Gibt es noch Wortmeldungen; denn den Fraktionen stehen durch die Meldung der Landesregierung noch zwei Minuten Redezeit pro Fraktion zur Verfügung? – Das ist nicht der Fall. Dann sind wir am Ende der Aktuellen Stunde angelangt.
Wahl eines Mitglieds des Landtags in den Rundfunkrat des Südwestrundfunks Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3555 –
Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben einen Wahlvorschlag eingereicht. Es wird Herr Kollege Martin Haller als Nachfolger für Frau Kollegin Margit Mohr vorgeschlagen. Wer diesem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das war einstimmig der Fall.
Wahl eines Mitglieds des Landtags in die Versammlung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK)
Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Nachdem wir Herrn Kollegen Haller in den Rundfunkrat gewählt haben, ist nun ein Nachfolger zu wählen. Das Gesetz besagt, dass der Nachfolger weiblich sein muss. Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlagen Frau Kollegin Dr. Tanja Machalet vor. Wer diesem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Auch das war einstimmig der Fall.
Landesgesetz zur Neuregelung der Voraussetzungen der Behandlung von Krankheiten untergebrachter Personen Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/2996 – Zweite Beratung
Ich bitte den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Wäschenbach, die Berichterstattung vorzunehmen. – Herr Kollege Wäschenbach ist nicht anwesend. Das heißt, wir müssen auf die Berichterstattung verzichten.
Es wurde eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich bitte um Wortmeldungen. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf der Landesregierung. – Herr Minister Schweitzer, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet. Sie haben mich aufgerufen, und jetzt rede ich auch gerne.
Ich möchte einfach die Gelegenheit nutzen, dem Ausschuss und den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss erneut – das bleibt zumindest heute so – für die gute Beratung zu danken, die wir diesem Gesetzentwurf haben angedeihen lassen.
Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen dafür danken, dass sie dem Thema, das im Bereich der Psychiatrie immer wieder die Frage aufwirft, wie wir uns im Spannungsfeld zwischen Heilbehandlung und ordnungspolitischen Aufgaben bewegen, die Aufmerksamkeit entgegengebracht haben, die das Thema verdient.
Es gab eine Ausschussanhörung, die aus der Sicht des federführenden Ministeriums unsere eigene Ressortan
hörung und die externe Anhörung ergänzt hat und durch die deutlich wurde, dass wir insbesondere nach den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Rechtsklarheit brauchen und wir der erheblichen Verunsicherung, die es in der Praxis sowohl bei den Patientinnen und Patienten als auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der psychiatrischen Kliniken und Hauptfachabteilungen gab, eine klare Rechtslage auf landesgesetzgeberischer Basis entgegensetzen wollen. Wir haben dabei die immer wieder neuen Gerichtsentscheidungen zur Zwangsbehandlung und nicht zuletzt auch die Novellierung des Betreuungsrechtes berücksichtigt, die allesamt Veränderungen der Rechtslage herbeigeführt haben. Das hat dann dazu geführt, dass wir uns gemeinsam – Landesregierung und Parlament – die notwendige Zeit genommen haben, einen Gesetzentwurf mit der Praxis, mit den Verbänden der Psychiatriebetroffenen und -erfahrenen, aber natürlich auch mit all den Externen, die einen wissenschaftlichen und praktischen Beitrag dazu leisten konnten, zu diskutieren.
Diesen Diskussionszeitraum haben wir genutzt. Ich finde, das wird im Ergebnis durchaus sichtbar, nämlich in dem Gesetzentwurf, den ich Ihnen heute zur zweiten Lesung vorlegen kann. Der vorliegende Gesetzentwurf soll die materiellen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen von medizinischen Zwangsbehandlungen untergebrachter Personen im Landesgesetz für psychisch kranke Personen und im Maßregelvollzugsgesetz gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und unter Berücksichtigung der weiteren Rechtsprechung, wie ich sie schon geschildert habe, regeln.
