Den Gesetzentwurf begründet für die Landesregierung Frau Staatsministerin Ahnen. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe die große Freude, heute den Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes, des Hochschulgesetzes und des Verwaltungshochschulgesetzes in den Landtag einzubringen. Dieser Gesetzentwurf enthält ein Kernanliegen der Landesregierung. Der in Rheinland-Pfalz schon weit entwickelte Prozess der schulischen Inklusion erhält damit einen gesetzlichen Rahmen.
Bund, Länder und Gemeinden sind zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Ich sage ganz
ausdrücklich: Wir sind dazu nicht nur verpflichtet. Wir wollen das auch. Insofern geht es in der Debatte um die Inklusion nicht um das Ob eines inklusiven Schulsystems, sondern um das Wie. Auf dieses Wie gibt der vorliegende Gesetzentwurf eine gute Antwort.
(Beifall der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)
Kernstück der Gesetzesnovelle ist die gesetzliche Verankerung des Wahlrechts von Eltern mit Kindern mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf. Die Eltern können zukünftig zwischen einem inklusiven Unterrichtsangebot und dem Angebot der Förderschule wählen, und das ohne Vorbehalte, die bisher noch im Gesetz enthalten waren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bringen den Entscheidungen von Eltern großes Vertrauen entgegen. Das hat uns in vielen schulpolitischen Fragen in der Vergangenheit gut geleitet. Das wird auch in diesem Fall so sein.
Sicherlich wird die Entscheidung der Eltern wesentlich vom Gelingen des inklusiven Unterrichts bestimmt. Deshalb geht es zur nachhaltigen Sicherung der Unterrichtsqualität auch darum, dass Regelschulen breite Unterstützung erhalten, und zwar zukünftig auch durch Förder- und Beratungszentren, zu denen sich Förderschulen an geeigneten Standorten entwickeln werden. Die Aufgabenstellung und die Beauftragungsverfahren für diese Förder- und Beratungszentren werden in der Gesetzesnovelle ebenfalls bestimmt.
Der Gesetzentwurf sieht weitreichende Beteiligungsrechte für die Schulträger und die Träger der Schülerbeförderung vor. Mit diesen Maßnahmen, zum Beispiel die Beteiligung bei der Beauftragung von Schwerpunktschulen, bei der Festlegung der konkret zu besuchenden Schule durch die Schulbehörde oder der Antragstellung für Förder- und Beratungszentren, sind wir den kommunalen Spitzenverbänden sehr weit entgegengekommen.
Dennoch haben die kommunalen Spitzenverbände – auch das möchte ich ansprechen – und der Kommunale Rat dem Gesetzentwurf letztlich nicht zugestimmt. Zentraler Streitpunkt – darüber hatten wir bereits in der letzten Plenardebatte diskutiert – sind die Kosten für die sogenannten Integrationshelferinnen und -helfer nach dem Sozialgesetzbuch.
Die Rechtsprechung ist eindeutig. Der Unterricht und die Vermittlung von Bildungsinhalten sind von der Schule zu übernehmen. Die lebenspraktische Unterstützung ist von der Jugend- bzw. Sozialhilfe zu leisten. So ist die Regelung in allen Ländern. Das haben das Bundessozialgericht in Urteilen vom 22. März 2012 und 15. November 2012 und aktuell auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss vom 5. Februar 2014 bestätigt. Das Landessozialgericht SchleswigHolstein – nur darauf bezieht sich die CDU – hat am 17. Februar 2014 in einem sehr speziellen Fall anders entschieden. Fakt ist, dass auch in den anderen Ländern
Auch wenn das Land nicht für die Kosten verantwortlich ist, haben wir dennoch mit den Spitzenverbänden vereinbart, im Rahmen eines Projektes zu untersuchen, wie der Einsatz von Integrationshelferinnen und -helfern optimiert und damit auch kostengünstiger gestaltet werden kann.
Die Opposition – das beweist der vorliegende Entschließungsantrag – geht davon aus, dass die Landesregierung die Konnexitätsrelevanz nicht geprüft hätte. Ganz im Gegenteil, die Landesregierung hat die Konnexitätsrelevanz nicht grundsätzlich ausgeschlossen. In der Kostenverursachungs- und Kostenfolgenabschätzung nach dem Konnexitätsgesetz wird aufgezeigt, wo Kosten für die Kommunen entstehen können.
