Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

................................................................................................................... 4106, 4140, 4141 Abg. Dötsch, CDU:...................................................................................................................................... 4123 Abg. Dr. Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................. 4106, 4127 Abg. Frau Brück, SPD:...................................................................................................................... 4107, 4111 Abg. Frau Dickes, CDU:.............................................................................................................................. 4112 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:..................................................................................................................... 4123 Abg. Frau Müller-Orth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................................. 4136 Abg. Frau Ratter, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................ 4110, 4113 Abg. Frau Raue, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................................... 4122 Abg. Frau Sahler-Fesel, SPD:..................................................................................................................... 4129 Abg. Frau Schäfer, CDU:............................................................................................................................. 4135 Abg. Frau Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................. 4125 Abg. Frau Schneider, CDU:............................................................................................................... 4113, 4117 Abg. Haller, SPD:......................................................................................................................................... 4124 Abg. Heinisch, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................................. 4139 Abg. Henter, CDU:....................................................................................................................................... 4120 Abg. Hering, SPD:............................................................................................................................. 4103, 4107 Abg. Johnen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:....................................................................................... 4115, 4118 Abg. Kessel, CDU:................................................................................................................... 4102, 4127, 4128 Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................................................. 4101 Abg. Oster, SPD:......................................................................................................................................... 4138 Abg. Ruland, SPD:....................................................................................................................................... 4121 Abg. Schreiner, CDU:.................................................................................................................................. 4131 Abg. Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................................ 4133 Abg. Wansch, SPD:..................................................................................................................................... 4132 Abg. Wehner, SPD:................................................................................................................. 4114, 4118, 4136 Dr. Kühl, Minister der Finanzen:.................................................................................................................. 4133 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur:.................................. 4110, 4142 Frau Alt, Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen:......................................... 4104, 4130 Frau Höfken, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten:................. 4116, 4137 Hartloff, Minister der Justiz und für Verbraucherschutz:............................................................................. 4119 Frau Raab, Staatssekretärin:....................................................................................................................... 4126 Präsident Mertes:................................................................... 4101, 4102, 4103, 4104, 4106, 4107, 4108, 4109....................................................................................................................................... 4110, 4111, 4112, 4113 Vizepräsident Dr. Braun:....................................................... 4114, 4115, 4116, 4117, 4118, 4119, 4120, 4121............................................................................................... 4136, 4137, 4138, 4139, 4140, 4141, 4142, 4143 Vizepräsident Schnabel:........................................................ 4122, 4123, 4124, 4125, 4126, 4127, 4128, 4129............................................................................................................................. 4130, 4131, 4132, 4133, 4134

63. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 22. Januar 2014

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seien Sie herzlich willkommen zur 63. Plenarsitzung. Es ist zwar nicht mehr in der „Oktav“, wie wir feinsinnig im Hunsrück sagen, aber trotzdem wünsche ich Ihnen alles Gute im neuen Jahr. Bleiben Sie gesund und irgendwie heiter, so heißt es immer im Fernsehen. Das ist im Landtag überhaupt kein Problem.

Frau Kollegin Schneid und Herr Kollege Schwarz werden mich bei der Sitzungsleitung unterstützen. Entschuldigt sind Frau Bröskamp, Frau Fink und Frau Spiegel. Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist heute entschuldigt, weil es eine deutsch-französische Konferenz zum Thema „EU-Binnenmarkt“ und eine über ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten über Freihandel gibt. Dort geht es um die Vertretung der Kulturinteressen der Länder.

Daher haben die Fraktionen miteinander vereinbart, ein Thema der Aktuellen Stunde zu wechseln. Anstatt morgen wird heute das Thema „Größtes Weinbau treibendes Land Rheinland-Pfalz auf weltgrößter Agrarmesse ‚Grüne Woche‘ nicht vertreten“ aufgerufen. Dafür steht morgen das Thema „Haltung der Ministerpräsidenten zur Zukunft des Rundfunkbeitrages“ auf der Tagesordnung.

Frau Ministerin Conrad ist entschuldigt und befindet sich auf einem Koordinierungsgespräch zwischen Bund und Ländern. Ferner sind die Staatssekretärinnen Vera Reiß und Margit Gottstein entschuldigt.

Meine Damen und Herren, da wir Ferien hatten, hatten wir keine Gelegenheit, Geburtstage zu feiern. Frau Kollegin Schneid hatte am 27. Dezember letzten Jahres Geburtstag. Alexander Fuhr hatte am 5. Januar 2014 Geburtstag, Herr Zehfuß am 11. Januar 2014, Vizepräsidentin Frau Hannelore Klamm am 13. Januar 2014 und Herr Staatssekretär Hand Beckmann am 20. Januar 2014. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben es, wie man sieht, gut überstanden!

