung, das Gesetz auch auf Verleiher und Nachunternehmen anzuwenden, ist folgerichtig, damit getroffene Regelungen nicht umgangen werden können und ins Leere laufen, wobei sich auch hier das größte Problem offenbart, nämlich die vertraglich zugesicherten Vereinbarungen der Auftragnehmer zu kontrollieren.

Je weiter wir das Gesetz auf Verleiher, Subunternehmer und Sub-Subunternehmer ausdehnen, desto größer wird der Kontrollaufwand, wenn denn überhaupt kontrolliert wird.

Auf meine Kleine Anfrage zu den Kontrollen zur Einhaltung des Landestariftreuegesetzes wurde mir von der Landesregierung geantwortet, dass es keine landesweiten Statistiken über die Durchführung entsprechender Kontrollen gäbe. Die Kontrollen würden von den öffentlichen Auftraggebern nach entsprechenden Eingaben vorgenommen.

Bereits bei der Einbringung des Gesetzes wurde von unserer Fraktion das Thema „Kontrollen“ problematisiert. Es stellt sich uns die Frage, inwieweit wirksame Kontrollen von Lohn- und Geschäftsunterlagen durch die öffentlichen Auftraggeber überhaupt durchgeführt werden können. Dazu wäre es erforderlich, dass die Verwaltungen, insbesondere auch die Kommunalverwaltungen, flächendeckend mit entsprechend ausgebildeten Beschäftigten ausgestattet sind.

Die Servicestelle LTTG – Landestariftreuegesetz – hat in ihrem Rundschreiben vom 31. Juli 2013 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kontrollen durch den öffentlichen Auftraggeber durchzuführen sind und eine Beauftragung Dritter gesetzlich nicht vorgesehen sei.

Wir werden uns bei der Evaluierung des Gesetzes auch über die Möglichkeit der Beauftragung Dritter unterhalten müssen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist leicht, eine gerechte Bezahlung der im Auftrag der öffentlichen Hand eingesetzten Beschäftigten zu fordern, ohne sich über die daraus abzuleitenden Konsequenzen im Klaren zu sein. Auch wir sind für eine Bezahlung nach dem gültigen Tarif, wenn es den nicht gibt, nach einem von einer Kommission festgelegten Mindestentgelt, was hier gewährleistet ist.

Wir sehen aber auch die Notwendigkeit, dass die sich daraus ergebenden Mehrkosten nicht einseitig zu tragen sind. Des Weiteren darf ein Gesetz nicht nur auf dem Papier stehen, sondern die damit beabsichtigten Folgen müssen auch eingehalten werden.

(Beifall der CDU)

Wir wissen alle, dass ein Gesetz nur dann eingehalten wird, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Einhaltung auch kontrolliert wird. Gerade in Anbetracht der Ausdehnung auf Verleiher und Nachunternehmer sind wirksame Kontrollen unbedingt erforderlich. Da es sich um ein Landesgesetz handelt, ist dann natürlich auch zu prüfen, ob im Rahmen der Konnexität die Kosten für die Kontrollen vom Land übernommen werden müssen.

Frau Dr. Machalet und liebe Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ihren Entschließungsantrag lehnen wir ab

(Frau Ebli, SPD: Warum?)

ich will gleich sagen warum –, da die Dynamisierung und die Lohngleitklausel für uns unabdingbar zusammengehören. Wir können jetzt beides heute beschließen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen, oder wir schieben beides in das nächste Jahr zur Evaluierung und können dann beides beraten.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Herr Kollege Köbler hat das Wort.