Der Gesetzentwurf ist aber für eventuelle Kosten nicht ursächlich; denn das Land ist zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention verpflichtet. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die insbesondere für die Kommunen kostengünstigste Umsetzungsmöglichkeit gewählt, nicht zuletzt auch, weil das Land in den Schwerpunktschulen erhebliche zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen auf einem guten Fundament in Rheinland-Pfalz auf. Wir haben im Land Rheinland-Pfalz bereits heute 262 Schwerpunktschulen. Wir glauben, dass es mit diesem Gesetzentwurf gelingen wird, diesen Weg konsequent fortzuführen.
Die zweite Säule des Gesetzentwurfs betrifft die Verbesserung der Partizipation von Eltern und Schülerinnen und Schülern. Auch hier sieht der Gesetzentwurf auf mehreren Ebenen Initiativen vor. Insbesondere werden die Rechte des Schulausschusses gestärkt, aber auch die Schulelternbeiräte und die Vertretung der Schülerinnen und Schüler erhalten mehr Rechte.
Beispielhaft will ich insbesondere nennen, dass die Mitglieder des Schulausschusses zukünftig Stimmrecht in der Gesamtkonferenz haben und über die Grundsätze der schulischen Qualitätsarbeit mitbestimmen.
Damit erfüllen wir wesentliche Forderungen des Landeselternbeirates und greifen auch wesentliche Forderungen der Landesschülerinnen- und -schülervertretung auf, und zwar nicht zuletzt dadurch, dass ein neues Gremium, der Landesrat, eingerichtet wird.
Last but not least beinhaltet der Gesetzentwurf durchaus angehängt eine Änderung im Bereich der Hochschulen. Hier geht es einerseits um das Verfahren zur öffentlichen Bekanntmachung der Satzungen von Hochschulen, der Studierendenschaften und der Studierendenwerke. Es geht andererseits darum, dass die Bezeichnungen von Hochschulen nachgeführt werden, und zwar dort, wo sich Hochschulen bereits in ihrer Grundordnung einen anderen Namen gegeben haben. Das trifft in besonderer Art und Weise auf die Fachhochschulen zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt hat sich in der Anhörung ein positives Bild zu diesem Gesetzentwurf abgezeichnet. Wie immer, wenn man im Bereich der Schulen Veränderungen vornimmt, gibt es jene, denen der Gesetzentwurf nicht weit genug geht, und die zum Beispiel meinen, man hätte die Förderschulen abschaffen sollen. Wir sind dezidiert der Meinung, dass das nicht der richtige Weg wäre, sondern setzen stattdessen auf das Wahlrecht der Eltern und auf die Entscheidung der Eltern. Auch für uns – das machen wir im Gesetzentwurf deutlich – hat der gemeinsame Unterricht Vorrang. Wir wollen, dass Kinder gemeinsam beschult werden können.
Mein großer Wunsch ist, dass in dieser wichtigen Frage der Inklusion auch dieser Landtag möglichst zu einem geschlossenen Bild kommt. Deswegen stehe ich Ihnen für alle Beratungen im weiteren Verfahren sehr gern zur Verfügung. Ich glaube, es ist ein sorgfältig erarbeiteter Gesetzentwurf. Aber auch wenn wir sorgfältig gearbeitet haben, sind wir auf die weitere Debatte mit Ihnen gespannt.
Gerne, aber dann muss sich auch jemand melden. Für die Fraktion der CDU hat Frau Abgeordnete Dickes das Wort. Wir haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Sie haben eine Redezeit von 7,5 Minuten.
Vielen Dank. Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Inklusion – das Recht aller auf Teilhabe an der Gesellschaft – ist das zentrale Thema, über das wir in den vergangenen Jahren diskutiert haben und auch in den kommenden Jahren in der bildungspolitischen Diskussion diskutieren werden. Es geht dabei ganz besonders um die Frage, wie wir mit den unterschiedlichen Bedürfnissen von Kindern mit Beeinträchtigungen umgehen und wie wir jedem einzelnen Kind gerecht werden; denn die Frage, die sich stellt, ist nicht Förderschule ja oder nein, sondern was braucht das einzelne Kind, und wie können wir dem Anspruch des einzelnen Kindes gerecht werden.