(Beifall im Hause)

Frau Blatzheim-Roegler hat heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Da Sie von der Mosel kommen, haben wir für Sie zwei Flaschen Rotwein hier stehen.

Zur Tagesordnung gebe ich noch folgende Hinweise: Die fehlenden Drucksachen wurden am 17. Januar fristgerecht verteilt. Änderungsanträge und Entschließungsanträge werden bei den jeweiligen Tagesordnungspunkten gesondert aufgerufen.

Gibt es noch Wünsche zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Eine neue Willkommenskultur – Das rheinlandpfälzische Integrationskonzept als Chance für Gesellschaft und Wirtschaft umsetzen“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3207 –

Wie bei jedem Thema, stehen in der ersten Runde 5 Minuten Redezeit und in der zweiten 2 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Ich erteile Herrn Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! RheinlandPfalz steht für eine offene Gesellschaft, für eine Willkommenskultur für jeden Menschen. Uns ist jeder Mensch gleich viel wert. Dafür steht das Land. Dafür steht die Koalition. Dafür stehen Integrationsministerin Irene Alt und die gesamte Landesregierung.

Wir haben in diesen Tagen den Carl-Zuckmayer-Preis überreicht. Dabei fällt einem ein, dass Carl Zuckmayer die Stadt Mainz schon damals als die „Völkermühle am Rhein“ bezeichnet hat. Das heißt, wir haben es mit Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft nicht erst in diesen Tagen zu tun, sondern gerade in dieser Region schon seit vielen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten.

Warum machen wir diese Aktuelle Stunde? Diese Aktuelle Stunde machen wir deswegen, weil wir seit einigen Tagen eine politische Debatte im Land haben, die im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahl angezettelt worden ist. Von dort schwappt zu uns nach RheinlandPfalz eine Stimmungsmache herüber, die deutlich macht, dass diese Willkommenskultur, diese offene Gesellschaft im Herzen Europas keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas ist, was wir immer wieder verteidigen und wofür wir immer wieder argumentieren müssen.

Dabei ist eine offene Gesellschaft, eine Willkommenskultur auf der einen Seite eine humane Frage, eine Frage des Zusammenhalts in der Gesellschaft, aber auf der anderen Seite – das hat die heutige Reaktion deutlich gemacht – ein knallharter ökonomischer Faktor.

Das bedeutet, es ist unsere humanitäre, soziale und heutzutage auch ökonomische Verantwortung, für eine Willkommenskultur zu streiten, so wie es diese Landesregierung und die sie tragende Koalition in RheinlandPfalz tut, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist bemerkenswert – das geschieht nicht jeden Tag –, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eine Erklärung am gestrigen Tage abgegeben hat. In der heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Wir sehen „in der Förderung einer Willkommenskultur für qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt einen entscheidenden Faktor für mehr wirtschaftliche Dynamik und Beschäftigungsmöglichkeiten für alle Menschen in Deutschland.

Ein solcher Kulturwandel muss in verbesserten Rahmenbedingungen für die Zuwanderung und die ökonomische und gesellschaftliche Partizipation der Zugewanderten zum Ausdruck kommen. Hier sind Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen gefragt.“

Da ist diese Landesregierung in Vorleistung getreten, jüngst mit der Vorlage des neuen Integrationskonzeptes, mit der Querschnittsaufgabe beispielsweise durch das Landesgesetz zur einfacheren Anerkennung von Berufsqualifikationen, das Frau Ministerin Lemke vorgelegt hat. Dazu gehören der Ovale Tisch zur Ausbildungs- und Fachkräftesicherung der Ministerpräsidentin und die Fachkräftestrategie, die die Landesregierung als Querschnittsaufgabe entwickelt. Das ist das Gegenkonzept zu dem Populismus, der aus der bayerischen Union kommt.

Wenn ich darf, möchte ich das an einem Zitat belegen: „Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Um Mehrfacheinreisen zu verhindern, sollte man darüber nachdenken, Fingerabdrücke zu nehmen.“, so der Spitzenkandidat der Union für die Europawahl Brok in der „Bild-Zeitung“.

Ich finde, dass wir das den Menschen, die zu uns kommen, nicht antun dürfen, dass solche Aussagen eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. Aber sie sind auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für Rheinland-Pfalz. Deswegen sollten wir solche Aussagen in aller Schärfe zurückweisen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn man weiß, dass 1.400 Unternehmen aus osteuropäischen Ländern in Bayern Umsätze tätigen und für Wirtschaftskraft sorgen, dass gerade in Bayern rumänische und bulgarische Facharbeiter, Ingenieure und Ärzte ansässig sind und bei den Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien die Arbeitslosenquote um 7,4 % geringer ist als bei anderen Menschen mit ausländischem Pass, dann ist das nichts anderes als stupider Stammtischpopulismus im Vorfeld von Wahlen und hat relativ wenig mit der gesellschaftlichen Realität in Deutschland zu tun.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Natürlich ist es Aufgabe von Bund und Ländern,

(Glocke des Präsidenten)

die Kommunen nicht alleine zu lassen. Wir dürfen nicht dafür sorgen, dass diese Hetze Fuß fasst und am Ende die Falschen gewinnen. Das kann auch nicht im Sinne der Konservativen sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Integration braucht einen klaren Rahmen, der Freiräume öffnet, aber auch Grenzen setzt. Wir sind für eine zielgerichtete und soweit als möglich gesteuerte Zuwanderung.