Uns allen ist bewusst, dass wir auf einem sehr schweren Boden unterwegs sind, wenn wir mit diesem Thema beschäftigt sind. Aber ich habe, auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ausschussberatung, doch den Eindruck, dass wir einen gemeinsamen Gesetzentwurf erarbeitet haben, der der Praxis gerecht wird und all die ethisch-moralischen, aber auch die verfahrensbezogenen Fragen in den Einrichtungen berücksichtigt, insbesondere auch die Vorgaben der UN-Konventionen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen und weitere entsprechende Vorschriften. Insofern vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Jetzt freue ich mich auf die weitere Debatte.
Vielen Dank, Herr Minister. – Zur Klarstellung; denn eben sind Irritationen entstanden: Wenn sich ein Mitglied der Landesregierung meldet, hat es natürlich das sofortige Rederecht. Herr Dr. Wilke, ich dachte, Sie hätten sich zur Berichterstattung gemeldet.
Herr Dr. Wilke, Sie mögen das anders sehen. Aber es ist so: Wenn sich ein Mitglied der Landesregierung meldet, hat es das sofortige Rederecht.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den wir hier abschließend behandeln und verabschieden wollen, betrifft nur eine kleine Gruppe von Menschen. Es gibt nur ungefähr 600 untergebrachte Personen in Rheinland-Pfalz, haben wir der Gesetzesbegründung entnommen. Aber diese 600 Personen betrifft es in einer fundamentalen Art und Weise, und es berührt gleichzeitig Grundsatzfragen des Menschen: Grundsatzfragen unseres Verständnisses von Freiheit und menschlicher Selbstbestimmung.
Die Ausgangslage dieses Gesetzentwurfs ist klar: Im März 2011 hat das Bundesverfassungsgericht eine Bestimmung unseres Maßregelvollzugsgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Karlsruhe hat damals entschieden, dass unsere Regelung zur medizinischen Zwangsbehandlung von Menschen, die nach dem Maßregelvollzugsgesetz untergebracht sind, also Menschen, die schuldunfähig eine Straftat begangen haben und deshalb nicht eine Gefängnisstrafe verbüßen können, erstens unklar sind und zweitens keinen hinreichenden Verfahrensschutz für diese Menschen bieten, wenn sie eine Behandlung ablehnen.
Wie sind nun Sie, die Landesregierung, mit diesem Thema, das heißt mit diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, umgegangen? – Erst einmal sehr nachlässig; denn es dauerte bis November 2013, also genau zweieinhalb Jahre, bis die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, um das zu reparieren. Das ist deshalb erstaunlich, weil Sie, Herr Minister, letzte Woche im Ausschuss selbst sagten, es handele sich um ein äußerst dringliches Gesetzgebungsvorhaben.
Ich muss Ihnen allerdings zugutehalten, dass Sie noch nicht so lange Minister sind. Der Vorwurf trifft also weniger Sie, Herr Schweitzer, als Ihre Amtsvorgängerin, unsere Ministerpräsidentin, in deren Zeit als Sozialministerin dieser Vorgang fiel. Hätte die CDU die Verantwortung im Land getragen, wäre dieses Gesetzesprojekt schon längst bewältigt.
Ich darf hinzufügen: Die von der Praxis beklagte spürbare Unsicherheit im Umgang mit medizinischer Zwangsbehandlung hätte es nicht gegeben.
Zum Gesetzentwurf selbst will ich Folgendes ausführen: Es ist sicherlich richtig, die Voraussetzungen für medizi
nische Zwangsbehandlungen nicht nur, wie es vom Verfassungsgericht entschieden worden ist, für den Maßregelvollzug, also für die schuldunfähigen Straftäter, neu zu regeln, sondern auch für die Menschen, die nach dem Unterbringungsgesetz in einer Einrichtung untergebracht sind, ohne eine Straftat begangenen zu haben. Die Sachverhalte sind bei beiden Personengruppen weitgehend gleich, weswegen auch die Regelungsdichte und die Regelungsinhalte weitgehend gleich ausfallen konnten. Insofern ist der Gesetzentwurf absolut richtig. Es ist auch richtig, die medizinische Behandlung der im Maßregelvollzug befindlichen und der untergebrachten Personen grundsätzlich von deren Einwilligung abhängig zu machen und außerdem auch eine wirksam errichtete Patientenverfügung zu respektieren. Die Frage, die sich im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens aber vor allen Dingen gestellt hat, ist die: Ist es richtig, eine Behandlung der Krankheit, die zur Unterbringung geführt hat, ausnahmsweise auch dann zuzulassen, wenn der Betroffene selbst sie ablehnt?