Die Landesregierung möchte dies mit einem Gesetzentwurf umsetzen, indem sie – ich zitiere aus Ihrem Schulgesetz – die gemeinsame Nutzung des schulischen Angebots durch Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung – darauf weise ich explizit hin – von der Schaffung ausreichender sächlicher, räumlicher und personeller Bedingungen davon unabhängig macht, ob
Ressourcen für Kinder zur Verfügung stehen – das ist die Aussage Ihres Gesetzestextes –, und zwar ganz egal, ob Kinder mehr oder weniger brauchen.
Um aber jedem Kind bestmöglich gerecht zu werden, brauchen wir Ressourcen. Wir brauchen gut ausgebildete Förderlehrer und pädagogische Fachkräfte.
Wir brauchen entsprechend ausgestattete Räume. Wir brauchen Hilfsmittel, die für den optimalen Lernprozess nötig sind.
Frau Ministerin, Sie betonen mit Ihrem Gesetzentwurf, dass – das ist ein weiteres Zitat – mit der gesetzlichen Verankerung dieses Wahlrechts optimale Teilhabemöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eröffnet würden. Als optimal betrachten Sie das, was Sie zur Verfügung stellen. Darauf müssen sich aber Eltern, die von ihrem vorbehaltlosen Wahlrecht Gebrauch machen, verlassen können.
Inklusion, die wirklich das Wohl des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellt, braucht Ressourcen, braucht Personal, Räume und Sachausstattung. Das ist der Grund für die CDU, dass wir heute schon in der ersten Lesung einen Entschließungsantrag einbringen. Mit dem Gesetz werden Notwendigkeiten für mehr Räume, mehr Ausstattung und mehr Integrationshelfer geschaffen.
Frau Ministerin, dafür – das wissen Sie – sind die Kommunen zuständig. Deshalb braucht es aus unserer Sicht dringend einen Schulterschluss zwischen dem Land und unseren kommunalen Spitzenverbänden. Auf der Seite – das wissen Sie sehr wohl – gibt es große Irritationen, da man davon ausgeht, dass das Gesetz konnexitätsrelevant sei. Daher lehnt man das Gesetz ab. Aber wie gesagt, wenn wir als gesellschaftliches Ziel etwas schaffen wollen, dann müssen wir das gemeinsam durchsetzen.
Da geht es ausdrücklich um die Kinder, die unsere besondere Unterstützung brauchen, und wir müssen alle an einem Strang ziehen. Unser Antrag soll deswegen Brücken bauen und Rechtssicherheit schaffen, um gemeinsam dem Ziel, alle Kinder bestmöglich zu unterstützen und zu fördern, nachzukommen. Deshalb brauchen wir eine transparente und realitätsnahe Kostenrechnung in Bezug auf die Umsetzung der Inklusion und die Klärung der Frage, in welcher Weise Kommunen zusätzlich belastet werden und wie das Land sie bei der Umsetzung unterstützt.
Dass diese Frage durchaus Brisanz hat, zeigen die Diskussionen in anderen Bundesländern. In Bremen und Hamburg sagt man, so ist es mit diesen Ressourcen nicht umzusetzen. Es zeigt die Diskussion in NordrheinWestfalen, dass dort die Position der Landesregierung, dass Inklusion weder konnexitätsrelevant noch mit hohen kommunalen Kosten verbunden sei, nicht haltbar ist.
Frau Ministerin, Sie haben das Urteil aus SchleswigHolstein angesprochen. Es ist zumindest der Überprüfung wert, ob Integrationshelfer wirklich nicht am Unterricht teilhaben und nur lebenspraktische Unterstützung geben.
In Schleswig-Holstein ist man der Meinung, dass auch Motivation zum Lernen durchaus etwas mit Unterricht und nicht nur mit lebenspraktischer Unterstützung zu tun hat.
Noch einmal, gerade weil es diese Unsicherheiten gibt, weil Sie ganz bewusst sagen, in Rheinland-Pfalz ist es anders, bitten wir, diesen Punkt intensiv zu prüfen, damit die Sicherheit besteht, damit man sich gemeinsam dem Ziel, für alle Kinder bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nähern kann.