(Beifall der CDU)

Die hierfür aufzuwendenden staatlichen Maßnahmen müssen bezahlbar und umsetzbar sein. Die Landesregierung hat ihre Sicht der Dinge in dem neuen Integrationskonzept „Integration, Anerkennung und Teilhabe in neuen Handlungsfeldern“ dargelegt. Ich möchte einige davon exemplarisch herausgreifen, um zu zeigen, dass bei dem Konzept der Landesregierung Anspruch und Wirklichkeit bisweilen weit auseinanderklaffen.

Beginnen will ich mit den Grundsätzen und Leitzielen der Integrations- und Migrationspolitik mit der Integration vor Ort. Aus eigener Erfahrung weiß ich aus vielen Gesprächen, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern überwiegend eine gute Willkommenskultur besteht. Die Menschen in den Gemeinden und Städten nehmen positiv auf, dass Flüchtlinge, die in ihren Heimatländern verfolgt werden, bei uns aufgenommen werden. Integration geschieht vor Ort. Den Kommunen fällt im Rahmen des gesamten Integrationsprozesses weiterhin eine besondere Rolle zu. So heißt es in dem neuen Integrationskonzept der Landesregierung. Dem kann ich voll und ganz beipflichten; denn die Kommunen unternehmen große Anstrengungen, damit Integration vor Ort gelingt. Allerdings fühlen sich viele Kommunen dabei von der Landesregierung im Stich gelassen.

(Beifall bei der CDU)

Vor allem mangelt es an geeignetem Wohnraum und ausreichenden finanziellen Mitteln, um die Herausforderungen zu stemmen. Mit blumigen Worten allein ist es nicht getan.

Ich komme zum Handlungsfeld Bildung und hier speziell zum Teilziel Quereinstieg fördern. Auch hier sieht die Realität vor Ort anders aus als im Integrationskonzept beschrieben. Besonders hapert es im Bereich der Sprachförderung für frisch zugezogene Kinder. Mir liegen Rückmeldungen von Schulen und Eltern vor, dass frisch zugezogene Kinder in der Klasse sitzen und kein

Wort Deutsch sprechen. Das hat zur Konsequenz, dass sie im Unterricht abgehängt werden, die anderen Kinder aber darunter leiden, weil durch den besonderen Betreuungsbedarf die Vermittlung des Unterrichtstoffs beeinträchtigt wird. Der Brief eines Elternvertreters einer rheinland-pfälzischen Grundschule bringt die Sache auf den Punkt. Ich darf zitieren:

Mein Eindruck ist, dass diese Kinder im Klassenverband einer besonderen Betreuung bedürfen. Erfahrungsgemäß ist es so, dass man sich entweder um die Mehrheit einer Gruppe oder um die Sonderfälle einer Gruppe kümmern kann. Jedoch wird man in diesem Spagat niemals allen gerecht werden können. Wir waren irritiert, dass das keine Lehrerpraktikanten oder Referendare zur Unterstützung in den Unterricht mit einbezogen werden. Wir befürchten, dass die Bedürfnisse unserer Kinder dadurch benachteiligt werden, dass unter Umständen nicht alle Teile des Lehrplans so wie vorgesehen umgesetzt werden können. Das bestehende Konzept scheint für mich nicht zu Ende gedacht. Wir werden hier an der Basis sehr alleine gelassen. –

(Beifall der CDU)

Ich komme zum Handlungsfeld Flüchtlinge. Hier wünsche ich mir generell mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Asylbewerbern. Fakt ist, dass beileibe nicht alle, die Asyl begehren, dauerhaft aufgenommen werden können, sondern nur die, deren Flüchtlingsstatus anerkannt wird. Zu mehr Ehrlichkeit gehört auch, dass man die Asylbewerber nicht so lange im Ungewissen lässt. Hier bedarf es einer Beschleunigung des Asylverfahrens. Deshalb setzen wir uns für eine Verkürzung der Bearbeitungsdauer bei den Asylverfahren auf maximal drei Monate ein; denn im Interesse eines wirkungsvollen Asylrechts muss auch schnell Klarheit bestehen, wer keinen Anspruch auf Schutz geltend machen kann. Dies ist ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Bundestag.

(Beifall bei der CDU)