Herr Brandl, ich bin bei dem nächsten Punkt, an dem ich Sie vielleicht falsch verstanden haben könnte. Ich fände das höchst erstaunlich.
Herr Brandl, Sie haben gesagt, wir wären nachlässig gewesen und hätten das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz zur Anerkennung von ausländischen Ausbildungsabschlüssen nicht umgesetzt. Ich war erstaunt. Ist das eine Kritik an den Kammern?
Verstehe ich Sie richtig? Ich meine, wir sind die letzten eineinhalb Jahre sehr erfolgreich mit den Kammern hierin unterwegs gewesen, die das umsetzen und dafür sorgen, dass die Abschlüsse überprüft werden und es Spezifizierungen gibt, sodass wir genau wissen, wo die Fachleute sind, die uns sagen können, welcher Ausbildungsabschluss welche Wertigkeit hat.
Ich fände es höchst erstaunlich, dass das ausgerechnet von Ihnen kommt; denn ich kann das nicht bestätigen.
Es ist ungefähr ein halbes Jahr her, dass wir das Gesetz zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen beschlossen haben. Es funktioniert ausgesprochen gut. Ich habe von den Kammern hieran noch keine Kritik gehört. Ich erlebe, dass sie offenbar auch dieser Aufgabe, die
sie freiwillig übernommen haben, ausgesprochen gut nachkommen. Das lässt sich sicherlich noch klären.
Es ist noch eine weitere Klarstellung vorzunehmen. Es geht um den Personenkreis, der insgesamt betrachtet werden muss, wenn man einer Fachkräftestrategie nachkommen will. Es sind nicht nur die Jugendlichen, die besser orientiert werden wollen. Es geht auch um Frauen, die wieder in das Berufsleben einsteigen wollen, oder Menschen, die länger arbeiten wollen, aber vielleicht unter anderen Bedingungen, weswegen lebensphasenorientierte Personalpolitik ein wichtiges politisches Thema ist.
Ich nenne Gründungen, die von jungen Menschen vorgenommenen werden, die früher in die Verantwortung gehen, weil sie Chefs oder Chefinnen werden. Wir haben nämlich hier – das müssen wir auch berücksichtigen – einen großen Bedarf.
Ungefähr die Hälfte unserer Unternehmen wird in den nächsten zehn Jahren ihren Chef oder ihre Chefin altersbedingt in den Ruhestand verlieren. Deshalb brauchen wir Ersatz. Insofern sind auch unsere Aktivitäten in verstärkte Gründungen absolut wichtig. Wir setzen hiermit als Fachkräftestrategie einen Akzent.
Herr Abgeordneter Guth hat es schon gesagt. Das duale System und unsere vielfältigen Anstrengungen, die ich angerissen habe, oder das Erzielen von internationaler Aufmerksamkeit ist etwas Besonderes. Barack Obama, wenn ich ihn zitieren darf, hat in seiner Rede an die Nation gesagt: „Diese deutschen Kids sind für den Job vorbereitet, wenn sie die Schule abschließen.“ Damit meinte er, wenn sie aus der dualen Ausbildung kommen. „Sie wurden für die Jobs ausgebildet, die es gibt.“
Das macht deutlich, dass gerade die Anpassung und das Verschränken von Ausbildung verknüpft mit einer guten individuellen Orientierung dazu führt, dass wir auch weiterhin in der Besetzung der Fachkräfte international führend bleiben.
Die Abgeordneten haben schon viele Aspekte genannt. Ich kann noch zwei ergänzen. Ich will sie nicht alle noch einmal aufführen. Sie alle sind wichtige Bausteine, ob es nun Aktionen sind wie „Keiner ohne Abschluss“ oder „Praxistage“. Auch die Coaches – dazu haben wir uns auf dem letzten Ovalen Tisch für Fachkräftesicherung wieder verständigt –, die die jungen Leute begleiten sollen, die Orientierungsschwierigkeiten haben, und die wiedereingegliedert werden wollen, auch wenn es vielleicht im ersten Schritt ihrer Orientierung hin zu einer passenden Ausbildung für sie nicht so geklappt hat, wollen wir besser zu packen bekommen.
