Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

Sie sprachen davon, dass das Ganze Bürgerbeteiligung und mehr Bürgerfreundlichkeit mit sich bringt. Gleichzeitig betreiben Sie eine massive Art der Diskriminierung, indem Sie den alten Menschen unterstellen, dass diese Probleme hätten, dieses Wahlrecht wahrzunehmen. Das ist sehr bemerkenswert.

Darüber hinaus, die Hürden, die bei der Briefwahl bestehen, sind massiv herabgesetzt worden. Wir haben eine steigende Wahlbeteiligung. Es ist jedem Bürger, ohne dass er begründen muss, warum, freigestellt, Wahlbriefunterlagen anzufordern. Die bekommt er, und er kann dann das, was Sie auf Ihrem Weg machen wollen, umsetzen.

Von daher gesehen frage ich, was das Ganze soll, was vor allen Dingen diese Eile soll, mit der Sie dieses Gesetz einbringen wollen. Warten Sie doch erst einmal ab, bis es eine Wahlanalyse des Landeswahlleiters gibt. Die wird irgendwann kommen.

Darüber hinaus haben wir ein Kommunalministerium, welches sich ebenfalls mit dieser Thematik beschäftigen wird. Warten Sie doch diese Dinge ab. Dann setzen wir uns hin, diskutieren es, machen es sehr ausführlich mit unseren Kommunalen, und dann werden wir Ergebnisse feststellen. Wir werden schauen, ob es Sinn macht oder weniger Sinn macht. Dabei können wir durchaus differierende Ergebnisse erzielen. Das räume ich ein.

Auf jeden Fall sind wir im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, Gründlichkeit, Recherche, Analyse statt Schnellschuss aus der Hüfte, der im Prinzip nichts bringt. Das muss ganz klar gesagt werden. Deshalb werden wir in dieser Angelegenheit zum jetzigen Zeitpunkt mit Sicherheit nicht zustimmen. Wir werden – wie gesagt – analysieren und schauen, welche Möglichkeiten es gibt, und dann kann es durchaus sein, dass wir uns irgendwo annähern können. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ganz klar nein. Wir sind der Meinung, wir machen so etwas gründlich und nicht im Vorbeigehen.

Man muss sich überlegen, noch keine fünf Wochen sind die Wahlen vorbei, dann stehen Sie mit einem Gesetzentwurf da, mit dem Sie regelmäßig gescheitert sind.

(Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Das ist doch wirklich nur mit Bockbeinigkeit zu vertreten. Das ist nicht das, was man von einer Partei erwarten kann, die sagt, sie will demokratische Spielregeln, sie will die Bürger mitnehmen. Nein, Sie machen einfach Ihr Ding, wie Sie das nach jeder Wahl jedes Mal gemacht haben. Von daher gesehen können Sie beim besten Willen nicht erwarten, dass wir bei Ihnen mitmachen.

(Frau Klöckner, CDU: Seit wann ist ein Gesetzentwurf undemokratisch?)

Warten Sie ab. Wir werden das Ganze analysieren, und dann finden wir vielleicht einen Weg.

(Zurufe von der CDU)

Vielleicht finden wir einen Weg. Wie der aussieht, wissen wir noch nicht; denn im Gegensatz zu Ihnen machen wir uns Gedanken und entscheiden dann, und nicht wie Sie, erst entscheiden und sich später Gedanken machen.

(Beifall der SPD und des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich weitere Gäste begrüßen, und zwar Auszubildende der Kreisverwaltung Birkenfeld. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Jetzt hat Frau Kollegin Schellhammer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich haben wir Verständnis für die Menschen, die in die Wahllokale gehen und sich mit den Stimmzetteln auseinandersetzen. Es ist in der Tat so, dass viele Stimmen abzugeben sind. Aber wenn Sie mit Ihrem Gesetzesänderungsantrag suggerieren, damit die Wahlbeteiligung steigern zu können und die ungültigen Stimmabgaben zu minimieren, dann ist das eine vermeintlich einfache Lösung für ein sehr komplexes Problem, liebe CDU.

Als Vorsitzende der Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung“ ist es auch mir wichtig, die Menschen für die Demokratie zu begeistern und zur Stimmabgabe zu bewegen. Deswegen ist es natürlich unser gemeinsames Anliegen, die Hürden zu senken. Aber ich bin äußerst skeptisch, ob der von Ihnen vorgelegte Gesetzesänderungsantrag hierzu tatsächlich einen Beitrag leistet.

Schon jetzt ist es möglich, seitens der Kommunalverwaltung Musterwahlzettel zu verschicken und damit die Bürgerinnen und Bürger mehrere Wochen vor der Wahl zu informieren, und nicht erst drei Tage – so wie in Ihrem Gesetzesänderungsantrag – durch die Verschickung der Wahlzettel zu motivieren.

