Bevor Verwirrung ausbricht, nein, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch nicht die absolute Mehrheit in diesem Haus. Selbstverständlich ist das Thema der Aktuellen Stunde gemeinsam von den Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt worden.
Verkehrslärm. – Lärm ist die moderne Geißel der Menschheit. Dieser Spruch fußt wohl auf einer Prognose von Robert Koch, der vor 100 Jahren gesagt hat: Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie Pest und Cholera. –
Sei es Fluglärm, der Lärm von der Straße oder von der Eisenbahn, die dauerhaft hohen Umweltschallpegel des Verkehrslärms wirken sich schädlich auf die Gesundheit aus. Das gilt natürlich vor allem für die Ballungsräume, aber auch der ländliche Raum bleibt davon nicht verschont.
Nach der Verkehrslärmschutzverordnung werden lediglich nach wesentlicher Änderung oder dem Neubau von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen Immis
sionsgrenzen neu festgelegt. Bei der wesentlichen Änderung muss es sich um einen erheblichen baulichen Eingriff handeln, der gleichzeitig zu einer spürbaren Verschlechterung der bisherigen Lärmsituation führt. Es handelt sich dabei um eine Regelung der Lärmvorsorge, die unseres Erachtens so nicht mehr zukunftsfähig ist. Aus Kostengründen werden nämlich dann bereits bestehende Straßen- und Schienenwege nicht mehr in eine Sanierung und in die Berechnung, wie hoch ein Schallpegel sein darf, einbezogen.
Am vergangenen Samstag fand eine weitere Demonstration gegen Bahnlärm im Mittelrheintal statt. Zusammen mit unserer Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner, die sich auch im Beirat für ein leiseres Mittelrheintal engagiert, Minister Lewentz und Kollegen und Kolleginnen dieses Hauses habe ich daran teilgenommen. Die Leute im Rheintal sind wütend und enttäuscht, dass die Politik es noch immer nicht geschafft hat, dass es sich im Mittelrheintal erträglich leben lässt. Vor allem in der Nacht sind die lauten Güterzüge eine absolute Zumutung.
2011 hat das Umweltministerium eine Dauermessstelle in Oberwesel eingerichtet. Spitzenpegel von bis zu 106 Dezibel und Mittelungspegel von 80 Dezibel bei bis zu 150 nächtlichen Zugdurchfahrten sind dort leider Realität. Das ist gemessen und nicht nur errechnet. Das ist absolut nicht mehr tragbar.
Sowohl die Erneuerung von Streckenabschnitten der Schienenwege als auch die Umrüstung des Wagenmaterials lassen allerdings auf sich warten. Da bewegt sich die Bahn im Tempo eines Bummelzuges.
Es ist nicht nur der Bahnlärm im Mittelrheintal – inzwischen bekomme ich auch schon vermehrt Beschwerden von der Mosel über die lauten Güterzügen –, sondern es gibt natürlich auch noch andere Lärmquellen, die uns dringend beschäftigen müssen und die beweisen, dass Lärm krank macht. Das gilt zum Beispiel auch für den Straßenlärm.
Die Landesregierung reagiert auf den wachsenden Straßenlärm darauf, indem das Umweltministerium und das Verkehrsministerium zusammen eine Initiative zu Tempo 30 auf qualifizierten Straßen – Bundesstraßen und Landesstraßen – gestartet haben. Generationen von Lärmgeschädigten haben sich da vor allem an den nachgeordneten Behörden die Zähne ausgebissen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Hürde niedriger werden muss.
Mit zunächst sieben Pilotprojekten gehen jetzt Umweltministerium und Verkehrsministerium an den Start. Die Pilotprojekte – das erste habe ich am 1. März in Kandel mit eingeweiht – werden, davon sind wir überzeugt, eine qualitative Verbesserung für die betroffenen Menschen an diesen Hauptverkehrsstraßen bewirken. Andere Kommunen stehen schon Schlange. Deswegen glaube ich, dass wir über diese sieben Pilotprojekte hinaus sicher eine andere Regelung finden müssen.
Ein besonderer Skandal in Sachen Lärm und Umweltschutz und wie man ihn gut oder in dem Fall schlecht konterkarieren kann, ist die A 643 in Mainz. Die Koalition, die Bürgerinitiativen, der runde Tisch, alle haben sich darauf geeinigt, vier plus zwei reicht aus Lärmschutzgründen aus. Was passiert? Der damalige Bundesverkehrsminister Ramsauer – Dobrindt hat das bisher noch nicht zurückgezogen – geht hin und weist an, sechs plus zwei zu bauen. Das heißt, sechs Spuren plus zwei Ersatzspuren.
