Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

Das heißt, diese Menschen können dann kein faires und effektives Verfahren mehr erwarten.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das können Sie aber so nicht sagen!)

Die Verfolgung vorzutragen, wird noch schwerer, die Rechtschutzmöglichkeiten werden eingeschränkt, und die Anträge können leichter als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, ohne Prüfung des Einzelfalls.

Dies kann in der Konsequenz zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen, und dies kann nicht im Sinne eines humanitären Asylrechts sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In der Rechtsprechung ist es so, dass eine Akkumulation von Diskriminierungen, wie sie bei den Roma in den genannten Ländern durchaus vorliegt, zu einer Verfolgung führen kann und diese dann auch wiederum dazu führt, dass das deutsche und europäische Asylrecht greift. So hat vor wenigen Wochen beispielsweise das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem Urteil deutlich gemacht, dass – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – „Roma in Serbien extrem benachteiligt werden, dass sie gezwungen sind, am Rande der Gesellschaft zu leben. Dies gilt insbesondere für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt, den Zugang zur Gesundheitsversorgung, den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und die Möglichkeit, Sozialleistungen zu erlangen.“.

Roma seien außerdem in Serbien verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter. Die staatlichen Organe gewährten in der Regel keinen Schutz gegen diese Gewalt.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in diesem Zusammenhang zwei Roma als Flüchtlinge anerkannt. Diese Möglichkeiten wären mit den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten nicht mehr gegeben.

Wir lehnen eine weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl ab, und deswegen lehnen wir auch Ihren Antrag entschieden ab.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Sahler-Fesel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der CDU ist tatsächlich wieder einmal sehr typisch für die CDU: Er ist eine richtig schöne, vergiftete Praline. – Eine wunderbare Verpackung! – Frau Spiegel hat es schon gesagt, den ersten Satz kann man unterschreiben, verpackt mit sehr netten und schönen Worten, aber innendrin findet sich genau das, was die CDU ausmacht: Populismus, Ängste schüren, die Ängste vor Zuwanderung schüren.

(Zuruf von der CDU: Fakten zur Kenntnis nehmen!)

Warum? Warum schreiben Sie in Ihren Antrag nur die Zahlen des Bundes hinein? 200.000, diese Zahl ist richtig. Aber wenn man es nach dem Königsteiner Schlüssel umrechnet, bleiben von den 200.000 gerade einmal rund 9.600 Flüchtlinge bei uns übrig.

Wenn man die 40.000 syrischen Flüchtlinge, die in den letzten drei Jahren in Deutschland aufgenommen wurden, nach dem Königsteiner Schlüssel umrechnet, kommen wir gerade einmal auf 1.920 Flüchtlinge in drei Jahren, die nach Rheinland-Pfalz kommen. Das sind ganz andere Relationen, und die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, wirkt dann auch nicht mehr so riesig.

Herr Kessel, auch den Sprachgebrauch, in dem Sie von einem „inflationären Umgang mit dem Asylrecht in Rheinland-Pfalz“ sprechen, finde ich sehr dick aufgetragen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Menschen, die zu uns kommen und uns um Asyl ersuchen, einen Grund dafür haben.

(Zurufe der Abg. Kessel und Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das Gift, das in Ihrem Antrag steckt, kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, dass Sie die Armutsmigration mit hineinbringen und damit unterschwellig unterstellen, diese Menschen kämen nur nach Deutschland, weil sie unseren Staat benutzen wollten, weil sie in Deutschland Geld bekommen könnten, das sie zu Hause nicht bekommen. Im gleichen Zusammenhang sprechen Sie aber mehrfach die Menschen an, die tatsächlich Schutz brauchen, die tatsächlich Schutzsuchenden. Ich weiß nicht, ob wir nicht alle auf einem hohen Ross sitzen. In diesem Falle sind Sie es!

Sie müssen sich einmal vorstellen, diese Menschen kommen zu uns unter zumeist sehr großen Schwierigkeiten. Sie kommen mit Kind und Kegel in ein anderes Land. Ich bin mir ganz sicher, dass dies durch die Bank niemandem leicht fällt. Das ist keine Schönrederei, sondern diese Menschen verlassen alles, was sie kennen. Bis es einmal so weit kommt, dass man so etwas tut, muss es einem schon verdammt dreckig gehen. Das ist der Hintergrund dieser ganzen Geschichte.

