Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

Wenn man diese 70 Milliarden Euro bis 120 Milliarden Euro unterstellt und eine Rendite von 3 % bis 4 % annimmt, bedeutet ein Steuerabkommen mit der Schweiz dauerhaft Jahr für Jahr zu den Einmaleffekten von 10 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen von 1 Milliarde Euro.

(Beifall bei der CDU)

Da ist ausdrücklich noch nicht dabei, was an Erbschaftsteuer zu berücksichtigen ist.

Also freuen wir uns über jede Selbstanzeige, auf jedes Mal, wenn eine Bürgerin oder ein Bürger wieder auf den Pfad der Tugend zurückgeführt wird, aber bauen wir nicht auf Zufallsfunde, bauen wir auf verlässliche Einnahmequellen, bauen wir auf Steuerabkommen mit der Schweiz. Das liegt im Interesse von Rheinland-Pfalz. Geben wir deshalb dem Steuerabkommen eine neue Chance.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich Gäste bei uns begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Stefan-George-Gymnasiums Bingen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Jetzt hat Herr Kollege Steinbach von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde der SPD zum Thema „Selbstanzeigen bei Steuerhinterziehung“ nehme ich gerne zum Anlass, um unsere Position zu diesem Thema klarzumachen.

Wir kämpfen für mehr Steuergerechtigkeit durch die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, und wir wollen es dadurch konsequent umsetzen.

Meine Damen und Herren, aber zunächst einmal zum Sachverhalt.

1. Die Zahl der Selbstanzeigen in der Bundesrepublik Deutschland ist im letzten Jahr deutlich angestiegen. Presseberichten zufolge hat sie sich knapp verdreifacht.

2. Viele Länder haben sich unter anderem durch den Ankauf von Steuer-CDs Zugang zu den Daten von mutmaßlichen Steuerhinterziehern verschafft.

3. Ein weitgehend strafbefreiendes und die Anonymität von Steuerhinterziehern bewahrendes Besteuerungsabkommen mit der Schweiz wurde im Bundesrat abgelehnt, meine Damen und Herren.

Wenn wir heute über die gestiegenen Zahlen durch die Selbstanzeigen sprechen, dann liegt die Ursache darin, dass wir eine konsequente Politik, dass die rot-grünen Länder eine konsequente Politik und einen konsequenten Umgang mit Steuerhinterziehung gepflegt und konsequent Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Steuerbetrug bekämpft haben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Hätte sich hingegen die Politik der abgewählten CDU/FDP-Regierung durchgesetzt oder wäre sie fortgesetzt worden, dann hätten wir eine weitere Schwächung des Prinzips der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, wir hätten weiterhin eine großzügige Untätigkeit bei der Ermittlung und Strafverfolgung von Steuerstrafdelikten.

(Baldauf, CDU: Da habt ihr euch aber etwas einfallen lassen!)

Ich darf daran erinnern, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU – Herr Schreiner hat noch einmal dafür geworben –, uns das schlechte Steuerabkommen mit der Schweiz angeboten haben wie sauer Bier. Wir sind aber standhaft geblieben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist ein Ergebnis unserer Politik, dass sich Länder wie beispielsweise Luxemburg oder die Schweiz inzwischen zu einer „Weißgeld-Strategie“ verpflichtet haben, das heißt, dass sie auf illegales oder geflohenes Steuerkapital keinen Wert mehr legen. Nunmehr stellen sie keine sicheren Häfen mehr für versteckte Millionen, in der Summe gar Milliarden von Euro aus der Bundesrepublik dar. Die Konsequenz: Viele der vermeintlichen Steuersünder versuchen nun auf dem Weg der Selbstanzeige den drohenden erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Dadurch kommt es zu erheblichen Mehreinnahmen im Milliardenbereich für die Bundesrepublik insgesamt. Das ist eine gute Entwicklung; denn sie führt dazu, dass sich Leute mit überwiegend hohen Einkommen und hohen Vermögen ihrer Steuerpflicht nicht mehr entziehen. Dadurch wird dem Prinzip der Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung entsprochen und eine bestehende Lücke in der Steuergerechtigkeit verringert, meine Damen und Herren.

Herr Schreiner hat schon darauf hingewiesen. Auch der Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin findet zu dem Thema „Steuerhinterziehung“ passende Worte. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: Wir sind uns einig, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, ein wirksamer Steuervollzug und die konsequente Einhaltung der Schuldenbremse für die Sicherung der Einnahmen und der Handlungsfähigkeit des Staates unerlässlich sind. – Weiter heißt es: Innerhalb der Europäischen Union wollen wir Steuerdumping verhindern, Steueroasen austrocknen und die Steuerharmonisierung voranbringen.

Meine Damen und Herren, in diesem Punkt hat die Koalition in Berlin unsere volle Unterstützung. Ich mutmaße aber, dass die entsprechenden Passagen eher auf das Engagement der sozialdemokratischen Seite in der Koalition zurückzuführen sind.

(Baldauf, CDU: Wie alles!)

Wir wollen weiterhin, dass Steuerhinterziehung wirksam bekämpft werden kann. Daher haben wir mit unseren Anträgen zum Haushalt, zum Beispiel bei der Aus- und Weiterbildung der Steuerbeamten, in der Zielsetzung für die Steuerverwaltung klare Akzente gesetzt. Die hervorragende Arbeit, die von den Kolleginnen und Kollegen erbracht wird, findet ihren Niederschlag in den gestiegenen Zahlen bei den Einnahmen und den höheren Zahlen bei den Selbstanzeigen. Hier sehen wir uns voll und ganz in unserer Auffassung bestätigt und werden diesen Weg genauso weitergehen.