Das mit dem vergifteten Bonbon, dann gäbe es auch Lärmschutz. Das kann keine moderne Verkehrspolitik sein.
Ich danke an der Stelle ausdrücklich unserem Verkehrsminister, dass er sich von dieser Anweisung nicht hat beirren lassen. Wir kämpfen dafür, dass dann, wenn Straßenausbauten gemacht werden, sie so gemacht werden, dass Lärmschutz dort eine hohe Priorität hat.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Menschen im Rhein-Main-Gebiet und insbesondere die Menschen in Mainz und Rheinhessen kämpfen seit vielen Jahren gegen die Lärmbelastung insbesondere durch Fluglärm, aber auch immer mehr Menschen in ganz Rheinland-Pfalz kämpfen gegen die Belastung durch Bahn- und Straßenlärm, so zum Beispiel die Bürgerinnen und Bürger im Mittelrheintal.
Es sind inzwischen viele Bündnisse von Lärmbetroffenen entstanden, die über Parteigrenzen hinausgehen und das gemeinsame Ziel haben, die Menschen vor weiterer enormer Lärmbelastung und damit vor weiteren gesundheitlichen Schädigungen zu schützen sowie die Entscheidungsträger von einem Umdenken zu überzeugen.
In diesem Zusammenhang ist eine von der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2011 vorgelegte Untersuchung von Interesse, in der neue Erkenntnisse zu Gesundheitsfolgen von Verkehrslärm in Europa präsentiert wurden. In dieser repräsentativen Studie wurde unter anderem festgestellt, dass jährlich mehr als 1 Million gesunde Lebensjahre durch Umgebungslärm verloren gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Lärm stellt nach der Luftverschmutzung das zweitgrößte Gesundheitsrisiko für uns Menschen dar. Weitere mittlerweile unumstrittene Studien, so die vom Mainzer Kardiologen Universitätsprofessor Thomas Münzel, der heute Nach
mittag meiner Einladung in den Landtag mit vielen weiteren Fluglärmaktivisten gefolgt ist, belegen, dass für die Entstehung von Herz- und Kreislauferkrankungen Lärm und hier insbesondere Fluglärm in erheblichem Umfang mitverantwortlich ist. Hinzu kommen weitere Beeinträchtigungen, wie Schlafunterbrechnungen und gerade bei Kindern Lernstörungen, die nicht ohne Folgen für die schulische Leistungsfähigkeit und damit für die weitere Entwicklung sind.
All diese Erkenntnisse haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Sensibilität für das Thema Lärmbelastung in den vergangenen Jahren bei uns deutlich gestiegen ist. Das war auch in diesem Haus nicht immer so.
Damit aber die Lärmbelastung bei uns auch politisch einen höheren Stellenwert erhält, muss endlich zielführend gehandelt werden. Deshalb ist es gut, dass gerade eine der beiden Regierungsparteien das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ja, bei uns im Land herrscht Handlungsbedarf. Das werden Sie naturgemäß anders sehen, aber wir als CDU erwarten, dass Sie Ihren Einfluss geltend machen, um Menschen besser vor Lärm zu schützen.
Sie können die Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit des Themas an mehreren Stellen allein hier in Mainz unter Beweis stellen. Ich erwarte, dass Sie sich sowohl beim geplanten Ausbau der A 60 als auch bei dem der A 643 für die Menschen und für den Lärmschutz einsetzen und endlich den vielen Worten Taten folgen lassen.
Das, was bisher an Lärmschutz für die schon jetzt höchstbelasteten Menschen in Mainz-Marienborn vorgesehen ist, reicht bei Weitem nicht aus, um den Menschen dort ausreichenden Schutz vor Verkehrslärm – insbesondere nach dem Ausbau – zu geben. Sie regieren; Sie haben den Auftrag, aktiv zu werden. Weisen Sie den LBB an, für Lärmschutz für die Betroffenen zu sorgen, der diesen Namen auch verdient hat.