Dass es immer den einen oder anderen gibt, der so etwas ausnutzt, ist auch klar. Das ist genauso, wie wenn der eine oder andere deutscher Herkunft das Recht bricht; aber deswegen sind wir noch lange nicht alle Rechtsbrecher, nur weil wir aus Deutschland kommen.

Das ist eine Verquickung, die für mich ganz schlimm ist. Es wurde hier mehrfach mit der Armutsmigration angesprochen. Sie schüren damit Ängste und bedienen die Vorurteile.

Frau Spiegel ist schon auf den Aspekt der sicheren Herkunftsländer und dem scheinbaren Prüfen von Anträgen eingegangen. Sie widersprechen sich selbst in der Darstellung, indem Sie sagen, dass man aussichtsreiche Anträge schneller prüfen soll. Auf der anderen Seite sagen Sie auf der zweiten Seite Ihres Antrages, dass aber immer noch jeder die Chance hat dazulegen, warum er da ist. Sie tun so, als ob alle Anträge doch

noch gleich geprüft würden. Dann brauchen wir das doch in der Form überhaupt nicht.

Dann kommt wiederum in einem anderen Absatz, was man alles tun sollte, Dinge, die der Bund tun kann. Es ist überhaupt kein Antrag, der zu uns gehört. Das, was Sie hier darstellen, sind Dinge, die durch die Bank seitens der Bundesrepublik gemacht werden, auch wenn Sie dann noch einmal extra betonen, dass es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung ist.

Sie wissen genau, wie eine Koalition aussieht. Sie wissen, dass gerade im Bereich Asyl Kompromisse geschlossen werden. Das hindert uns aber in RheinlandPfalz nicht an unserer Arbeit. Sie werden keinen Keil dazwischen bekommen, weil sich GRÜNE und Rote in Rheinland-Pfalz im Bereich der Asylpolitik tatsächlich einig sind. Von daher werden wir auch da nicht umkippen, nur weil gesagt wird, es ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Da Ihre Überschrift heißt, dass Sie Zuflucht bieten und Migrationsströme steuern wollen, frage ich mich nun wirklich, wo sich das in Ihren Forderungen, die Sie haben, die bis dahin gehen, dass Sie angemessene Unterkünfte bieten wollen, was wir natürlich für sinnig halten, oder Spracherwerb usw. sicherstellen wollen, niederschlägt. Das hat mit Steuerung gar nichts zu tun. Ich glaube auch, der Begriff ist bei Ihnen nicht wirklich besetzt, was das Steuern von Migrationsströmen eigentlich beinhaltet.

Ich schließe mich also meiner Kollegin Frau Spiegel an. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Alt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahlen der Menschen, die bei uns Zuflucht und Asyl suchen, steigen. Die Menschen fliehen vor Krieg, vor Not und vor Gefahren. Sie lassen ihre Heimat und ihr Hab und Gut zurück und bitten bei uns um Schutz.

Wir sind uns darin einig, dass wir diese Menschen bei uns aufnehmen und wir ihnen und ihren Kindern Sicherheit und Zuflucht bieten wollen.

Wir sind uns nicht an dem Punkt einig, sehr geehrte CDU-Fraktion, dass Sie mit Ihrem Antrag und auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung sagen, wir wollen die Länder Mazedonien, Bosnien und Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Damit sind wir nicht

einverstanden, weil wir bei den Asyl suchenden Menschen aus Serbien, Mazedonien und BosnienHerzegowina überwiegend von Romas sprechen. Die Lage der Roma in diesen Ländern ist prekär. Man kann es nicht anders sagen. Ich habe mir im letzten Jahr persönlich ein Bild in Serbien von der Lebenssituation und der extrem starken Ausgrenzung der Roma in diesen Ländern machen können. In den beiden anderen Ländern sieht es nicht viel besser aus.

In Mazedonien liegt die Lebenserwartung der Roma zehn Jahre unter der Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung. Die Kindersterblichkeit bei den Roma-Kindern ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mehr als doppelt so hoch.

Die EU-Kommission zählt Roma zu den am meisten diskriminierten Gruppen Europas. Die Bundesregierung verkennt mit ihrem Gesetzentwurf die existenzielle Notlage von Roma in diesen Ländern. Sie verkennt ihre politische, soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung. Sie verkennt die rassistischen Diskriminierungen und Übergriffe und erweckt mit dem Gesetzentwurf den Eindruck, als ob Asylsuchende aus diesen Ländern Asylmissbrauch treiben würden.