Was die Neuausgestaltung eines Steuerabkommens anbelangt, das wir mit der Schweiz möglicherweise zu schließen haben, darüber können wir uns in der Folge

runde gerne noch ein wenig unterhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Staatssekretär Professor Dr. Barbaro das Wort.

(Baldauf, CDU: Hat der Ahnung davon?)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der Selbstanzeigen ist angedeutet worden, zumindest was den Vergleich des Vorjahres mit dem Vorvorjahr angeht. Ich will sie noch einmal ausdrücklich nennen.

Wir hatten im vergangenen Jahr 3.241 Selbstanzeigen und im Jahr zuvor, 2012, 1.360. Das ist mehr als eine Verdoppelung. Aber viel eindrucksvoller sind die Zahlen jener Selbstanzeigen, die sich ganz überwiegend auf Kapitaleinkünfte ausländischer Erträge beziehen.

Hier hat sich die Zahl von 730 auf über 2.400 in einem Jahr mehr als verdreifacht. Dieser rasante Anstieg ist nicht zufällig. Er ist das Ergebnis eines sehr hohen Ermittlungsdrucks, den wir als Länder insgesamt, aber ausdrücklich auch in Rheinland-Pfalz, hatten und der dazu geführt hat, dass der Druck bei den Steuersündern so hoch war, dass es zu diesem großen Anstieg an Selbstanzeigen gekommen ist.

Natürlich war es richtig, die Fahndungsstellen unserer Finanzämter zu verstärken. Diese Zahlen sind das Ergebnis. Den hohen Fahndungsdruck kann man nicht herbeireden, er resultiert aus Maßnahmen, die in diesem Parlament durchaus kritisch, zum Teil ablehnend gesehen worden sind. Ich denke an den Kauf von SteuerCDs.

Diese hohe Zahl von Selbstanzeigen hätte es mit einem Steuerabkommen nicht gegeben. Diese hohe Zahl an Selbstanzeigen mit dem entsprechenden Mehraufkommen, mit dem zusätzlichen Geld, das wir für wichtige Maßnahmen der öffentlichen Hand brauchen, gibt es, weil wir unter anderem eine CD aufgekauft haben. Deswegen war es richtig, so zu handeln.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann spricht Herr Abgeordneter Schreiner davon, man soll sich nicht auf Zufallsfunde verlassen.

Herr Schreiner, eine Selbstanzeige ist kein Zufallsfund. Es ist Ergebnis eines hohen Fahndungsdruckes, den man ausgeübt hat. Wir kommen nicht zufällig dazu, eine Steuerhinterziehung aufzudecken, weil wir zufällig im Bereich von Stichproben darauf gekommen sind. Wir haben diese hohe Zahl, weil der Fahndungsdruck so hoch war. Insofern können wir nicht erzählen, es sei

etwas gewesen, was mit Zufall zu tun hat. Es hat etwas mit konkreter, richtiger Politik zu tun.

(Baldauf, CDU: Natürlich, was denn sonst! Deshalb halten Sie sich auch an Recht und Gesetz!)

Herr Abgeordneter Baldauf, ich glaube, man kann es auch kleinreden.

Ich glaube, es geht schon um ein sehr ernstes Thema, auch was die strafbefreiende Selbstanzeige insgesamt angeht. Sie ist ein Solitär im Strafrecht.

Es gibt die Möglichkeit einer Strafbefreiung, nachdem eine Straftat begangen worden ist, durch eine Selbstanzeige nur in diesem Fall. Deswegen ist es schon aus Gründen der rechtsstaatlichen Ordnung geboten, sich sehr genau anzuschauen, welche Voraussetzungen für eine Strafbefreiung vorliegen müssen.

Ich glaube, deshalb war es sehr richtig, dass die Finanzministerkonferenz einstimmig im Mai letzten Jahres eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene einberufen hat, die das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige kritisch evaluieren und aufzeigen soll, in welche Richtung es geht.

Sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit einer Aktuellen Stunde nutzen, um zwei wesentliche Positionen des Landes Rheinland-Pfalz in dieser Arbeitsgruppe und somit in der Bund-LänderAbstimmung deutlich zu machen und zu skizzieren.

Erstens: Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern plädieren wir in Rheinland-Pfalz für die Beibehaltung des Instruments bei Zurückstellung rechtsstaatlicher Bedenken. Wesentliches Argument für uns ist, dass wir mit dem Selbstbelastungsverbot sonst eine Reihe von Folgeschwierigkeiten hätten.

Wenn ein Steuerpflichtiger aktuell zur Steuerehrlichkeit übergeht und Sachverhalte offenbart, die er in den Vorjahren verheimlicht hat, könnte es wegen des Selbstbelastungsverbots nicht zu einer Verwertung der Informationen kommen, soweit sie die Vergangenheit betreffen.

Ich glaube, deswegen ist es richtig, dass wir sagen, das Instrument sollte beibehalten werden, und es sollte künftig die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige geben, ich sagte, bei Zurückstellung von Bedenken.

Der zweite Aspekt betrifft den Zeitraum der Berichtigungspflicht, der zur Strafbefreiung führt. Ich will das sehr kurz halten und darauf hinweisen, dass in den Medien häufig irrtümlich behauptet wird, die Länder sprächen über eine Ausweitung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre. Um die geht es nicht. Das wäre auch rechtssystematisch schwierig.