Was für den Autoverkehr gilt, muss auch für den Fluglärm gelten. Ein grüner hessischer Verkehrsminister, eine grüne hessische Umweltministerin, aber die Belastung durch Fluglärm nimmt nicht ab, sondern sie nimmt, was viele Menschen befürchten, künftig zu. Dazu eine rheinland-pfälzische grüne Umweltministerin, und Stillstand beim Thema Fluglärm.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und mittlerweile Aufsichtsrat bei der FRAPORT, am 29. April beim Travel Industry Club zum Thema Flughafen Frankfurt lediglich auf den Koalitionsvertrag verweist und bemerkt, dass seine Partei grundsätzlich auch den geplanten Bau eines dritten Terminals mitgetragen und er die FRAPORT jetzt noch einmal aufgefordert hat zu prüfen, ob diese neuerliche Expansion wirklich notwendig ist.
Fakt ist: Die Tiefbauarbeiten für das Terminal 3 sind fast abgeschlossen, und der Vorsitzende der Fraport, Schulte, erklärt, dass er den Aktionären gegenüber verpflichtet sei, das Terminal 3 zu bauen. Meine Damen und Herren, Kampf gegen Fluglärm sieht anders aus.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, auch wenn es bei dem Thema Verkehrslärm nicht allein um Fluglärm geht, gibt es heute keinen aktuelleren Anlass, um darüber zu sprechen. Heute Morgen war in Mainz und in der Region die Nacht um kurz vor 05:00 Uhr zu Ende, weil die Flugzeuge wieder darübergedonnert sind und Tausende Menschen mit Lärm terrorisiert haben.
Verkehrslärm ist inzwischen für sehr viele Menschen in Deutschland – natürlich auch in Rheinland-Pfalz – eines der größten Umweltprobleme geworden. Viele von ihnen sind dieser Belastung tagtäglich – manche von ihnen sogar nachts – ausgesetzt. Schon lange wissen wir: Lärm macht krank. Wir haben eben schon gehört, wer dauerhaft von Lärm geplagt ist, dem drohen Herz- und Kreislauferkrankungen, aber auch Gehörschäden, Schlafstörungen und Depressionen.
Vorherrschendes Problem ist der Straßenlärm. 55 % aller Menschen fühlen sich gerade vom Straßenlärm belastet. Es ist klar, dass Rheinland-Pfalz aufgrund seiner zentralen Lage in Europa, als Transitland sozusagen, sehr stark belastet ist, vor allem durch Bahn- und Fluglärm. Wir sind deshalb gefordert, alles zu tun, um Lärmbelastungen erstens zu vermeiden und zweitens zu reduzieren. Es ist klar, dass jeder Einzelne einen Beitrag dazu leisten kann. Das fängt damit an, auch einmal ein lärmärmeres Auto zu kaufen, und reicht bis zu dem Gedanken daran, dass man in der Mittagszeit nicht den Rasen mäht. Aber wir reden heute natürlich vor allem darüber, was die Politik machen kann.
Meine Damen und Herren, Sie wissen das vielleicht nicht: Rheinland-Pfalz war das erste Bundesland, das 1987 ein Lärm-Immissionskataster für innerörtliche Straßen erstellt hat, womit versucht werden sollte, gerade
die hoch belasteten Ortsdurchfahrten von Lärm zu entlasten. Die Kollegin Blatzheim-Roegler hat es angesprochen: Es gibt inzwischen mehrere Modellprojekte – in Mainz, in Trier und in Kandel –, bei denen versucht wird, zusammen mit den Kommunen zu klären, welche Möglichkeiten sie haben, straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen umzusetzen.
Herr Reichel, oft ist es nämlich die untere Straßenverkehrsbehörde, die dafür zuständig ist. Ich habe vor Kurzem eine Gemeinde in der Nähe von Mainz besucht. Ich habe festgestellt, das hat gar nichts mit dem Parteibuch zu tun. Man muss denen erst einmal erklären, welche Möglichkeiten sie überhaupt selbst haben, um den Lärmschutz in die Hand zu nehmen. Es passt also nicht, immer mit dem Finger auf den Minister zu zeigen.
Die Belastung durch Bahn- und Fluglärm ist – darin sind wir uns im Parlament alle einig – nach wie vor unerträglich hoch. Das gilt vor allem für die Situation am Rhein und in der Rhein-Main-Region. Die Menschen wehren sich inzwischen zu Recht immer massiver. Leider gibt es am Montag ein trauriges Jubiläum zu feiern: die 100. Montagsdemo. Am vergangenen Wochenende kamen in Rüdesheim wieder über 1.000 Menschen zusammen. Langsam langt es. Es geht den Leuten zu langsam.