Wir haben nämlich gelernt – das entnehmen Sie auch dem Bericht –, dass sich 70 % dieser jungen Leute nicht gern wieder beraten lassen, aber auf einen individuellen Coach anspringen und beim Wiedereinstieg absolut erfolgreich sind. Hier können wir besser werden. Deswegen haben wir die Vereinbarung mit den Coaches auch verlängert. Ich denke, das ist ein weiteres Angebot dieser Landesregierung und der Partner am Ovalen Tisch, um voranzukommen. Ich glaube, das ist der Weg, den wir weitergehen müssen.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt. Damit ist die Besprechung der Großen Anfrage und der Antwort der Landesregierung erledigt.
Es wurde eine Grundredezeit von 10 Minuten vereinbart. Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Sippel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der dritte Opferschutzbericht liegt schon eine ganze Weile vor. Wir sind froh, dass wir heute die Möglichkeit haben, darüber zu sprechen und uns darüber auszutauschen. Der Bericht hat es verdient.
Er zeigt in Fortschreibung der beiden bisherigen Berichte auf, wie es um den Opferschutz in Rheinland-Pfalz bestellt ist, insbesondere wie sich die Kriminalitätslage entwickelt hat und welche Anstrengungen die Landesregierung unternimmt, um Straftaten zu verhindern und Opfern von Straftaten wirksam zur Seite zu stehen.
Der wichtige Satz am Anfang des Berichts stammt aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag. Dieser Satz ist absolut zu unterstreichen. Ich zitiere: „Dem Opferschutz widmen wir unser besonderes Augenmerk, denn die Opfer von Straftaten haben Anspruch auf unsere Hilfe.“
Meine Damen und Herren, diesem Anspruch wird die Landesregierung gerecht. Der Opferschutzbericht belegt dies auf sehr eindrucksvolle Weise. Wir können insgesamt feststellen, dass der Opferschutz in den letzten 15 Jahren aus dem Schattendasein in der Justiz herausgetreten ist. Es darf in unserer Gesellschaft nicht der Eindruck entstehen, als widme sich der Rechtsstaat vor allem dem Beschuldigten, dem Täter, und vernachlässige die Opferbelange. Wer das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates und in ein gesundes Rechtsempfinden erhalten und fördern will, darf Geschädigte und Opfer von Straftaten nicht im Regen stehen lassen.
Meine Damen und Herren, Opferschutz geschieht in Rheinland-Pfalz auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Die Sicherheitsstrategie „PRO“ der Landesregierung
Der beste Opferschutz liegt darin, Straftaten zu vermeiden. Deshalb kommt dem Präventionsgedanken eine besonders hohe Bedeutung zu. Der vorbeugende Opferschutz wird auf den Seiten 78 ff. sehr umfassend beleuchtet. Es sind ganz viele Projekte und Aktivitäten, die man alle aufzählen könnte, weil es gute Projekte sind. Ich will nur einige wenige nennen.
Das ist natürlich die Präventionsarbeit der Polizei und der Justiz, die effektive Arbeit der Strafverfolgungsbehörden, um Straftäter schnell zu ermitteln, damit keine weiteren Straftaten begangen werden können. Es sind Aktionen wie die Landespräventionstage, zahlreiche Projekte wie die Ausbildung von Sicherheitsberaterinnen und Sicherheitsberatern für Seniorinnen und Senioren, übrigens eine Altersgruppe, die in den letzten Jahren verstärkt Opfer von Betrug geworden ist. Deshalb macht es absolut Sinn, Aufklärungsangebote durch die Verbraucherzentrale, den Landesdatenschutzbeauftragten, Jugendmedienschutz, die Hotline von jugendschutz.net und vieles mehr zu unterbreiten.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, aber eines ist besonders erwähnenswert, und das sind die regionalen Sicherheitspartnerschaften. Wir haben in RheinlandPfalz über 100 Kriminalpräventive Räte. Es hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt, unterstützt durch die Leitstelle Kriminalprävention aus dem Innenressort. Dort wird hervorragende Arbeit gemacht, weil Bürgerinnen und Bürger, Organisationen und Institutionen gemeinsam mit den Polizei- und Ordnungsbehörden an regionalen Strategien basteln, diese entwickeln, organisieren, um Prävention wirksam zu betreiben.
Es verdient wirklich Dank und Anerkennung, weil diese Arbeit einem Grundsatz folgt, Opferschutz geht uns alle an, Opferschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht nur die Aufgabe des Staates. Deshalb ist es wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft immer wieder neu für Zivilcourage werben, für die Bereitschaft zur Mitwirkung, um Straftaten zu vermeiden, rechtzeitig zu erkennen und Hilfe zu organisieren. Es geht um eine Kultur des Hinsehens.