Hier kommen wir nun zu der eingangs von mir angesprochenen ethischen Frage, die auch eine verfassungsrechtliche ist. Auf den Punkt gebracht: Wie weit reicht nach unserem Grundgesetz und nach unserer Verfassung die Freiheit zur Krankheit? – Das Bundesverfassungsgericht hat damals zu Recht darauf hingewiesen, Sicherheitsbelange könnten eine Zwangsbehandlung niemals rechtfertigen; denn die betroffenen Personen seien schon in einer geschlossenen Einrichtung. Eine Sicherheitsgefährdung könne von ihnen nicht mehr ausgehen. Das Gericht hat außerdem darauf hingewiesen, dass auch bloße Gesichtspunkte des einfacheren Umgangs mit diesen Menschen in keinem Falle eine medizinische Zwangsbehandlung rechtfertigen könnten.
Was dann kann also eine Zwangsbehandlung rechtfertigen? – Auch hier weist uns Karlsruhe den Weg. Soweit nämlich eine Behandlung im wohlverstandenen Interesse der betroffenen Person liegt, weil sie ihr die Chance verschafft, vielleicht doch irgendwann wieder ein Leben in Freiheit zu führen, kann sich nach Aussage des Bundesverfassungsgerichts der Staat das Recht nehmen, die betroffene Person gegen ihren aktuell geäußerten Widerwillen medikamentös zu behandeln, um einen Heilerfolg zu erzielen, der sie eventuell in die Lage versetzt, in die Freiheit entlassen zu werden.
Betroffene empfinden das oft als Entmündigung, und viele von Ihnen werden, wie ich, Briefe mit der Überschrift „Gewaltfreie Psychiatrie jetzt“ erhalten haben. Letztlich sind aber wir, die CDU-Fraktion, mit dem Bundesverfassungsgericht der Auffassung, dass wir eine solche Zwangsbehandlung zulassen sollten; denn wenn nur einer der Betroffenen hinterher sagt, Gott sei Dank habt ihr mich behandelt, obwohl ich damals in einem Zustand der Einsichtsunfähigkeit gesagt habe, dass ich die Behandlung nicht will, ich bin dadurch gesund geworden, ich konnte wieder ein Leben in Selbstbestimmung und Freiheit führen, war es richtig und gut, dass wir so gehandelt haben.
Wichtig sind natürlich die verfahrensmäßigen Absicherungen, zu denen uns das Bundesverfassungsgericht
klare Aussagen mitgegeben hat. Es müssen entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen, es muss immer ein Arzt an der Maßnahme mitwirken, und im Falle der Maßregelvollzugsuntergebrachten muss eine zweite ärztliche Meinung eingeholt werden. All diese Dinge ebenso wie das ausführliche Aufklärungsgespräch im Vorfeld sind wichtige Gesichtspunkte, die dieser Gesetzentwurf enthält. Hier erfüllt also der Gesetzentwurf, kurz gesagt, alle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Er kommt zwar spät – aus unserer Sicht zu spät –, aber er enthält die richtigen Inhalte, weswegen wir ihm zustimmen werden.
Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wilke, ich bin froh, dass dieser Gesetzentwurf im Sozialausschuss federführend behandelt wurde und hier mehr die menschliche Seite eine Rolle spielte, nicht nur die materiell-verfahrensrechtliche, wie Sie das gerade geäußert haben. Ihr Vortrag war entsprechend.
Sie haben richtig erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil vom März 2011 entschieden hat, dass eine medizinische Zwangsbehandlung von Straftätern in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Maßregelvollzugs ungenügend geregelt ist. Es hat dabei aber nicht ausgeschlossen, dass eine solche Behandlung doch stattfinden kann.