Das europäische Flüchtlingsrecht kann aber Diskriminierung und Ausgrenzung zusammengenommen durchaus als Verfolgung ansehen. Ebenso kann – Herr Kessel hat es schon zitiert – auch die Ausgrenzung von Roma zu sauberem Trinkwasser, zu medizinischer Versorgung oder zur Bildung sowie Zwangsräumungen von Siedlungen zusammengenommen eine Verfolgung darstellen. Genau deswegen müssen die Asylanträge auch von Menschen aus Serbien, Mazedonien und BosnienHerzegowina mit besonderer Sorgfalt und vor allen Dingen individuell geprüft werden.

Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat hätte aber gerade keine sorgfältige Prüfung zur Folge; denn diese Einstufung bringt für die Asylsuchenden die pauschale Vermutung zugunsten der Nichtverfolgung mit sich. Deshalb können wir der Forderung heute nicht zustimmen und diese Forderung heute nicht unterstützen.

Ich möchte aber hier das sagen, was ich auch im Bundesrat gesagt habe. Wir verschließen uns vernünftigen Vorschlägen nicht und sind auch zu Verhandlungen und Gesprächen bereit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf einmal Ihren Blick darauf lenken, dass die rheinland-pfälzische Flüchtlings- und Asylpolitik bundesweit sehr hohe Anerkennung genießt. Wir haben in unserem fortgeschriebenen Landesintegrationskonzept ein eigenes Handlungsfeld Flüchtlinge aufgenommen, um den speziellen Bedürfnissen der Flüchtlinge besonders Rechnung zu tragen. Man kann auch sagen, die Aufnahme der Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz wird sehr gut gemeistert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dennoch wissen wir, dass sowohl das Land als auch die Kommunen vor besonders großen Herausforderungen durch die immer wachsenden Zahlen gestellt sind. Ich

möchte an dieser Stelle vor allen Dingen auch den Kommunen, ein ganz herzliches Dankeschön dafür sagen, dass sie sich mit einem so herausragenden Engagement um das Wohl der Flüchtlinge vor Ort in den Kommunen kümmern. Ein ganz herzliches Dankeschön dafür!

(Beifall im Hause)

Die Landesregierung hat die Aufnahmekapazitäten auch in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier erweitert. Wir haben zwei neue Außenstellen. Wir haben in Trier zusätzlich eine Kaserne angemietet. In Ingelheim haben wir eine Außenstelle für 200 Flüchtlinge aufgemacht und sind gerade dabei, die Außenstelle noch einmal zu einer eigenständigen zweiten Landesaufnahmeeinrichtung auszuweiten und auszubauen. Das würde noch einmal bedeuten, dass man in Ingelheim 500 Menschen unterbringen könnte. Im Moment haben wir 1.180 Plätze.

Momentan sieht die Situation so aus, dass für die Flüchtlinge, die wir in der Landesaufnahmeeinrichtung bis zu drei Monate unterbringen können, die Zeitschiene bei fünf bis sechs Wochen liegt, bis die Menschen dann in die Kommunen verteilt werden. Ich denke aber, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.

Wir sind gut aufgestellt und schauen, dass wir das Angebot vor allen Dingen zeitnah haben, weil es doch viel schneller geht, als wir das prognostiziert haben bzw. womit wir rechnen konnten. Die Zugangszahlen sind sehr hoch. Insofern werden wir zusammen mit den Kommunen schauen, wie wir das ausbauen können.

Ich möchte noch einen letzten Satz dazu sagen, dass wir sehr bestrebt sind, diese Menschen und Flüchtlinge zu begleiten, wir Sprachkurse und Integrationskurse anbieten, wir die Integrationskurse des Bundesamtes für die Flüchtlinge öffnen, soziale Beratung, Begleitung und Betreuung anbieten. Auch das ist für diese Menschen sehr wichtig.

Ich bin froh, dass wir mit Blick auf die medizinische Versorgung der Flüchtlinge durch das MEDEUS-Programm einen großen Schritt nach vorne gehen konnten, indem wir eine erweiterte ärztliche Erstuntersuchung in Trier vornehmen können. Das ist wirklich ein großer Schritt nach vorne. Ich glaube, für uns alle sagen zu können, wir sind in Rheinland-Pfalz gut aufgestellt. Wir sind bemüht, die Menschen, die zu uns kommen, gut aufzunehmen und gut zu versorgen. Ich würde mich freuen, wenn Sie das alle mittragen würden.

Danke schön.