Meine Damen und Herren, sehr umfassende Hinweise gibt der Bericht im statistischen Teil über die Entwicklung der Kriminalität, die Entwicklung der Opfer- und Geschädigtenzahlen in Rheinland-Pfalz, und zwar im Vergleich der Jahre 2011 zu 2002. Man kann feststellen, dass die Zahl der Straftaten und die Zahlen der Opfer und Geschädigten nahezu konstant geblieben sind. Es haben sich allerdings erhebliche Veränderungen innerhalb der Altersgruppen und der Deliktarten ergeben.
Erfreulich ist zunächst einmal der Rückgang der Geschädigtenzahlen bei Kindern unter 14 Jahren. Da sind die Geschädigtenzahlen um 14,8 % auf 6.358 zurückgegangen. Das ist erfreulich, wohl wissend, dass jede Straftat eine Straftat zu viel ist, gerade gegenüber
Kindern, da, wo es darum geht, ein Sorgerecht auszuüben. Solche Fälle gibt es immer noch genug. Ich denke, deshalb müssen wir weiter daran arbeiten, Stichwort „Landeskinderschutzgesetz“.
Wir stellen fest, dass wir bei der Deliktart Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei Kindern unter 14 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht haben. Hier ist der Rückgang der Zahlen um 37,3 % am markantesten. Hier wirken Präventionsprogramme, mehr Sensibilität und Kontrolle durch den verbesserten Kinderschutz. Dass man heute genauer hinsieht, eher reagiert, wenn mutmaßlich eine Straftat vorliegt, heraus aus der Tabuzone, darum muss es gehen.
Die Zunahme von Körperverletzungsdelikten hat sich weiter fortgesetzt. Insbesondere bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist ein Zuwachs um 39 % innerhalb der zehn Jahre festzustellen. Das ist durchaus besorgniserregend und macht uns deutlich, dass uns Handlungsprogramme, Antigewalttrainung, Sozialarbeit, Schulsozialarbeit ganz wesentliche Instrumente sind, um entgegenzuwirken.
Es dominieren nicht mehr unbekannte Täter insbesondere im Bereich der Körperverletzungsdelikte, bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Das sind sehr oft Tatverdächtige, die aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis der Geschädigten kommen.
Ich denke, deshalb werden zwei Aspekte deutlich. Es werden mehr Straftaten angezeigt, nicht mehr tabuisiert, wie das früher in vielen Fällen der Fall war. Hier wirken Interventionsprojekte gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Die Opfer sind bereit, Täter auch aus dem sozialen Nahbereich anzuzeigen. Das ist eine gute Entwicklung. Es zeigt aber auch, dass die Gewalt in engen sozialen Beziehungen immer noch ein ernst zu nehmendes Problem ist. Deshalb freuen wir uns, dass es gelungen ist, die Förderung der Interventionsprojekte weiter auf einem hohen Niveau fortzusetzen, auch im Doppelhaushalt. Dass wir die Mittel sichern konnten, war ein ganz wichtiger Ansatz.
Meine Damen und Herren, Opfer einer Straftat zu werden, bedeutet oftmals eine tiefe Zäsur im Leben eines Menschen. Da geht es nicht mehr um körperliche, materielle und finanzielle Schäden, sondern es geht auch darum, dass die psychische Belastung, Opfer einer Tat geworden zu sein, nachwirkt, oft länger als der materielle, oft länger als der körperliche Schaden. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass wir im Land eine ganze Palette an Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen gewähren können.
Dazu zählen gesetzliche Regelungen. Es hat sich die letzten Jahre vieles weiterentwickelt. Dazu zählen aber auch ganz konkrete Maßnahmen wie beispielsweise die psychosoziale Prozessbegleitung in Rheinland-Pfalz. Wir können wirklich stolz darauf sein, dass wir das im Bundesvergleich als Vorreiter entwickelt haben. Es wäre
Wichtig ist die Betreuung von Opfern im Zeugenstand, im Strafverfahren. Hier haben wir Zeugenkontaktstellen und Zeugenbetreuung. Wir haben die Videotechnik an allen Landgerichtsstandorten und in den Justizvollzugsanstalten eingeführt – das ist ganz wichtig –, um Opfer, die noch einmal mit der Tat, mit dem Geschehen, konfrontiert werden, zu entlasten.