Die Abschreckung kann man auch durch die Verschickung der Wahlunterlagen minimieren. Durch die Briefwahl ist es de facto möglich, sich mehr Zeit zu geben und wählen zu gehen. Aber die Briefwahl ist immer noch eine bewusste Entscheidung. Es gibt keine pauschale Verschickung aller Wahlzettel, und deswegen ist es besonders vor dem Hintergrund, inwieweit durch ein Wahlverfahren mehrere Wahlrechtsgrundsätze verletzt werden, zu bewerten, dass die Briefwahl eine bewusste Entscheidung ist, wenn wir wollen, dass die Wählerinnen

und Wähler eine unbeeinflusste Wahlentscheidung treffen.

Unzulässige Wahlbeeinflussung, das wissen wir vom Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Koblenz – – –

Es ist ein hohes Gut. Wir müssen diesen Gesetzesänderungsantrag vor diesem Hintergrund bewerten.

Ihr Argument ist es, die Wahlbeteiligung zu steigern und ungültige Stimmabgaben zu verhindern. Sie nennen in Ihrem Gesetzesänderungsantrag die Länder Bayern und Baden-Württemberg. Ich habe mir angeschaut, wie die letzten Kommunalwahlen da so gelaufen sind. Schlagzeilen aus Bayern von der letzten Kommunalwahlen: Extrem starker Rückgang der Wahlbeteiligung. – Bei Baden-Württemberg zum Beispiel ist es so, dass bei der letzten Kommunalwahl die Wahlbeteiligung um 1,6 % zurückgegangen ist und jetzt bei 49,1 % liegt. In Rheinland-Pfalz haben wir bei der letzten Kommunalwahl den glücklichen Trend mit 55,6 %, also deutlich höher als in Baden-Württemberg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir haben glücklicherweise eine Steigerung. Natürlich ist es so, dass diese Wahlbeteiligung nicht zufriedenstellend ist. Der Landtag Rheinland-Pfalz hat, um sich mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern auseinanderzusetzen, aus diesem Grund eine EnqueteKommission eingesetzt.

Schauen wir uns die ungültigen Stimmen an: In BadenWürttemberg 3,1 %, ein leichter Rückgang von 0,1 %, und in Rheinland-Pfalz 3,0 %. Also liegen wir mit den ungültigen Stimmen zwar nur marginal aber unter Baden-Württemberg, haben aber im Vergleich zu der letzten Wahl einen Rückgang von 0,6 % der ungültigen Stimmzettel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zuruf des Abg. Dr. Mittrücker, CDU – Pörksen, SPD: Reine Argumente!)

Dieser Trend gibt keinen Anlass, zu diesem Zeitpunkt einen Gesetzesänderungsantrag einzubringen.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte, Frau Kollegin Schellhammer hat immer noch das Wort.

Natürlich ist es ein wichtiges Thema, und man muss sich damit auseinandersetzen. Aber klar ist, dass die Anzahl der ungültigen Stimmzettel bei den letzten drei Kommunalwahlen zurückgegangen ist. Deswegen ist es sehr seltsam, dass Sie zum jetzigen Zeitpunkt den Gesetzesänderungsantrag einbringen.

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Wir müssen darüber diskutieren, wie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aussieht.

(Abg. Frau Klöckner, CDU, unterhält sich mit Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Klöckner, ich würde mir wünschen, nachdem Sie in Ihrem Statement in der Art und Weise auf die Bürgerbeteiligung abgehoben haben, dass Sie auch mir zuhörten.

(Frau Klöckner, CDU: Ich höre Ihrem Kollegen zu! Das ist der Fraktionsvorsitzende, der auch spricht!)

Die Bekämpfung der niedrigen Wahlbeteiligung ist ein wichtiges Anliegen. Kurz gesprungene Lösungsansätze helfen hier allerdings nicht weiter, sondern sie müssten in einem Gesamtmaßnahmenplan eingebettet sein.

Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt. Ich habe ein großes Unverständnis, dass Sie diesen konstruktiven Vorschlag in das Parlament einbringen, obwohl wir eine Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ haben, die sich mit konstruktiven Vorschlägen auseinandersetzt.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist ja unverschämt!)

Wir haben zwei umfangreiche Anhörungen zum Thema Beteiligung auf kommunaler Ebene gehabt.

(Glocke des Präsidenten)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir im Zuge dessen darüber diskutierten und uns gemeinsam Gedanken machten, wie wir die Bürgerbeteiligung in Rheinland-Pfalz weiterentwickeln können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Minister Lewentz.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Kollegen Noss und der Kollegin Schellhammer für fundierte und ausgewogene Redebeiträge danken.

(Zurufe von der CDU: Ha! Ha! – Ernst, CDU: Wenn Sie das so auffassen! – Dr. Mittrücker, CDU: Dann kann man nur herz- lichen Glückwunsch sagen, mein lieber Mann!)

Vielen Dank.

Hier hilft ein populistisches Herangehen überhaupt nicht. Dass es ein populistisches Herangehen geben würde, war schon am Wahlabend klar. Das haben wir in den letzten Jahren nach Kommunalwahlen immer erlebt.

Ich bin froh, dass wir Auszubildende einer Kommunalverwaltung als Gäste haben. Die lernen nämlich, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht.